Vergangene Jahre

Restrukturierung intelligent meistern

München, März 2019
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ondersituation COVID-19 - Noch nie ist eine globale Krise in einer solchen Geschwindigkeit und mit einer solchen Wucht auf die Automobilindustrie getroffen. 

Binnen weniger Wochen sind große Teile der Automobilproduktion zum Erliegen gekommen, mit schwerwiegenden Folgen: Auseinanderbrechen der Lieferketten, Anmeldung von Kurzarbeit, temporäre Werksschließungen, Freisetzen von temporärem Personal. Schnelle Ausgabenkontrolle gepaart mit der Sicherstellung der Gesundheit von Mitarbeitern waren die ersten Schritte, die jeder Zulieferer umgesetzt hat. Mit drei Monaten Erfahrung in der Corona-Krise beginnt nun wieder der Anlauf und die Herausforderung, welches Szenario für den Hochlauf und die Prognose die richtige ist.

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Philipp Stütz

Principal

Michael Beckmann

Principal

Dr. Jörg Löffler

Principal

Der "alte Hut" Restrukturierung

Fast jedem Zulieferer ist klar, dass Corona mit einer Zäsur im Unternehmen einhergehen wird. Schon vor dem Corona-Lock-Down mussten die Unternehmen auf die Kostenbremse treten. Die Einsparwellen der OEMs , so zum Beispiel Daimler mit Euro -1,5 Milliarde (November 2019), BMW mit Euro -12 Milliarden bis zum Jahr 2022 (März 2020) durch „Performance Next“ oder die Marke VW mit Euro -15 Milliarden bis zum Jahr 2023 (März 2019), gingen einher mit Forderungen an die Zulieferer, die Preise nochmals zu senken. In der aktuellen Situation werden die bekannten Maßnahmen ergriffen: Anpassung der Kapazitäten in der Fertigung, selektive Entlassungen in den Gemeinkostenfunktionen, Optimierung des Working Capitals, Beruhigung der Fremdkapitalgeber, … und hoffen, dass der Aufschwung schnell und deutlich ausfallen wird. Daran ist per-se nichts auszusetzen, waren doch diese Restrukturierungsprojekte und schlanke, auf Effizienz ausgerichtete Geschäftsmodelle in der Vergangenheit immer wieder der Garant für das Fortbestehen und den Erfolg der Unternehmen. Doch die Risiken sind in und werden nach Corona deutlich steigen.

Das Altbewährte wird diesmal nicht reichen

CASE Investitionen müssen fortgesetzt werden, um den Anschluss an die Transformation der Zulieferindustrie zu halten – die Amortisation dieser Ausgaben verschiebt sich nach hinten und wird dadurch noch unsicherer. Die zukünftige Entwicklung der Automobilindustrie, insbesondere was Produktionsstückzahlen und Fahrzeugklassen oder -segmente, -antriebe angeht, ist unvorhersehbar – Stichwort: VUCA (Volatility = Schwankungen, Uncertainty = Unsicherheit, Complexity = Komplexität, Ambiguity=Mehrdeutigkeit). Die Absicherung der Supply Chain bei JIT-/JIS-Lieferung ist kaum zu bewerkstelligen, während manche Werke plötzlich leer stehen, schaffen andere die Ausbringung und den Hochlauf nicht. Die Folge: aus einer Operations- und Ergebniskrise wird ganz schnell eine Finanz- und Liquiditätskrise. Gesellschafter, Gläubiger und Banken erwarten dann mehr als die üblichen Optimierungen. Zudem werden diese bei weitem nicht ausreichen; denn die Anpassungen und Restrukturierungserfordernisse werden in den kommenden zwei Jahren erheblicher, fundamentaler und tiefgreifender sein als in den vergangenen 30 Jahren. Jeder Automobilzulieferer muss dabei bereit sein, starke strukturelle Restrukturierungen in Kauf zu nehmen.

Die richtigen Erfolgsfaktoren für eine intelligente Restrukturierung sind dabei entscheidend. Erstens, Prozesssicherheit: Die Restrukturierung muss nachhaltig und pragmatisch umgesetzt werden. Vor allem gilt es eine ganzheitliche Lösung zu finden, die alle Stellhebel verzahnt und schnell die Krisenursachen identifiziert und abstellt. Zweiten, Restrukturierungsexpertise: neben einem eigenen, internen Team muss zwingend auf externe Restrukturierungsexpertise zurückgegriffen werden. Erfahrung, Wissen und Netzwerkkompetenz zu allen Unternehmensfunktionen ist dabei essenziell. Zudem sorgt eine gewisse emotionale Distanz der Restrukturierer auch dafür, dass die Unternehmenskultur keinen Schaden nimmt. Drittens, Mobilitäts-Know-how: damit ist neben der Kenntnis über die Automobilindustrie vor allem das Wissen entscheidend, wie es besser geht. Benchmarks von den besten Playern der Branche in Sachen Kosten, Ertragskraft, Finanzstrukturen, etc. helfen, schnell die richtigen Einsparmöglichkeiten oder Strukturen zu identifizieren. Und viertens, Stakeholder-Verständnis: was wichtig für eine Bank ist, muss noch lange nicht wichtig für den OEM sein. Und trotzdem muss der Automobilzulieferer gerade in der Krise jedem gerecht werden.

Restukturierung "but different"

Berylls hat knapp 30 Stellhebel aus sechs Kategorien identifiziert, die im Rahmen intelligenter Restrukturierungsprogramme untersucht und im Falle von Problemen genutzt werden müssen, um die Unternehmenskrise zielgerichtet und schnell anzugehen und zu lösen. Allein die Kosten zu reduzieren, reicht dabei nicht aus. Jede Krise eines Unternehmens ist individuell. Während bei einem Zulieferer vor allem die Finanz- und Schuldenstruktur problematisch ist, kann beim nächsten die Position bei den Kunden die Hauptursache sein. Die Identifikation der Krisenursachen sollte einerseits entlang der Dimensionen Strategie, Governance, Operations, Overhead, Finanzierung und Transparenz erfolgen, andererseits muss bei der Krisenbewältigung garantiert sein, dass eine verzahnte und ganzheitliche Lösung der einzelnen Stellhebel gelingt. Auch müssen Liquiditätskrisen mit einer anderen Dynamik und oft pragmatischer bearbeitet werden als eine Strategiekrise. Das erfordert nicht nur viel Erfahrung im Prozess des Krisenmanagements und der Sanierung, sondern auch fundierte Kenntnisse, welche Lösungen spezifisch für die Automobilindustrie tragfähig sind. Wer die Restrukturierung auf diese intelligente, ganzheitliche Weise angeht, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

Pressemeldung Beste Berater 2019

München, April 2019

Innovation inflection point in the auto industry: suppliers must react

Munich, May 2023
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RAND EINS VERLEIHT BERYLLS DEN BESTE BERATER-AWARD – ZUM VIERTEN MAL IN FOLGE.

  • Erfolgreiche Beratungsarbeit von Berylls Strategy Advisors 2019 bereits mit dem vierten Beste Berater-Award, seit 2016 ausgezeichnet.
  • Berylls belegt im Ranking der besten Beratungen gleich 3 Topplatzierungen, einmal in der Branche Auto & Zulieferer sowie in den Bereichen Strategieentwicklung und Innovation & Wachstum.
  • Lediglich 308 der deutschlandweit rund 20.000 Unternehmensberatungen haben es 2019 auf die brand eins-Bestenliste geschafft.

München, 12.04.2019 – Es war das neunte Jahr in Folge, in dem die Geschäfte der Beratungsbranche boomten. 2018 lagen die Umsätze deshalb bei 33,8 Milliarden Euro und damit deutlich über dem Jahr 2017. Vor allem Spezialisten waren im vergangenen Jahr gefragt wie nie, ein Trend, der sich auch für das Jahr 2019 abzeichnet. Vor diesem Hintergrund veröffentlichen das Magazin brand eins Wissen und das Statistikportal Statista ihren groß angelegten Consulting-Branchenreport, der nunmehr im sechsten Jahr zu den Standards in der Beratungsszene gehört. Eines seiner Highlights ist zweifelsohne der Beste Berater-Award.

