och nie stand die europäische Automobilindustrie vor größeren Herausforderungen als heute.
Neue Wettbewerber fordern sie heraus, Zölle, hohe Energiekosten und eine erdrückende Bürokratie lassen die Erfolge der vergangenen Jahre in rasantem Tempo erodieren. Berylls by AlixPartners hat deshalb einen Masterplan Automotive entwickelt, der diese Erosion stoppen kann.
Er umfasst neun Themenfelder, die die Branche angehen muss, um zu alter Stärke zurückzufinden. Die Chancen dafür sind gegeben, wenn die Entscheider die neun Punkte des Plans beherzt angehen.
Autoren: Heiko Weber, Timo Kronen
Stabile Rahmenbedingungen sind für Kunden und Industrie notwendig.
Um die Automobilindustrie in Deutschland sowie Europa als Schlüsselindustrie zu erhalten und weiterzuentwickeln, ist ein „Masterplan Automotive“ auf Europäischer Ebene unabdingbar, auch, um auf die sich aktuell ständig verändernden geopolitischen Entwicklungen Antworten zu finden. Ein Blick auf die Entwicklung der Automobilindustrie in China zeigt klar, wie erfolgreich ein solcher Masterplan sein kann. China hat vor über 25 Jahren die politischen Rahmenbedingungen für die Schaffung eines starken Automobilsektors gesetzt und über gezielte Investitionsanreize die Ansiedelung entsprechender Firmen forciert und sich entscheidende Ressourcen gesichert. Dies zeigt, wie wichtig Konsequenz und Langfristigkeit sind, wenngleich auch Europa und Deutschland natürlich eine andere Absprungbasis haben als China vor 25 Jahren. Eine direkte Kopie des chinesischen Plans wird aus verschiedensten Gründen nicht funktionieren und kann auch sozial nicht gewollt sein.
Die Gestaltung dieses Masterplan muss in einem Dialog mit Politik, Gesellschaft und der Industrie entstehen. Den Automobilunternehmen kommt in diesem Dialog eine führende und gestaltende Rolle zu. Bei folgenden Themen ist eine klare vorwärtsgerichtete Orientierung über mehrere Legislaturperioden hinweg anzustreben:
Solche Rahmenbedingungen würden auch dazu führen, dass Refinanzierungen speziell von Zulieferern wieder erfolgversprechender für Banken und Investoren werden.
Stabile Rahmenbedingungen sind für Kunden und Industrie notwendig, um die derzeitige Abwärtsspirale aus schwankenden politischen Entscheidungen, wirtschaftlichen Herausforderungen und kritischer öffentlicher Meinung wieder in eine positive Entwicklung zu drehen. Die Automobilindustrie muss bei der Gestaltung eines „Masterplans Automotive“ eine führende konstruktive Rolle einnehmen.
Autoren: Henning Ludes, Sebastian Bräuer
Für die Umsetzung des europäischen Masterplans benötigt die deutsche Automobilindustrie wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen: bezahlbare Industriestrompreise, leistungsfähiges Breitband für Industrie 4.0, unbürokratische Prozesse für effiziente Arbeitsmodelle und zielgerichtete Förderungen. Dabei ist sie auf die Bundesregierung angewiesen – insbesondere in zwei Bereichen sollten jedoch private Akteure selbst aktiv werden.
Energieinfrastruktur: Planbarkeit und strategischer Energieeinkauf als Schlüssel
Mit 25% über dem EU-Schnitt zählt der Industriestrompreis in Deutschland zu den höchsten in Europa. Der Börsenpreis für Strom in Deutschland (in EUR/MWh) lag 233% über dem der USA in 2023, +329% in 2024 (YTD-September). Insbesondere Automobilzulieferer, die für 80-90% des Energieaufwands für die Fahrzeugproduktion aufkommen, und Spieler mit energieintensiven Wertschöpfungsschritten (z.B. Batteriehersteller, Gießereien) sind von diesem Defizit betroffen. Drei Punkte sollten insbesondere in Betracht gezogen werden, um mit diesem Umstand umzugehen.