Berylls Strategy Advisors wird bereits zum vierten Mal in Folge mit diesem Titel ausgezeichnet und schreibt damit die anhaltende Erfolgsgeschichte fort. Diese Auszeichnung ist auch deshalb so wertvoll, weil sie von einer besonders fachkundigen Jury verliehen wird. Denn die Aussagen von brand eins und Statista bauen auf den Einschätzungen von rund 3.200 Topmanagern auf, die in führenden Positionen in Beratungsunternehmen arbeiten oder zum Topmanagement der Kunden dieser Unternehmen gehören.

SPITZENPLÄTZE FÜR BERYLLS BEI AUTO & ZULIEFERER, STARTEGIEENTWICKLUNG SOWIE INNOVATION & WACHSTUM.

Ein Blick auf das Angebotsportfolio der Münchner Top-Managementberatung macht deutlich, warum Berylls beim brand eins-Award 2019 gleich dreifach vertreten und sich zur Spitzengruppe in der Branche Auto & Zulieferer sowie zu den Besten in den Arbeitsbereichen Strategieentwicklung und Innovation & Wachstum zählen darf. Fragestellungen zu Big Data, KI (künstlicher Intelligenz), Elektrifizierung, Mobilitäts-Services, autonomem Fahren oder Konnektivität gehören mittlerweile zum größten Teil der Projekte an denen Berylls arbeitet. Typische Beispiele dafür sind das Aufsetzen eines zukunftsweisenden Mobilitätsangebots mit eigener Marke für einen großen OEM und die Entwicklung eines gänzlich neuen Geschäftsfeldes für einen Automobilzulieferer im Bereich der E-Mobilität. Sie sind Belege dafür, wie intensiv Berylls die wichtigsten Innovationen der automobilen Welt mitgestaltet.

In Deutschland arbeiten etwa 124.000 Consultants, verteilt auf nahezu 20.000 Unternehmensberatungen. Von denen hat es nur gut ein Prozent auf die brand eins-Bestenliste geschafft. Wer hier dabei sein will, muss sich also sehr erfolgreich gegen Legionen von Wettbewerbern durchsetzen.

Tiefgreifende Branchenkenntnisse zeichnen die bemerkenswert kompetente Beste Berater-Jury aus, die die Topplatzierten festlegt. Sie beurteilt Arbeitsleistungen, die sie als Kunde in Anspruch genommen hat oder aus dem Tagesgeschäft kennt. Dr. Jan Burgard, geschäftsführender Partner bei Berylls: „Vor gerade einmal acht Jahren haben wir Berylls gegründet und bekommen bereits den vierten Beste Berater Award – darüber freuen wir uns außerordentlich. Um uns zu behaupten, müssen wir uns als junges Unternehmen von den Wettbewerbern abheben, die alle schon Jahrzehnte am Markt sind. Wir sind agil, pragmatisch und manchmal herausfordernd, kurz: Berylls ist erfrischend anders – das gehört zu unserem Erfolgsrezept.“ Der von Berylls gepflegte Arbeitsstil, die analytischen Fähigkeiten und das unternehmerische Denken der Top-Managementberatung werden offenbar von Kunden, wie auch von den Wettbewerbern geschätzt.

Die Vielzahl der von Berylls gewonnenen Auszeichnungen ist ein Beleg dafür, dass sich die Münchner Automotive-Managementberatung längst einen herausragenden Platz im Kreis der seit Jahrzehnten agierenden Wettbewerber erarbeitet hat. Andreas Radics, geschäftsführender Partner bei Berylls: „Die Herausforderungen, denen sich die Automobilindustrie stellen muss, sind komplexer denn je. Berylls ist Teil dieser Industrie, was dieser Award eindrucksvoll unterstreicht. Dabei sehen wir uns längst nicht mehr ausschließlich in der Rolle der Strategen, denn die end 2 end Umsetzung der Themen nimmt bei Berylls einen immer größeren Stellenwert ein.“ Ausgiebige Sachdiskussionen schrecken die Kunden dabei tatsächlich nicht. Denn zwischen den Berylls-Experten und ihren Auftraggebern findet eine Begegnung auf Augenhöhe statt, auch das ist eine Auszeichnung für die Münchner Berater.

 

PM BESTE BERATER 2019 PDF DOWNLOAD (1,0 MB)

PORTRÄT DR. JAN BURGARD PDF DOWNLOAD (1,2 MB)

BERYLLS KEY VISUAL ZIP DOWNLOAD (0,5 MB)

PORTRÄT ANDREAS RADICS ZIP DOWNLOAD (1,5 MB)

Authors
CHRISTIAN BANGEMANN

Head of PR & Media Relations

Quo Vadis Oem Aftersales

München, Januar 2019

Innovation inflection point in the auto industry: suppliers must react

Munich, May 2023
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ERYLLS STUDIE ZU CASE-TECHNOLOGIEN ALS DISRUPTOREN- UND ENABLER.

CASE-TECHNOLOGIEN: FLUCH UND SEGEN.

Die guten Nachrichten zuerst: Wichtigster Umsatztreiber im Aftersales-Geschäft in den kommenden Jahren bleibt der weiter wachsende Fahrzeugbestand. 2035 werden auf der Welt 1,5 Milliarden Automobile unterwegs sein, rund 50 Prozent mehr als heute. Gleichzeitig bietet die digitale Vernetzung von Fahrzeug und Kunde Chancen für das Aftersales-Geschäft. Im Kontext von Shared Mobility eröffnen sich so auch (datengetriebene) OEM-Geschäftsmodelle.

Die Zeit drängt. Wer sich im Wettbewerb der Zukunft behaupten will, muss jetzt handeln. Denn es gibt auch schlechte Nachrichten: Elektromobilität und autonomes Fahren werden die Aftersales-Erlöse schrumpfen lassen. Weil Elektroantriebe technisch deutlich weniger komplex und somit auch deutlich weniger verschleiß- und wartungsintensiv sind. Auch hochautomatisiert fahrende Autos schmälern den Umsatz. Sie fahren technikschonend und sind weniger häufig in Unfälle verwickelt; Reparaturaufwand und Ersatzteilbedarf sinken.

PKW-AFTERSALES 2017: ANTRIEBSBEREICH IST UMSATZ-“MOTOR”.

Heute erwirtschaftet die Aftersales-Branche den größten Umsatzanteil im Bereich Fahrzeugantrieb – vornehmlich mit konventionellen Verbrennungsmotoren. Die Elektromobilität wird hier ihre Spuren hinterlassen.

UMBRUCH ALS CHANCE – FÜR DIE, DIE VORBEREITET SIND.

„Die digitale Transformation wird das Aftersales-Geschäft der Automobilhersteller nachhaltig und gravierend verändern. Der digitale Wandel braucht jedoch noch Zeit. Zeit, die die Automobilhersteller nutzen sollten, die Weichen neu zu stellen. In urbanen Ballungsräumen wird die Disruption durch die CASE-Technologien schon sehr bald spürbar werden. Es gilt, darauf vorbereitet zu sein!“, so Jonas Wagner, Partner, Berylls Strategy Advisors.

Seine Einschätzung stützt sich auf die neue Berylls Studie „Quo vadis OEM Aftersales?“, eine detaillierte Analyse des Aftersales Business der Automobilhersteller im Sog der CASE-Technologien und der digitalen (R)Evolution. Die Marktexperten von Berylls befragten 30 Topmanager im Aftersales Business nach ihren Erwartungen und ihrer Einschätzung der künftigen Entwicklung. Umfassende Marktanalysen und Prognosen ergänzen das Bild, das die mittel- und langfristige Entwicklung des Aftersales-Geschäfts sowie wichtige Handlungsfelder aufzeigt.