Erstens ist das „Leiden“ der deutschen Automobilindustrie an den hohen Industriestrompreisen auch ein Resultat der Konfiguration ihrer Wertschöpfungskette. Deutschland ist erheblich von europäischen Lieferanten z.B. in den Bereichen Stahl, Metall und Kunststoff abhängig, welche in einem noch höheren Maße von hohen Energiepreisen betroffen und damit teurer sind als der außereuropäische Wettbewerb. Systemisch ist der Automotive-Sektor auf die Wettbewerbsfähigkeit der angrenzenden Industrien angewiesen und unter bestimmten Bedingungen gezwungen, außereuropäische Lösungen langfristig in Erwägung zu ziehen.
Zweitens ist der Industriestandort Deutschland auf Planbarkeit angewiesen. Das produzierende Gewerbe plant in Zyklen von Jahrzehnten und kann die enormen Industriestrompreisschwankungen der letzten Jahre nur schwer abbilden. Anreizsysteme (Steuern, Netzentgelte, Subventionen, etc.) sowie Regulatorik (CO2-Ziele, Energiemix, etc.) erfordern eine Kontinuität, die diese Planbarkeit in einem höheren Maße sicherstellt.
Drittens sollten OEMs und Zulieferer bei allem Handlungsbedarf der Bundesregierung das Heft selbst in die Hand nehmen. Der Ausbau eines strategischen Energieeinkaufs sollte Priorität besitzen, um in den gegebenen Rahmenbedingungen den Effekt hoher Industriestrompreise durch „Peak Capacity Reduktion“ zu minimieren – durch Hedging, intelligentes Lastenmanagement, und Kombination mit Eigenstromerzeugung. Darüber hinaus zeigen Beispiele der jüngeren Vergangenheit viele weitere innovative Ansätze: Energiespeicher-lösungen (Bosch in Schwäbisch Gmünd, BMW in Dingolfing) oder Investitionen in erneuerbare Energien. Unsere Empfehlung lautet, auch aufgrund des signifikanten Volumens der erforderlichen Investitionen auf dem „Home Turf“: Proaktiv auf pragmatische Lösungen konzentrieren und für den Rest mit bestehenden und neuen Experten der Energiewirtschaft kooperieren.
Verlässliche Antriebswende: voller Fokus auf eine Antriebstechnologie!
In Zeiten knapper Budgets in Industrie und Staat werden bewusste und fokussierte Investitionsentscheidungen in Zukunftstechnologien überlebenswichtig. Bei aller Technologieoffenheit gilt dies insbesondere für die hohen Investitionen in den Ausbau alternativer Antriebstechnologien (beispielsweise kostet ein neuer Antriebsbaukasten rund zehn Milliarden Euro). Während sich BEVs zunehmend verbreiten und eine weitere Steigerung ihrer Alltagstauglichkeit absehbar ist, verharrt der Wasserstoffantrieb weiter in der Prototypenphase. Auch wenn es valide Argumente für Wasserstoff als Energieträger insb. bei Anwendungsfällen im Bereich LKW bzw. Langstrecke gibt, bleiben sowohl der Ausbau der Infrastruktur (es gibt lediglich 176 Tankstellen europaweit, Stand Mai 2024) als auch die technische Reife hinter der Elektromobilität zurück. Dennoch wird diese Antriebsart jährlich mit hohen dreistelligen Millionen-Eurobeträgen staatlich gefördert und auch mit hohen Investitionen in der Automobilindustrie budgetiert. Einerseits, um die Technologieentwicklung in der Industrie voranzutreiben. Andererseits aber auch um die benötigte Infrastruktur auszubauen.