Das von Berylls entworfene Zukunftsbild bis 2035 berechtigt auf den ersten Blick durchaus zu Optimismus. „Mit einer Neuausrichtung des (digitalen) Service-Angebots und innovativen Erlösmodellen können durch Elektromobilität und automatisiertes Fahren verlorene Umsätze wieder ausgeglichen werden“, sagt Wagner. Er warnt aber auch vor allzu großen Erwartungen: „Die Umsatzsteigerungen fallen regional sehr unterschiedlich aus.“

OEMS PROFITIEREN NICHT VOM WACHSTUM.

Bis 2035 wird weltweit ein Umsatzwachstum im Aftersales Business – Lohn und Teile – von heute 579 auf 755 Milliarden Euro (+ 30 Prozent) erwartet. Die größten Umsatzzuwächse werden nach den Berylls-Analysen in den nächsten Jahren in China eingefahren (+ 3,8 Prozent p.a.). In Europa und den USA erwarten die Berylls-Experten bis 2035 dagegen nur ein Umsatzwachstum von etwa einem Prozent jährlich. Für Deutschland prognostizieren sie leicht sinkende Aftersales-Umsätze.

BRAVE NEW AUTOMOTIVE WORLD: CHANCEN UND RISIKEN FÜR AFTERSALES.

Die automobile Zukunft wird das Aftersales Business nachhaltig verändern. Die Entwicklungen und Effekte sind vielschichtig und ihre mittel- bis langfristigen Auswirkungen im Aftersales noch nicht präzise vorhersehbar.

DIGITALISIERUNG ALS ENABLER.

Die Branche erwirtschaftete 2017 im Pkw-Sektor rund 579 Milliarden Euro Umsatz mit Reparaturen, Wartung und Ersatzteilen. Die Markenwerkstätten der OEMs verbuchen in etwa die Hälfe des weltweiten Gesamtumsatzes; die andere Hälfte verteilt sich auf unabhängige Aftersales-Akteure. Drei von vier der für die Berylls-Studie befragten Topmanager aus der Branche bewerten Big Data, Künstliche Intelligenz und Konnektivität zwar als Enabler für innovative und profitable Aftersales-Geschäftsmodelle. Die Mehrheit von ihnen sieht sich jedoch nur ungenügend gewappnet für die digitale Transformation.

NEWS KIDS ON THE BLOCK: WETTBEWERB NIMMT ZU.

Die Stärke der Automobilhersteller sei, so Wagner, der direkte und enge Kundenkontakt: „Innerhalb der ersten vier Jahre nach dem Kauf eines Neuwagens bleiben die meisten Kunden bei Wartung und Reparaturen dem OEM treu“, erläutert der Marktexperte. Hier gelte es anzusetzen, ein durchgängiges Kundenerlebnis zu etablieren und die Customer Experience zu verbessern. „Dem Kunden mehr bieten als er erwartet“, rät Wagner. Er warnt aber auch: „Der Wettbewerb wird sich verschärfen.“ Neue Player, auch branchenfremde Unternehmen drängen in den lukrativen Markt: Zulieferer, freie Werkstattketten, Online-Werkstattportale, Service Provider.

GLOBAL AFTERSALES 2035: OEMS PROFITIEREN NICHT VOM WACHSTUM.

Verharren die OEMs in ihren traditionellen Aftersales-Strukturen und -Geschäftsmodellen, sind die Konsequenzen
dramatisch: Ihr Anteil am weltweiten Aftersales-Umsatz könnte auf etwa 35 Prozent sinken.

SHARED MOBILITY: INNOVATIVE SERVICE-KONZEPTE FÜR MOBILITÄTDIENSTLEISTER.

Durch Einführung autonomer Fahrsysteme werden Shared Mobility-Flotten bis 2035 auf circa 20 Millionen Fahrzeuge in China, USA und Europa wachsen. Gleichzeitig gilt es professionellen Ersatz für alle bisher von Fahrern erbrachten Dienstleistungen zu finden, beispielsweise in der täglichen Flotteninstandhaltung. Diese beinhaltet die tägliche Fahrzeugpflege, Sicht- und Funktionsprüfung, Lade-Handling und Parken und beläuft sich nach Berechnung der Experten von Berylls auf bis zu 320 Milliarden Euro im Jahr 2035. Neben hoher Automatisierung und tiefer Integration in die betrieblichen Abläufe der Mobilitätsdienstleister liegt der eigentliche Profitabilitätshebel – und das strategische Pfund der OEM – in der Integration von TCO-optimierten Special Purpose Vehicles mit Infrastruktur und Prozessen in Service Hubs.“

MATCHMAKER: NEUE PLAYER IN DER VERNETZTEN AFTERSALES-WELT.

Der Connected Customer mit seinem Connected Car ist sowohl für die OEMs wie auch für branchenfremde Unternehmen, die ins profitable Aftersales-Geschäft einsteigen wollen, eine attraktive Zielgruppe. Der Bessere gewinnt!

Authors
JONAS WAGNER

Partner

CHRISTIAN HEID

Partner

Jonas Wagner

Jonas Wagner, Jahrgang 1978, ist Partner und Geschäftsführer von Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Mad Media). Mit etwa 20 Jahren Beratungserfahrung in der Automobilindustrie ist Jonas ein vertrauenswürdiger Berater für das Top-Management, der sich auf Strategie, Organisationsentwicklung und große Transformationsprojekte für führende, globale Automobilhersteller spezialisiert hat.

Jonas ist ein Experte darin, Automobilunternehmen durch die Transformation ihrer Vertriebs- und Marketingfunktionen zu führen. Er hat eine nachweisliche Erfolgsbilanz in der Digitalisierung von Customer Journeys zur Verbesserung der Kundenerlebnisses, des Vertriebserfolges und der Kundenbindung. Seine Expertise umfasst die Einführung und Umsetzung neuer Vertriebs- und Geschäftsmodelle, sowie den Aufbau datengetriebener Vertriebs- und Marketingorganisationen zur Performance- und Effizienzsteigerung. Sein Expertise umfasst sämtliche On- und Offline Touchpoints, sowie alle Geschäftsbereiche, einschließlich Vertrieb, After-Sales, Finanzdienstleistungen sowie neue Geschäftsmodelle.

Vor seinem Einstieg bei Berylls war Jonas Berater der Automobil-Practise von Oliver Wyman, wo er mit globalen Automobilherstellern zusammenarbeitete und deren strategische Initiativen und Operations optimierte.

Jonas hat einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre von der Aarhus School of Business und der Universität Mannheim, mit einem Schwerpunkt auf Internationalem Management, Marketing und Controlling. Durch die Kombination von tiefem Branchenwissen und strategischem Scharfsinn ist Jonas Wagner ein wertvoller Partner für Manager im Automobilsektor, die komplexe Transformationen meistern.

Autonomes Fahren

München, Oktober 2018

Innovation inflection point in the auto industry: suppliers must react

Munich, May 2023
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IE AUTOMOBILE LANDSCHAFT 2030.

2019 werden die ersten gewerblichen Robotaxis im öffentlichen Verkehr an den Start gehen, die autonomen Fähigkeiten der Pkw werden in den nächsten Jahren immer weiter zunehmen.

Bis 2030 erwarten die Experten von Berylls Strategy Advisors bei den Neuzulassungen im US-Markt einen Anteil von 13 Prozent an autonom fahrenden Fahrzeugen (Level 4 und 5). Etwa 70 Prozent davon werden als individuell genutzte, autonome Pkws neu auf die Straße kommen, die übrigen 30 Prozent als Robotaxis, in Carpool- und Car-Sharing-Flotten.