Die Industrie sollte jedoch kritisch reflektieren, ob eine deutsche Wettbewerbsfähigkeit in zukünftigen Antriebstechnologien trotz paralleler Investition in FCEV- und BEV-Technologien erreicht werden kann. Auf Spielerebene wäre eine klare Priorisierung einer Technologie sehr empfehlenswert. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen scheint ein Serieneinsatz des Wasserstoffantriebs ausschließlich in der Nutzfahrzeugindustrie immerhin denkbar. Für PKW wird die Fokussierung der Investitionen – seitens Industrie und Staat – in die konsequente Weiterentwicklung von BEVs, ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen OEMs.
Fazit
Für die Umsetzung des europäischen Masterplans sollten die Spieler der deutschen Automobilindustrie das Heft dringend selbst in die Hand nehmen: das heißt, proaktiv und systemisch die Vulnerabilität gegenüber hohen Industriestrompreisen reduzieren und sich insbesondere im PKW-Segment auf BEV konzentrieren.
Die etablierten Automobilhersteller verfügen im Vergleich zu neuen Marktteilnehmern wie BYD oder Tesla über ein flächendeckendes sowie vielseitiges Handels- und Servicenetz. Über 470.000 Menschen arbeiten im Kfz-Gewerbe mit seinen über 40.000 Betrieben, die Autohäuser, Karosserie- und Kfz-Meisterbetriebe umfassen. Dies ist grundlegend ein wichtiger, strategischer Wettbewerbsvorteil, der jedoch zur Zukunftssicherung einer durch die Hersteller stringent gesteuerten „Entschlackungs- und Modernisierungskur“ bedarf, um den Automobilstandort in Deutschland nachhaltig zu sichern.
Sicherung einer „gesunden Nachfrage“: Die Entscheidung für ein neues Auto ist heute so komplex wie nie. Eine Vielzahl von Antriebsoptionen, unsichere Förderungen, volatile Preissetzung und eine kontroverse öffentliche Meinung im Übergang zur Elektromobilität sind leider Alltag. Die Unsicherheit ist spürbar und Kaufentscheidungen werden aktuell eher geschoben als getätigt. So sind die Verkäufe von Elektrofahrzeugen in 2024 gegenüber 2023 um 27% drastisch gesunken. Eine stabile Nachfrage braucht Sicherheit: stabile Rahmenbedingungen seitens Politik, klare und stringente Produkt- und Preispolitik der Hersteller und überzeugende sowie überzeugte Verkäufer im Handel sind notwendig, um den Kunden die Bedenken zu nehmen. Dabei sollte es vor allem um die Vorteilsargumentation, die Alltagstauglichkeit sowie die finanzielle Restwertstabilität von Elektrofahrzeugen gehen. Zeitgleich muss sich der Handel darauf vorbereiten, dass Serviceumsätze und Profite durch Elektrofahrzeuge drastisch sinken werden. Die Frage ist nicht ob, sondern nur wann sich dieser Effekt niederschlägt.
Prüfung des Vertriebsmodell: Das über Jahrzehnte (sehr erfolgreich) gewachsene Vertriebsmodell bedarf ebenfalls einer Zäsur. Die dafür in den letzten Jahren hochgelobten Direktvertriebsmodelle bieten zwar Vorteile wie bessere Preiskontrolle oder durchgängige Steuerung der Vertriebsleistung, sind jedoch ebenfalls kein Allheilmittel, was die ersten Praxistests zeigten. Viele Hersteller befinden sich deshalb aktuell wieder auf dem Rückzug vom Agentenmodell aufgrund zu hoher Umstellungskosten sowie neuer Risiken, welche durch die „Entmündigung des Handels“ offenbart werden. Hierdurch werden Hersteller aufgefordert, nachhaltige Rahmenbedingungen für ihre Handelspartner sicherzustellen. Dazu sollten eine Reduzierung der vor allem durch Händlerstandards und Vertriebsprozesse getriebenen „Cost of Franchise“ und eine starke Konsolidierung der Standorte und Eigentümerstrukturen gehören.