Die Prognosen stammen aus dem aktuellen Berylls Report „An Autonomous Future: The Automotive Landscape 2030“. Dieser zeigt die künftige Entwicklung des autonomen Individualverkehrs am Beispiel USA auf und evaluiert das künftige Marktpotenzial für die Automobilindustrie als Hersteller und Anbieter von autonomer Mobilität.

SINKENDE KOSTEN STEIGERN DIE ATTRAKTIVITÄT.

Das Marktpotenzial für Technologien rund um das autonome Fahren wird allein in den USA bis 2030 auf 13 Milliarden Dollar steigen. Hinzu kommen 4,8 Milliarden Dollar Jahresumsatz im Sharing- and Flottengeschäft mit autonomen Fahrzeugen, in dem die traditionellen OEMs auf starke Wettbewerber auch aus der Tech-Industrie treffen werden.

Autonome Autos werden sich am Markt in dem Tempo durchsetzen, in dem die Kostendegression fortschreitet. Kontinuierlicher Technologiefortschritt sowie zunehmende Volumenvorteile sind die Schlüsselfaktoren. Die Analysen von Berylls zeigen, dass die reinen Technologiekosten für das autonome Fahren im Laufe der nächsten Dekade um 90 Prozent sinken werden: von heute 70.000 auf rund 6.400 Dollar pro Fahrzeug in 2030.

WER TEILT, WER KAUFT?

Die Antwort auf diese Frage ist grundlegend relevant für künftige strategische Geschäftsmodelle der Automobilindustrie rund um das autonome Fahren. In dem Berylls Report werden die Hauptzielgruppen für autonomes Fahren hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Präferenzen bei Fahrzeugbesitz und -nutzung detailliert betrachtet.

Die wichtigste Konsumentengruppe für Car- und Ride-Sharing-Angebote mit autonomen Fahrzeugen sind die automobilen „Verzichter“. Kundenanalysen belegen, dass gerade diese Zielgruppe neuen Technologien und Geschäftsmodellen sehr offen gegenübersteht.

Das Tempo der Marktdurchdringung liegt in den Händen der Flottenbetreiber, die mit attraktiven Preisen, kurzen Wartezeiten und einer zuverlässigen Versorgung auch bei Nachfragespitzen die Nutzerfreundlichkeit unter Beweis stellen müssen. Das Simulationsmodell von Berylls ermöglicht eine auf die jeweiligen lokalen Gegebenheiten ausgerichtete Analyse der Voraussetzungen und möglichen Maßnahmen. Flottenbetreiber können damit ihre Chancen und die Rentabilität bewerten und so die Flottenauslegung und ihre Nutzung spezifisch für jede Stadt in den USA optimieren.

„Die gute Nachricht ist, dass der Zug den Bahnhof noch nicht verlassen hat. Selbst Unternehmen, die bislang noch nicht an einem Geschäftsmodell rund um das autonome Fahren partizipieren, können noch aufspringen. Aber das Zeitfenster für neue Chancen schließt sich schnell. Es ist höchste Zeit, jetzt zu handeln“, empfiehlt Arthur Kipferler, Partner bei Berylls Strategy Advisors.

 

STUDIE AUTONOMOUS FUTURE  – PDF DOWNLOAD (950 KB)

Authors
ARTHUR KIPFERLER

Partner

Arthur Kipferler

Arthur Kipferler (1963) startete seine berufliche Laufbahn 1989 bei der Boston Consulting Group, für die er 13 Jahre in der Automobilindustrie tätig war. Nach seiner Beraterkarriere hielt er fast zehn Jahre lang Führungspositionen bei Toyota in Europa und den USA. 2013 und 2014 war er globaler Programmleiter Future Retail bei der BMW Group. Danach hatte er leitende Strategie-, Planungs- und Transformationsaufgaben bei Jaguar Land Rover in Coventry, UK. Arthur Kipferler verstärkt den Partnerkreis bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) in den Schwerpunktthemen Markt & Kunde, Premium- und Luxussegment, Technologie, Vertrieb, Digitalisierung sowie Konzeption und Umsetzung von Unternehmens-, Produkt- und Regionalstrategien.
Maschinenbaustudium Fachrichtung Fertigungstechnik an der TU München, MBA-Studium Strategy, Marketing and Organizational Behaviour am INSEAD in Frankreich.

DIE BERYLLS TOP 100-ZULIEFERERSTUDIE 2017

München, Juni 2018

Innovation inflection point in the auto industry: suppliers must react

Munich, May 2023
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ULIEFERER EILEN VON REKORD ZU REKORD UND WACHSEN SCHNELLER ALS HERSTELLER.

  • 2017 war erneut ein starkes Jahr für die 100 größten Automobilzulieferer. Der Gesamtumsatz wächst auf rund 835 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr fällt das Wachstum mit 1,1 Prozent gering aus, wird aber stark durch Währungskursschwankungen beeinflusst.
  • Unter den Top 100 finden sich 18 deutsche Unternehmen. Alle deutschen Zulieferer konnten ihre Umsätze gegenüber 2016 steigern. Bosch und Continental verteidigen die Ränge eins und zwei.
  • Premiere: Insgesamt sind vier chinesische Zulieferer unter den Top 100 vertreten, zwei von ihnen überspringen erstmals die Eintrittsschwelle von 2,6 Milliarden Euro.

Zum siebten Mal hat Berylls Strategy Advisors die 100 weltweit größten Automobilzulieferer im Rahmen der „Top 100-Zuliefererstudie 2017“ untersucht. Zutritt zu diesem Club erhalten 2017 Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 2,6 Milliarden Euro. Der Gesamtumsatz der Top 100 ist um 9,3 Milliarden auf ein neues Rekordniveau von 834,6 Milliarden Euro gestiegen. Vor allem die Gruppe der 18 deutschen Unternehmen liefert 2017 ein sehr positives Bild ab: Sie können insgesamt um 7,5 Prozent im Umsatz zulegen und weisen mit durchschnittlich 9,8 Prozent eine leicht höhere Profitabilität als im Vorjahr auf. Lediglich die amerikanischen Unternehmen liegen mit 10,2 Prozent Profitabilität noch vor den deutschen. Am anderen Ende der Skala bewegen sich die südkoreanischen Zulieferer, bei denen mehr als die Hälfte im vergangenen Jahr Umsatzrückgänge verzeichnen musste. Wechselkurseffekte spielten 2017 aufgrund eines starken Euro eine wesentlich größere Rolle als in den Vorjahren. Umgerechnet in Euro, erzielten die Top 100 lediglich ein Gesamtwachstum von 1,1 Prozent und lagen damit unter dem Wachstum der Vorjahre. Berechnet in lokalen Währungen liegt das Umsatzplus im Schnitt jedoch bei deutlich höheren 9,0 Prozent.

WER TEILT, WER KAUFT?

Unangefochten liegt Bosch mit 47,4 Milliarden Euro Umsatz (Unternehmensbereich Mobility Solutions) auf Platz eins der Berylls Top 100-Zuliefererstudie 2017, gefolgt von Continental (44 Milliarden Euro) und Denso (umgerechnet 36,4 Milliarden Euro). Das Spitzentrio verteidigt damit seine Positionen aus den beiden Vorjahren. ZF Friedrichshafen (33,5 Milliarden Euro) konnte sich um eine Position auf Platz 4 verbessern und verdrängt Magna (umgerechnet 32,5 Milliarden Euro).

Signifikante Wechselkurseffekte beeinflussen in der diesjährigen Studie der Top 100 das Bild: Der Euro hat gegenüber allen anderen Währungen zum Stichtag 31.12.2017 deutlich an Wert gewonnen. So legt der Euro beispielsweise gegenüber dem US-Dollar im Jahresverlauf 2017 um zwölf Prozent und gegenüber dem japanischen YEN um neun Prozent zu. Da die Berylls Top 100-Zuliefererstudie die Umsätze der Unternehmen in Euro umrechnet, überlagern diese Wechselkurseffekte also teilweise vorhandene Umsatzsteigerungen der Unternehmen in lokaler Währung.