Konsolidierung des Handelsnetzes: Deutschland hat mit 254 verkauften Neuwagen pro Handelsstandort immer noch eines der kleinteiligsten Netze in Europa. Die Händlerkollegen in Großbritannien kommen auf über 450 verkaufte Neuwagen. Die Anzahl der Vertriebsstandorte der etablierten Marken sank zwar im letzten Jahr um 4,2% – gleichzeitig wurden aber mehr neue Standorte für neue Marken eröffnet. Die Konsolidierung sowohl auf Standort- als auch auf Eigentümerebene sollte deshalb dringend beschleunigt werden, um trotz des immer kleiner werdenden Kuchens ‚Vertriebsmarge‘ auch weiterhin eine gesunde Händlerlandschaft zu erhalten, die den Weg in die Elektromobilität aktiv beschreiten kann.
Fazit
Stabile Rahmenbedingungen und gemeinsames Handeln von Politik, Herstellern und Handel wären dringend nötig, um die Nachfrage im Übergang zur Elektromobilität zu sichern. Direktvertrieb ist dabei kein Allheilmittel und bedarf klarer Abwägung der Risiken. Herstellern ist zu empfehlen Ihre Handelsstrukturen radikal zu konsolidieren, um „gesunde“ Händler zu etablieren – insbesondere im Übergang zur Elektromobilität.
Autoren: Dennis Röhr, Christian Kaiser, Henning Ludes
Einige deutsche OEMs dürften in den nächsten fünf Jahren in der globalen Bedeutungslosigkeit verschwinden. Ihre Marktposition erodiert vor allem auch deshalb massiv, weil beispielsweise chinesische OEMs in den zurückliegenden Jahren durch massive Investitionen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil aufgebaut haben. Sie haben nicht nur die notwendige Infrastruktur geschaffen, um kostengünstigere und technologisch fortschrittliche Fahrzeuge anzubieten, sondern auch ihre Marktposition durch eine durchgängige Wertschöpfungstiefe in wettbewerbsdifferenzierenden Aspekten, aggressive Preisstrategien und Innovationsgeschwindigkeit gestärkt. XPeng entwickelt beispielweise eigene differenzierende Technologieumfänge– ADAS-System, Software, Chip, etc. – was in der Tiefe der vertikalen Integration bei europäischen Wettbewerbern seinesgleichen sucht.
Verhindern könnten dieses Erodieren ausschließlich massive Investitionen in Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, E/E- und Software-Architekturen, HV-Batterietechnologie, ADAS-Systeme der nächsten Generation und die Ausstattung des Fahrzeugportfolios mit hochwertiger Hardware, deren Kosten anfangs voraussichtlich nicht vollständig über den Endkundenpreis amortisiert werden können. Positiv zu bewerten sind Ankündigungen deutscher OEMs und Zulieferer, die Investitionen in F&E von 2025-2029 um 45% (im Vgl. zu 2022-2026) auf ca. € 64 Mrd. pro Jahr zu steigern. Anders als aktuell geplant, sollte das Gros dieser Investments innerhalb der deutschen Automobilindustrie lokalisiert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts abzusichern.
Trotz eines schrumpfenden Cash-Flows sind diese Investitionen zwingend notwendig, um den technologischen und preislichen Vorsprung der Wettbewerber in den nächsten Jahren zumindest auszugleichen. Der Unternehmensgewinn dürfte sich dadurch allerdings bis zum Ende des Jahrzehnts minimalisieren, doch durch das versäumte Handeln in den zurückliegenden Jahren erscheint dies als die letzte Chance, um eine zukunftsfähige Marktposition zu erlangen.
OEMs und Zulieferer sollten diese Investitionen in einem Riskshare-Modell tätigen. Darüber hinaus wäre es denkbar, dass sich die deutschen OEMs auf eine Vereinheitlichung der Architektur-Topologien verständigen, dass sie die Schnittstellen zwischen den funktionalen Domänen verbindlich beschreiben und darauf basierend individuelle Kooperationsmodelle mit System- und High-Performance-Controller-Anbietern schließen.