ZULIEFERER WACHSEN IM DIREKTEN VERGLEICH STÄRKER ALS DIE HERSTELLER.

Dennoch ist 2017 ein Spitzenjahr. Der Gesamtumsatz der Top 100 Zulieferer liegt mit 834,6 Milliarden Euro über der Marke von 2016 mit 825,3 Milliarden Euro. Die Automobilkonjunktur brummt, weltweit wurden mit 94,5 Millionen so viele Autos produziert wie noch nie zuvor (2016: 92,2 Millionen, 2015: 88,2 Millionen). Die Zulieferer können vom boomenden Gesamtmarkt sogar besser profitieren als die Automobilhersteller: Während der Umsatz der 100 größten Zulieferer zwischen 2015 und 2017 um 5,8 Prozent gewachsen ist, konnten die zehn größten OEMs im gleichen Zeitraum nur um 2 Prozent zulegen.

Die Zahlen der deutschen Automobilzulieferer fallen sogar noch positiver aus. Sie konnten ihre durchschnittliche Profitabilität von 9,5 Prozent (2016) auf 9,8 Prozent in 2017 auf einem bereits hohen Niveau sogar noch weiter steigern, der Umsatz wuchs über alle 18 Unternehmen um insgesamt 7,5 Prozent. Insgesamt rücken die deutschen Zulieferer damit im Top 100-Ranking um durchschnittlich sechs Plätze nach oben. Sie generieren 2017 einen Gesamtumsatz von 204,1 Milliarden Euro und tragen damit mehrheitlich zum europäischen Gesamtumsatz von 370,5 Milliarden Euro bei.

Die anderen europäischen Zulieferer zeichnen ein ähnliches Bild wie die deutschen. Umsatzsteigerungen und Verbesserungen im Top 100-Ranking sind die Regel – mit zwei Ausnahmen. Die International Automotive Components Group (IAC), ein amerikanischer Hersteller für Interieurkomponenten mit Firmensitz in Luxemburg, verliert 21 Plätze, nachdem erhebliche Umfänge des Unternehmens – knapp jeder vierte Standort – in ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner eingebracht werden. Die Grupo Antolin muss nach einem Umsatzsprung in 2016 (nach Übernahme des Interior Business von Magna) einen leichten Rückgang 2017 hinnehmen und verliert eine Position im Ranking.

AMERIKANER FÜHREND IN DER PROFITABILITÄT.

Die Gruppe der amerikanischen Zulieferer (Gesamtumsatz umgerechnet 117,8 Milliarden Euro) liegt mit durchschnittlich 10,2 Prozent in der Profitabilität ganz vorn. Viele US-Unternehmen stellen mit großem Nachdruck die Weichen in Richtung Mobilität der Zukunft und trennen sich von herkömmlichen Geschäftsbereichen. Delphi steht dabei repräsentativ für die strategische Ausrichtung vieler US-amerikanischen Zulieferer: Das Unternehmen hat sich in Aptiv (Fokus auf die „neue Automobilwelt“ rund um Connectivity und Autonomes Fahren) und Delphi Technologies aufgespalten und wurde dadurch im Ranking nach unten durchgereicht. Ähnlich verhält es sich mit Visteon: Vor fünf Jahren noch auf Rang 39, schafft das Unternehmen nach einem fortlaufenden Schrumpfungsprozess und einer weitgehenden Fokussierung auf Anzeige- und Bedieninstrumente gerade eben noch den Sprung in die Top 100.

Es folgen jedoch nicht alle amerikanischen Zulieferer dem Ausgliederungstrend. Unter den Wachstumschampions 2017 ist immerhin ein US-Unternehmen vertreten: American Axle. Der Hersteller von Fahrwerkskomponenten legt durch die Übernahme von Metaldyne (Motor- und Antriebskomponenten) um rekordverdächtige 39 Prozent im Umsatz zu, vergrößert seine Kompetenz auf dem Gebiet der klassischen Antriebstechnologie und klettert im Top 100-Ranking um 14 Plätze nach oben.

Auf ein noch stärkeres Wachstum blicken 2017 nur zwei Unternehmen: Freudenberg und Weichai Power. Freudenberg steigt durch die vollständige Konsolidierung von Vibracoustics auf (Umsatzwachstum: 40 Prozent, plus 23 Plätze im Ranking) und wird dabei nur von Weichai Power übertrumpft. Der chinesische Anbieter von Dieselmotoren konnte u.a. von einem starken chinesischen Binnenmarkt und staatlichen Förderprogrammen profitieren und klettert mit einem Umsatzplus von umgerechnet 68 Prozent im Top 100 Ranking um 15 Plätze auf die Position 17.

BREMSSPUREN BEI DEN KOREANISCHEN ZULIEFERERN, CHINESEN SCHIEBEN SICH NACH VORN.

Hinter den südkoreanischen Zulieferern liegt ein herausforderndes Jahr 2017. Sie repräsentieren mit insgesamt 6 Unternehmen im vergangenen Jahr einen Gesamtumsatz von umgerechnet 49,3 Milliarden Euro (-2,6 Milliarden Euro gegenüber Vorjahr). Nicht nur rückläufige Umsätze machten den Südkoreanern im vergangenen Jahr zu schaffen, sondern zeitgleich auch schrumpfende Renditen. So zeigen fünf der sechs Koreaner in der Top 100-Zuliefererstudie 2017 von Berylls eine rückläufige Profitabilität. Die große Ausnahme ist LG Electronics. Der Elektronik-Gigant aus Seoul möchte ein größeres Wort in der Mobilität der Zukunft mitreden und verstärkt seine Vehicle Components Division mit zusätzlicher Kompetenz auf dem Feld der Lichtsysteme und elektronischer Baugruppen. Ein wichtiger Meilenstein stellt die Übernahme des österreichischen Anbieters ZKW dar, die im April 2018 offiziell bekanntgegeben wurde. Es ist davon auszugehen, dass LG durch die Konsolidierung von ZKW im Ranking des nächsten Jahres weiter nach vorne marschieren wird.

Die 27 japanischen Zulieferer unter den Top 100 können hingegen positiv auf das Jahr 2017 zurückblicken. Umgerechnet in Euro, der gegenüber dem japanischen Yen 2017 um 9 Prozent an Wert gewonnen hat, geben sie mit einem Umsatzrückgang von 2,2 Prozent zwar ein schwaches Bild ab. In lokaler Währung mussten allerdings nur zwei der im Ranking vertretenen Unternehmen Umsatzrückgänge hinnehmen (Yazaki: -1,4 Prozent, Calsonic: -6,9 Prozent). Die Profitabilität der japanischen Unternehmen liegt mit 7,2 Prozent (EBIT oder Operating Income) im Schnitt auf einem vergleichbaren Niveau wie 2016.

Mit Bridgestone-Firestone ist sogar ein japanisches Unternehmen unter den Top 10 der Profitabilitätschampions vertreten, die ansonsten von amerikanischen und europäischen Unternehmen dominiert wird. Bridgestone-Firestone realisiert 2017 12,8 Prozent EBIT und liegt damit deutlich über dem japanischen Durchschnitt. Zu verdanken ist dies dem traditionell hohen Aftermarket-Anteil der Reifenhersteller, der deutlich profitabler als das Erstausrüstungsgeschäft ist. Unter den zehn profitabelsten Zulieferern sind daher insgesamt drei Reifenhersteller vertreten: Neben Bridgestone-Firestone auch Pirelli aus Italien und Michelin aus Frankreich.