Fazit
Es sind signifikante und zeitlich komprimierte Investitionen in Zukunftstechnologien notwendig, damit die deutsche Automobilindustrie ab 2030 wieder wettbewerbsfähig sein kann. Diese Investitionen werden die Bilanzen der Unternehmen massiv belasten und sollten für Vorstände, Shareholder und die deutsche Regierung als generationenübergreifende Verpflichtung betrachtet werden.
Autor: Dennis Röhr
Die CTO‘s der deutschen Automobilindustrie stehen vor einer Zerreißprobe – nur eine mutige Neuaufstellung unter Beachtung massiver Effizienzsteigerung bietet die nötigen Chancen, um wieder richtungsentscheidende Innovationen zu ermöglichen.
Die deutschen OEMs und 1st Tier müssten bis 2028 im Verantwortungsbereich des CTO eine Effizienzsteigerung von 30–40% erreichen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Dies kann ausschließlich durch eine ganzheitliche Transformation der R&D-Geschäftsbereiche hin zu einem Software-Defined-Vehicle-Ansatz gelingen.
Alle Aspekte – von der Unternehmensarchitektur über die Produktstruktur, den Technologie-Stack, dem Operating Model inkl. eigener Wertschöpfung und den Partnerschaften – sollten diesem Ansatz folgend ausgerichtet werden. Die bisherigen voneinander unabhängigen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung, wie Fremdvergaben in Best-Cost-Countries, Materialeinzelkosteneinsparungen, Verkürzungen einzelner Phasen des Produktentstehungsprozesses oder Altersteilzeitregelungen für Mitarbeiter, werden wohl nicht ausreichen, um die notwendigen Einsparungen an Kosten & Zeit zu realisieren; ein grundlegend neues R&D-Zielbild mit einem kurzgetakteten Transformationsprozess für die neuen Fahrzeug- und Funktionsentwicklungen ist zwingend notwendig. Erst diese grundlegende Neuausrichtung kann dann auch wieder zu richtungsentscheidenden und wettbewerbsüberlegenden Innovationen aus Deutschland führen. Die Vorgehensweise der zurückliegenden fünfzehn Jahre, anhand von inkrementellen & evolutionären R&D-Transformationsszenarien die deutsche Industrieführerschaft abzusichern, ist aufgrund der radikalen Veränderung des Produkts gescheitert. “Never touch a running system” droht die Industrie innerhalb der nächsten drei Jahre zu einem Nokia- oder Kodak-Moment zu führen.
Fazit
Die CTOs der deutschen Automobilindustrie stehen vor einer existenziellen Herausforderung – nur durch eine radikale Effizienzsteigerung von 30–40% bis 2028 haben sie die Chance den globalen Wettbewerb zu meistern. Wer weiterhin auf die in den letzten Jahren üblichen inkrementellen Optimierungsstellhebel setzt, erweckt den Eindruck, die wettbewerbsbestimmenden Mechanismen eines holistischen, unternehmensprägenden “Software-Defined-Vehicle-Ansatzes“ nicht verstanden zu haben.
Autor: Sebastian Böswald
Laut Studien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind nahezu alle der knapp 800.000 Stellen in der Automobilindustrie vom digitalen Wandel betroffen – von der Notwendigkeit digitaler Weiterbildung bis zu völlig neuen Berufsprofilen. Im aktuellen AlixPartners Disruption Index gaben 55% der Automotive Manager an, dass KI die Jobs vieler ihrer Mitarbeiter rapide obsolet macht. Eine umfassende Strategie ist daher unumgänglich:
Erstens müssen Unternehmen in ganzheitliche Upskilling-Programme investieren, um Mitarbeiter auf neue Technologien, insbesondere (generative) KI und Augmented Reality vorzubereiten und damit die entstehenden Effizienzgewinne als Maßnahme gegen den demographisch getriebenen Fachkräftemangel einzusetzen. So muss beispielsweise Shopfloor-Personal im Umgang mit KI-unterstützten Qualitätskontrollsystemen und Kobots geschult werden. Entwicklungsingenieure in Anforderungsmanagement und Software-Engineering sollten ein Generative-AI-Training absolvieren. Besonders im operativen Bereich erfordert KI Expertenschätzungen zu Folge bis 2027 ein Upskilling von rund 80% der Workforce. Dass Führungskräfte, Vorstände und Aufsichtsräte digitale Tools für Daten- und Szenarioanalysen, z.B. in digitalem und KI-gestützem Wargaming, beherrschen wäre ein weiterer enormer Vorteil, um künftig richtige strategische Entscheidungen treffen zu können. KI-gestützte Bildungsplattformen würden hier helfen, maßgeschneiderte Lernpfade für jeden Mitarbeiter zu generieren.