Der Erfolg der Japaner wird von einem anderen asiatischen Markt überstrahlt: China. Der „rote Riese“ holt in der Top 100-Zuliefererstudie 2017 von Berylls kräftig auf und erhöht die Zahl der gelisteten Unternehmen von zwei in 2016 (Weichai Power, Yanfeng Automotive) auf vier. Weichai, auf Platz 17 vorgerückt, und Yanfeng, in 2017 auf 32 gelistet, bekommen Verstärkung durch CITIC Dicastal (Gussspezialist, Rang 74) und Ningbo Joyson Electronics (Elektronik und Sicherheitssysteme, Rang 75). Ningbo Joyson wächst durch die Übernahme des insolventen Airbag-Anbieters Takata, der entsprechend nicht mehr in den Top 100 vertreten ist. Neben einem weiterhin kauflustigen Binnenmarkt haben staatliche Förderprogramme den Erfolg der chinesischen Unternehmen weiter befeuert. Einige von ihnen (Wanxiang, Minth, CATL, BYD) stehen nur knapp außerhalb der Berylls Top 100 und sind vielversprechende Kandidaten für die nächsten Jahre.

ÜBERNAHMEN UND AUSGRÜNDUNGEN WERDEN AUCH 2018 MIT HOHER GESCHWINDIGKEIT VORANGETRIEBEN.

Auf- und Abwärtsbewegungen gehören ganz selbstverständlich zur Top 100-Zuliefererstudie von Berylls. Seit vielen Jahren sorgen Konsolidierungen, Ausgründungen und Firmenübernahmen für viel Bewegung innerhalb der Top 100. Auch für 2018 deutet sich an, dass die Transformationsgeschwindigkeit in der Automobilindustrie weiter zunehmen wird. Die Kassen vieler Unternehmen sind nach vielen guten konjunkturellen Jahren prall gefüllt und die strategische Notwendigkeit, sich in den Zukunftsthemen der Automobilindustrie zu positionieren, wird insbesondere für Zulieferer mit einem kommerziellen Schwerpunkt in der „alten Welt“ der Automobilindustrie mit jedem Tag größer. Neben Venture Capital-Gesellschaften investieren mehr und mehr der großen Tier 1-Zulieferer in Zukäufe kreativer Start-ups und versprechen sich u.a. daraus wichtige Impulse für das Kerngeschäft. Zunehmend entscheiden Kompetenzen auf den Feldern Connectivity, autonomes Fahren, Big Data, Shared Mobility und der Elektrifizierung der Mobilität über den Erfolg der Autoindustrie. Die Spitzen-Unternehmen der Top 100 haben das längst realisiert und verstanden, dass neben Google, Apple und den anderen Tech-Titans auch die Chinesen in das Rennen um die Budgets der OEMs eingestiegen sind. Und so wie es sich darstellt, sind einige chinesische Zulieferer gut darauf vorbereitet, schon in den nächsten Jahren etablierten Unternehmen die Rücklichter zu zeigen und sie aus den Berylls Top 100 zu verdrängen.

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Authors
ARTHUR KIPFERLER

Partner

Arthur Kipferler

Arthur Kipferler (1963) startete seine berufliche Laufbahn 1989 bei der Boston Consulting Group, für die er 13 Jahre in der Automobilindustrie tätig war. Nach seiner Beraterkarriere hielt er fast zehn Jahre lang Führungspositionen bei Toyota in Europa und den USA. 2013 und 2014 war er globaler Programmleiter Future Retail bei der BMW Group. Danach hatte er leitende Strategie-, Planungs- und Transformationsaufgaben bei Jaguar Land Rover in Coventry, UK. Arthur Kipferler verstärkt den Partnerkreis bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) in den Schwerpunktthemen Markt & Kunde, Premium- und Luxussegment, Technologie, Vertrieb, Digitalisierung sowie Konzeption und Umsetzung von Unternehmens-, Produkt- und Regionalstrategien.
Maschinenbaustudium Fachrichtung Fertigungstechnik an der TU München, MBA-Studium Strategy, Marketing and Organizational Behaviour am INSEAD in Frankreich.

Pressemitteilung

PRESSEMITTEILUNG: DIE BERYLLS TOP 100-ZULIEFERERSTUDIE 2018

München, Dezember 2018
U

MSATZ ÜBERTRUMPFT VORJAHRESREKORD, PROFITABILITÄT RÜCKLÄUFIG.

München, 03.06.2019 – Bereits zum achten Mal hat Berylls Strategy Advisors die 100 weltweit größten Automobilzulieferer im Rahmen der Top 100-Zuliefererstudie untersucht. Die Veränderungen im Ranking sind gravierend, die anhaltende Transformation der Industrie zeigt im letzten Jahr große Wirkung Der Vorjahresrekord von 827 Milliarden Euro wird von den 889 Milliarden Euro Umsatz 2018 deutlich in den Schatten gestellt, allerdings zu Lasten der Profitabilität. Zwar können die 17 deutschen Zulieferer in der Profitabilität mit 8,5 Prozent EBIT/Operating Income überzeugen, in Bezug auf den Umsatz steigen sie jedoch um durchschnittlich zwei Plätze im Ranking ab. Die Chinesen kennen dagegen nur eine Richtung: aufwärts. Sechs statt vier Unternehmen im Ranking, 31,5 Prozent durchschnittliche Wachstumsrate, 8,7 Prozent EBIT / Operating Income und eine gemittelte Verbesserung um 12 Plätze lassen sie zu den Aufsteigern des Jahres werden. Die 19 amerikanischen Zulieferer dürfen 2018 ebenfalls als Erfolgsjahr verbuchen, so wie auch die japanischen Unternehmen, die mit 28 Vertretern im Ranking erneut die größte Gruppe darstellen. Ganz anders sieht es für die koreanischen Zulieferer aus, die nach 2017 auch 2018 mit schwachen Umsätzen und zusätzlich niedriger Profitabilität zu kämpfen haben. Erneut erschweren ihnen starke Währungskurseffekte einen Teil des Geschäfts.

Autor
Christian Bangemann

Head of PR & Media Relations

BOSCH, CONTI UND DENSO VERTEIDIGEN DAS PODIUM, MAGNA VERDRÄNGT ZF

Die Plätze eins bis drei scheinen wie festzementiert. Ungefährdet liegt Bosch mit 47,6 Milliarden Euro Umsatz (Unternehmensbereich Mobility Solutions) auf Platz eins der Berylls Top 100-Zuliefererstudie 2018, gefolgt von Continental (44,4 Milliarden Euro) und dem japanischen Zulieferer Denso (umgerechnet 42,6 Milliarden Euro). Seit 2016 ist das Podium damit in festen Händen. Wie schon 2017 gibt es dagegen um Platz vier einen Kampf zwischen Magna (35,6 Milliarden Euro) und ZF (34,0 Milliarden Euro), den 2018 Magna für sich entscheiden kann. Der Wechsel an dieser Position ist der Einzige unter den Top 15.

Beherrschendes Thema im Jahr 2018 waren die Unsicherheiten am Markt, hervorgerufen durch eine Abkühlung der chinesischen Konjunktur, durch eine sprunghafte US-Handelspolitik und durch das Hin und Her in den Brexit-Verhandlungen. Dennoch hat das Wachstum kräftig Fahrt aufgenommen. Verbesserte sich der Gesamtumsatz der Top 100 von 2016 auf 2017 lediglich um 1,1 Prozent, so stieg er von 2017 auf 2018 um beachtliche 7,6 Prozent. Am Ende steht ein neuer Rekordumsatz von 889,2 Milliarden Euro für die Top 100. Ganz ohne Bremsspuren ist das Jahr 2018 an der Zuliefererindustrie allerdings nicht vorbeigegangen: Unter anderem führten hohe Investitionen in Zukunftstechnologien, steigende Personalkosten an ehemaligen „Billigstandorten“ und in einigen Bereichen stark steigende Rohstoffpreise zu einer rückläufigen Profitabilität. EBIT oder Operating Income verschlechtern sich im Schnitt um einen Prozentpunkt auf nur noch 7,7 Prozent. Wechselkurseffekte beeinflussen wie schon im Vorjahr das Bild: Während sich 2017 die Aufwertung des Euro negativ auf alle Unternehmen außerhalb der Eurozone auswirkte, schlug der Effekt 2018 um: Währungskurseffekte wirkten sich besonders für die japanischen und amerikanischen Unternehmen in dem in Euro ausgewiesenen Ranking positiv aus.

M&A-AKTIVITÄTEN SORGEN FÜR SIGNIFIKANTE VERÄNDERUNGEN

Das M&A-Karussell dreht sich immer schneller, die Konsolidierung der Branche nimmt weiter an Dynamik zu und sorgt in den Top 100 für viel Bewegung. Im vorvergangenen Jahr sorgte der Verkauf der Bosch-Anlassersparte an ein chinesisches Konsortium für Aufsehen, 2018 ging die Transformation mit noch deutlich höherer Geschwindigkeit weiter. Von der klassischen „Verbrennerwelt“ macht sich Bosch unter anderem mit mehr als 1.000 Patenten im Bereich autonomes Fahren zunehmend unabhängig und nimmt damit eine führende Position in den CASE-Technologien ein. Continental, Platz zwei im Ranking, denkt gar über eine Aufspaltung in „neue“ und „alte“ Welt nach. Denso, 2018 die weltweite Nummer drei unter den Top 100, treibt seine Transformation ebenfalls stark voran und hat dafür vor Kurzem Anteile an Infineon erworben. Weichai Power, Chinas umsatzstärkster Vertreter in den Top 100 (Platz 20), beschreitet mit der strategischen Allianz mit Ballard Power (Hersteller für Automotive-Brennstoffzellen) einen spannenden Weg. Schaeffler schafft mit dem Schaeffler Venture Forum die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit mit Start-ups und baut die Kompetenz beim autonomen Fahren durch den Zukauf des schwäbischen Mittelständlers Paravan aus.

Prominente Beispiele für die grassierende Welle an M&A-Aktivitäten gab es 2018 einige: In den USA kauft Tenneco Federal Mogul, Calsonic Kansei aus Japan löst Magneti Marelli aus dem italienischen FCA-Konzern raus. Der chinesische Zulieferer Joyson schließt 2018 die Übernahme des insolventen Airbag-Zulieferers Takata aus Japan ab. GKN wird vom Finanzinvestor Melrose übernommen. Der südkoreanische Elektronik-Spezialist LG kauft den österreichischen Lichtspezialisten ZKW. Autoliv spaltet die Elektroniksparte ab und bringt Veoneer (Herstellungsschwerpunkte u.a. Lidar-, Radar-Komponenten) an die Börse. Honeywell gründet die Turbolader-Sparte Garrett vollständig aus und verabschiedet sich damit genau wie Johnson Controls vollständig aus dem Automobilgeschäft.

CHINESISCHE ZULIEFERER AUF DEM WEG NACH OBEN

Mit einem Gesamtumsatz von 889 Milliarden Euro blicken die weltweit 100 größten Zulieferer insgesamt auf ein Rekordjahr zurück, einige Unternehmen stechen aus der Menge aber mit besonderen Zahlen hervor. Als Ländergruppe seien hier die Chinesen zu nennen, die mit einer Wachstumsrate von 31,5 Prozent und einer durchschnittlichen Verbesserung von 12 Plätzen im Ranking sich deutlich von den anderen Ländergruppen abheben. Der Akku-Spezialist CATL und der Elektronik- und Safety-Spezialist Joyson glänzen hier noch einmal besonders. Auf der anderen Seite des Pazifiks machen die US-Unternehmen gute Geschäfte, wachsen im Mittel um beachtliche 13,1 Prozent und liefern mit 9,5 Prozent auch das beste EBIT / Operating Income ab. Die große Gruppe der 28 japanischen Zulieferer im Ranking kann da nicht mithalten, liefert mit 10 Prozent ein sehr solides Wachstum ab, bleibt beim EBIT / Operating Income allerdings unterdurchschnittlich. Ganz anders als die Deutschen: Die 17 Unternehmen – 2017 waren es noch 18, Aunde ist jedoch durchs Raster gefallen – überzeugen mit 8,5 Prozent EBIT / Operating Income und liegen damit klar oberhalb der durchschnittlichen 7,7 Prozent. Weniger Erfolg war dieser Gruppe mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von nur 3,5 Prozent vergönnt.

Schlimmer traf es allerdings die koreanischen Zulieferer. Schon 2017 kämpften sie gegen schwindende Umsätze und daran hat sich 2018 nichts geändert. Ein negatives Wachstum von 4,2 Prozent und nur 4,3 Prozent in der Profitabilität (EBIT / Operating Income) sorgen dafür, dass die 6 koreanischen Zulieferer im Ranking im Schnitt um 3 Plätze nach unten abrutschen. Sie leiden 2018 nicht nur unter herausfordernden Marktbedingungen, sondern zusätzlich erheblich unter Währungskurseffekten, die für mehr als 10 Prozent des Wachstumseinbruchs verantwortlich sind.

WAR 2018 DAS LETZTE REKORDJAHR FÜR DIE ZULIEFERERINDUSTRIE?

Die Vorzeichen zum Jahresanfang 2018 ließen nichts Gutes erwarten: Eine irrationale US-Zollpolitik, der global wichtigste Absatzmarkt China schwächelt, Europa und Großbritannien taumeln auf den Brexit zu, viele OEMs unterschätzen den neuen Abgasprüfzyklus WLTP massiv und die Anti-Diesel-Stimmung der Autokäufer ist eine weitere ernste Hürde für gute Geschäfte. Am Jahresende steht dann wider Erwarten ein strammes Wachstum in den Büchern der 100 größten Automobilzulieferer: Immerhin 85 Unternehmen konnten ihre Umsätze gegenüber dem Vorjahr steigern. Um zum 2018er-Top 100-Club dazuzugehören, waren mindestens 2,9 Milliarden Euro Umsatz notwendig, 300 Millionen Euro mehr als im Jahr 2017.

Die ersten Monate des Jahres 2019 zeigen eine ganz ähnliche Entwicklung wie das Frühjahr 2018 und dennoch wird dieses Jahr nicht an die Erfolge der Vorjahre anknüpfen können. Denn neben den politischen sprechen auch die technischen Gegebenheiten gegen weitere fette Jahre. Der Spagat zwischen langwierigen verlustreichen Investitionen in CASE-Technologien (Connectivität, autonomes Fahren, Sharing und E-Mobilität) und rückläufigen Erträgen aus dem bisherigen Geschäft ist für viele Unternehmen nicht zu meistern. Lieferanten mit traditionellen Modulen rund um den Verbrennungsmotor sind die Verlierer dieser Umwälzung. CASE kostet viel und liefert bislang kaum oder auch gar keinen wirtschaftlichen Beitrag für die Zulieferer. Das wird sich auch im nächsten Jahrzehnt nur langsam ändern. Eine Herausforderung, mit dem die großen Konzerne wie Bosch, Continental und ZF, aber auch Automobilzulieferer mit CASE-Bezug wesentlich weniger zu kämpfen haben.

Hinzu kommt, dass die Kassen vieler großer Unternehmen nach den ertragreichen Jahren 2010 bis 2018 sehr gut gefüllt sind. Ein Umstand, der die Industriekonsolidierung mit großer Dynamik weiter vorantreiben wird. Eine Dynamik, die von den CASE-Technologien befeuert wird, die im Zentrum der Zulieferer-Transformation stehen. Und so wie es sich darstellt, sind viele chinesische Unternehmen gut darauf vorbereitet. Sie haben das Potenzial, schon in den nächsten Jahren etablierten Zulieferern den Rang abzulaufen und sie aus den Berylls Top 100 zu verdrängen. CATL ist ein ganz aktuelles Beispiel dafür.