Zweitens gilt es, gezielt deutsche und internationale Top-Talente aus Universitäten und dynamischen Start-ups anzuwerben, da interne Schulungen keine entsprechenden Fähigkeiten freisetzt. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, akademischen Institutionen und Start-up Hubs erscheint essenziell. Erfolgsmodelle wie das UnternehmerTUM der TU München zeigen, wie eine enge Verzahnung von Universitäten, Start-ups und Risikokapital zu nachhaltigem Fortschritt führt und müssen entsprechend weiter ausgebaut und vernetzt bzw. national gebündelt werden. Der Aufholbedarf ist jedoch drastisch: 2023 flossen $8 Mrd. Venture Capital in KI-Startups in der EU, im Vergleich zu $15 Mrd. in China und $68 Mrd. in den USA. Noch bevor Donald Trump ein $500 Mrd. Programm angekündigt hatte, entwickelte sich ein Trend, der europäische Gründer ins Ausland drängt. Der EU AI Summit unter Führung von Frankreichs Präsident Macron war ein richtiger Vorstoß, der bis zu $200 Mrd. an öffentlichen und privaten Investitionen in den Bereich Künstliche Intelligenz in Europa ermöglichen soll. Hierbei wird es darauf ankommen, weder eine Vielzahl nationaler Alleingänge mit unterkritischer Menge zu starten, noch in überstaatlichen Abstimmungen zu verharren.
Zudem wäre es essenziell, dass der nicht-akademische Bildungssektor verstärkt Digital- und KI-Kompetenzen vermittelt: In Deutschland nutzen derzeit nur 12% der 12- bis 18-Jährigen in der Schule KI, während in China bereits Grundschüler im Umgang mit KI geschult werden.
Drittens sollten staatliche und unternehmerische Initiativen Hand in Hand gehen, um Deutschland durch vereinfachte Visaprozesse, steuerliche Anreize und gezielte Förderprogramme als attraktiven Standort für die globale digitale Forschung und internationale Fachkräfte zu positionieren.
Fazit
Um ihre weltweite Führungsposition zu behaupten, sollte sich die deutsche Automobilindustrie dringend auf drei Kernbereiche konzentrieren: Umfassende Upskilling-Programme zur Entwicklung digitaler und KI-Kompetenzen auf allen Ebenen. Gezielte Anwerbung von Spitzenkräften durch attraktive Bedingungen und enge Kooperation zwischen Industrie und Akademia. Schaffung dynamischer Innovationsökosysteme, die Start-ups, Risikokapital, etablierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen vernetzen.
Autoren: Fritz Metzger, Malte Broxtermann
Das Narrativ ist einfach zusammenzufassen: Es gibt ein neues Pflichtprogramm für die deutsche und europäische Automobilindustrie – Die Spieler müssen zusammenhalten und anerkennen, dass eine neuerliche Stärkung der Wettbewerbsposition nur als Team funktionieren dürfte. Das Ziel der OEMs, Zulieferer und Technologiepartner sollte ein Gesamtoptimum sein.
Denn gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich, die große Entfernung der Industrie von diesem Optimum. So wurde gerade mit den Automobilzulieferern nicht so partnerschaftlich verfahren, wie es ein Gesamtoptimum geboten hätte, während sie in den letzten Jahren angesichts sinkender Verkaufszahlen und steigender Kosten höhere Preise von den OEMs forderten.Von neuem Mut zu Partnerschaften zwischen OEMs und kleineren, jüngeren Technologiepartnern war die Industrie ebenfalls zu weit entfernt. Wegen des Mangels an Komponenten, wie beispielsweise Computer-Chips, konzentrierten sich die OEMs auf den Verkauf von Fahrzeugen mit höheren Margen und schützten damit ihre Rentabilität, ohne die Zulieferer daran teilhaben zu lassen.
Autos müssen und werden zunehmend durch Software definiert. Um diese Herausforderung zu meistern, braucht es ein neues Wertschöpfungsverständnis, welches auch ein verändertes Miteinander erforderlich macht: Aus Konkurrenten können Partner werden.
Denn die deutschen OEMs mussten anerkennen, dass ihnen das nötige Software-Know-how fehlt. Bei der Zusammenarbeit mit großen Technologiepartnern haben sie weniger Verhandlungsmacht als bei langjährigen Zulieferern. OEMs gehen mittlerweile vermehrt Partnerschaften mit Technologieunternehmen und Start-ups ohne Automobilerfahrung ein. Dies bietet Chancen für neue Arbeitsweisen, birgt aber auch Risiken.
Und Software-fokussierte Zulieferer erkennen bereits, wie etablierte Geschäftsmodelle in der aktuellen ökonomischen Lage unter Druck geraten und eine engere Kollaboration sinnvoll sein kann – Teil einer Erfolgsgeschichte für den Standort Deutschland müssen daher Partnerschaften zwischen starken, lokalen Zulieferern sein. Hier werden insbesondere Partnerschaften zu „verborgenen Software-Inhalten“ des Fahrzeugs einen großen Unterschied machen. Denn diese Softwareumfänge sind zwar zwingend nötig, jedoch nicht wettbewerbsdifferenzierend. Bestehende Initiativen und Kooperationen, die aktuell vor allem durch Open-Source-Software Projekte gebündelt werden, sollten deutlich beschleunigt und gestärkt werden.
Fazit
Automotive in Europa und insbesondere in Deutschland sollte mit Nachdruck gemeinsam am Gesamtoptimum arbeiten. Im Fokus liegt dabei die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, durch die Nutzung der Stärken aller Teilnehmer. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der modernen automobilen Lieferkette, in der alle Beteiligten das Auto als Technologieplattform sehen, erscheint wichtiger denn je. Der OEM wird vom Hersteller, zum Plattformanbieter. Es läuft auf einen harten Übergang von gleichzeitiger zu kollaborativer Entwicklung hinaus.
Autoren: Timo Kronen, Fritz Metzger
Die deutsche Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen. Auch, weil geopolitische Risiken, wie die Spannungen um Taiwan, die Notwendigkeit verdeutlichen, die Supply Chain bewusst und gezielt zu regionalisieren. Dies betrifft insbesondere kritische Bereiche wie Leistungselektronik und Chips, aber auch Hochvoltzellen (HV Zellen).
Leistungselektronik und Chips: Regionalisierung als Sicherheitsstrategie
Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten für Leistungselektronik und Chips birgt die bekannten erheblichen Risiken. Eine regionale Aufstellung kann helfen, diese Risiken zu minimieren. Durch die Förderung lokaler Produktionskapazitäten und die Unterstützung kleinerer regionaler Player kann eine stabile und sichere Versorgung gewährleistet werden. Dies erfordert jedoch nicht nur Investitionen in die Infrastruktur, sondern auch den Aufbau und die Erhaltung eigener Beurteilungskompetenzen.
Hochvoltzellen: Etablierte Volumenplayer und regionale Ansiedlung
Im Bereich der Hochvoltzellen sind bereits etablierte asiatische Volumenplayer vorhanden. Für eine Skalierung der Volumina ist Deutschland spät dran. Dennoch ist es wichtig, die regionale Ansiedlung weiter zu forcieren. Dies lässt sich nur durch gezielte Fördermaßnahmen und Investitionen erreichen. Gerade aufgrund der technischen Anforderungen an das komplexe Produkt ist eine Lokalisierung der Logistik und der Fertigung von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt, um als deutscher Hersteller seine Beurteilungskompetenz in der Produkt- und Systemgestaltung zu bewahren.
Steuerung und Regionalisierung der Lieferkette als Schlüssel
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Notwendigkeit, nicht nur Bauteile, sondern auch Rohstoffe regional zu beschaffen. Dies ist entscheidend, um die Abhängigkeit von globalen Märkten zu reduzieren und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Es gilt, die Beschaffung von Rohstoffen stärker zu gestalten und bewusster abzusichern. Dies wird insbesondere für kritische Materialien notwendig, die für die Automobilproduktion unerlässlich sind.
Die Regionalisierung der Lieferketten ist nicht nur eine Reaktion auf aktuelle geopolitische Risiken, sondern auch eine strategische Notwendigkeit. Durch gezielte Maßnahmen und Investitionen können Unternehmen ihre Versorgungssicherheit erhöhen und gleichzeitig die regionale Wirtschaft stärken. Dies erfordert jedoch ein Umdenken und eine bewusste Entscheidung für lokale Lösungen.
Letztlich sollte die Devise gelten, die Lieferantenlandschaft zu stärken und durch partnerschaftliches Miteinander zwischen Automobilherstellern und deren Zulieferern finanzielle Schieflagen in der Lieferkette zu vermeiden.
Fazit
Es besteht Aufholbedarf in Deutschland, beispielsweise bei der Lokalisierung der Lieferketten, denn Versorgungssicherheit bedeutet Zukunftssicherheit.Für eine erfolgreiche Förderung der gemeinsamen regionalen Wirtschaft ist sie dringend geboten und stellt eine Notwendigkeit für die Zukunft der Automobilindustrie dar.
Autoren: Timo Kronen, Fritz Metzger
Es ist offensichtlich, dass es Überkapazitäten in der deutschen Automobilindustrie gibt. Strukturen und Kapazitäten sind auf ein Absatzvolumen ausgelegt, das in absehbarer Zukunft nicht mehr erreicht werden wird. Produktion, produktionsnahe (z.B. Planung oder Instandhaltung) und indirekte Bereiche (z.B. Einkauf, Personal oder Vertrieb) müssen verkleinert werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
In den vergangenen Krisen wurde stets versucht, homöopathische Anpassungen über mehrere Jahre verteilt durchzuführen. In Anbetracht der aktuellen Situation gilt es jetzt, die Krise als Chance zu nutzen und ehrlich und entschlossen die notwenigen Maßnahmen durchzuführen. Dies umfasst eine deutliche Verkleinerung der Strukturen in vielen Bereichen (wie von etlichen Firmen bereits kommuniziert), aber auch eine Fokussierung des oft zu stark in die Breite gewachsenen Produktportfolios der deutschen OEMs.
Mit Stellenstreichungen ist es allerdings nicht getan – um gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen, sollten unbedingt Aufbauorganisation, Prozesse und Steuerungsmodell entsprechend angepasst werden. Hierbei gilt es, die richtigen Fähigkeiten er erhalten bzw. auszubauen. Dies umfasst offensichtlich Kompetenzen rund um das Software Defined Vehicle, aber auch die Basics, die die Automobilindustrie in Deutschland stark gemacht haben:
Fazit
Die Automobilindustrie in Deutschland sollte jetzt die Krise als Chance nutzen und konsequent die Strukturkosten reduzieren. Entscheidend hierbei wird sein, die richtigen Fähigkeiten zu erhalten bzw. auszubauen und Organisation und Prozesse entsprechend anzupassen.