Wachstum und Marktdurchdringung der E-Mobilität – aktuell die primäre CASE-Technologie – sind in China größer als im Rest der Welt. Darum kaufen chinesische Unternehmen weiterhin in der westlichen Welt Zulieferer zu. Insbesondere Zulieferer mit einem kommerziellen Schwerpunkt in der „alten Welt“ verlieren aber mit jedem Tag an Attraktivität. Sie sehen schwierigen Zeiten entgegen.

Digitalisierung

Start-ups – Vom Suchen, Finden und Entwickeln eines Technologie-Einhorns. Oder gibt es die gar nicht mehr?

München, Juni 2018
D

ie Wucht, mit der die Digitalisierung die Automobilindustrie getroffen hat, lässt sich heute schon an einem Wert ablesen: Euro 119 Milliarden. Das ist die Summe, die bislang an Risikokapital und sonstigen Finanzmitteln in Start-ups der Mobilitätsindustrie geflossen ist, so die aktuelle Berylls-Studie „How Mobility Start-ups Transform the Global Automotive Industry“. Untersucht wurden 1.003 Neugründungen, mit teilweise verblüffenden Ergebnissen.

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Florian Peter

Partner

DIE TOP 10 START-UPS ERHIELTEN 49% DER MITTEL

Schon heute zeigt sich die Wirkung neuer, digitaler Geschäftsmodelle auf den Straßen. In den USA und teilweise auch in China haben die großen Fahrdienstvermittlungen, neudeutsch „ride hailers“, bereits das Mobilitätsverhalten verändert. In vielen Städten werden keine Taxidienste mehr an den Flughäfen angeboten. Systematisch bauen Mobilitätsdienstleister ihr Netz landes- bis weltweit aus. Von den zehn am umfangreichsten finanzierten Start-ups, setzen sechs auf Fahrdienste: DiDi (CN), Uber (USA), Grab (SGP), Ola (IND), Lyft (USA), Ucar (CN). Beispielweise hat Lyft in den 7 Jahren seit seiner Gründung eine Abdeckung von 95 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung erreicht, die Dienste sind in 700 Städten verfügbar, und mit einem Börsenwert von US Dollar 15,6 Milliarden und einem Umsatz von US Dollar 2,16 Milliarden ist Lyft nur eines der Erfolgsbeispiele der Digitalisierung. Die weiteren Unternehmen der Top 10, Tesla, NIO, Faraday Future und Cruise, beschäftigen sich mit der Herstellung von Elektrofahrzeugen bzw. dem autonomen Fahren. Insgesamt erhielten die zehn größten Start-ups bislang 49% des gesamten Risikokapitals.

RISIKOKAPITAL IN ALLEN BEREICHEN DER MOBILITÄTSWERTSCHÖPFUNGS-KETTE

Die Schwerpunkt-Segmente bei Mobilitäts-Start-ups sind heute: Ride Hailing (mit Euro 44,1 Milliarden an Risikokapital), Fahrzeugbau und hier vor allem Elektro- und autonom fahrende Automobile (28,4), Shared Mobility wie SHARE NOW (15,8), Elektrik-/Elektronik-Komponenten als Zulieferteile (11,6), Konnektivitätslösungen für Fahrzeuge (1,8), Gebrauchtfahrzeugvertrieb (1,6), Bezahlsysteme (1,5), Letzte-Meile-Gütertransport (1,5), Digitale Infrastruktur Konnektivität (1,1) sowie Industrie 4.0-Anwendungen für die Automobilindustrie (1,0). Die drei führenden Segmente ziehen bereits 75 Prozent der Investitionsmittel auf sich, die zehn größten decken schon über 90 Prozent ab. Dabei wurden von Berylls über 150 Sektoren entlang der automobilen Wertschöpfungskette untersucht. Dies belegt das enorme Potenzial für weitere Start-ups in neu entstehenden Sektoren.

Großer Bedarf wird entstehen in Start-up-Segmenten wie Cloud Services & Cyber Security, Sensorik und deren Systemintegration im Zusammenhang mit automatisiertem Fahren (Lidar, Radar, …), physische und digitale Infrastruktur zum Betreiben von Elektrofahrzeugen, neue HMI-Systeme (human-machine-interface) wie augmented reality, Sprach- und Gestenerkennung, Konnektivitäts-Dienste fürs Fahrzeug (Ferndiagnose, -steuerung, …) oder auch Fahrzeugabonnements. Schon heute zeigt sich, dass diese und weitere Bereiche bezüglich Ideengenerierung, Unternehmertum und Risikokapital unterrepräsentiert sind. Es werden sich also auch in Zukunft vielfältige Möglichkeiten für Neugründungen ergeben.

DEUTSCHE START-UPS UND INVESTOREN HOLEN AUF

Eine aus Sicht der deutschen Automobilindustrie erfreuliche Tendenz ist die steigende Bereitschaft im deutschsprachigen Raum, neue, digitale Geschäftsmodelle mit Hilfe von Risikokapital aufzubauen bzw. zu unterstützen. In den vergangenen drei Jahren sind mehr als 30 Start-ups in der DACH Region entstanden, die innovative Mobilitätslösungen anbieten. Zwar haben Berlin und München noch lange nicht den Status des Silicon Valleys oder Tel Avivs erreicht, doch immer häufiger entstehen junge (Automobilitäts-)Firmen auch in Deutschland. Zudem haben alle deutschen Automobilhersteller sowie die großen Zulieferer (wie Bosch, ZF, Conti oder Mahle) erkannt, dass sie über Risikokapital Zugang zu technologischen Innovationen erhalten. Zudem investieren auch andere deutsche DAX-Unternehmen, wie Allianz oder Siemens in Mobilitäts-Start-ups. War im Jahr 2017 noch Daimler der aktivste Investor/ Käufer bei Start-ups, so war es 2018 BMW. Die BMW Group und BMW iVenture haben sich ihre Beteiligungen/ Übernahmen von Parkmobile, DriveNow, Moovit, Fair.com, May Mobility, Caroobi, Lunewave, Critical TechWorks oder Graphcore einiges kosten lassen – sie waren an Finanzierungen von über Euro 300 Millionen mitbeteiligt.

Der Hype um weitere Einhörner ist noch lange nicht beendet, und dass diese auch aus Deutschland kommen können, zeigt das Beispiel AUTO1.com aus dem Jahr 2018. Als europaweit führender Online-Marktplatz mit einem eigenen Bestand an Fahrzeugen hat sich AUTO1.com auf gewerbliche Automobil-Großhändler konzentriert. Zudem betreibt die Gruppe auch die Internetplattform „WirKaufenDeinAuto“ für den Aufkauf von privaten Fahrzeugen. Für einen 20 Prozent Anteil an AUTO1.com hat der sehr umtriebige japanische Investor SoftBank Euro 460 Millionen bezahlt. Damit ist das Berliner Start-up mit einem Bewertung von Euro 2,3 Milliarden ein waschechtes Einhorn.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

DACH Automobilindustrie

Die neue Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Zulieferindustrie: Neuaufstellung durch Digitalisierung vs. Verharren in traditionellen Geschäftsmodellen

München, Mai 2018
D

urch die Automobilzulieferlandschaft zieht sich ein Riss, und er wird immer breiter: Konzerne versus Mittelstand, Verbrenner versus CASE, Triade versus China, Etablierte versus Start-Ups. Die Dynamik, mit der die Transformation zahlreicher Unternehmen und der gesamten Industrie vorangetrieben wird, ist atemberaubend.

Bosch hat das Turbolader- (BMTS, 2017) und Starter-Generatoren-Geschäft (SEG Automotive, 2018) verkauft. Honeywell bringt seine Turboladereinheit Garrett Motion an die Börse (2018). Die an den Finanzinvestor Melrose verkaufte GKN (2018) trennt sich Schritt für Schritt von einzelnen Einheiten (Pulvermetallurgie, 2019). Delphi wurde in zwei Unternehmen, Aptiv (Automobilelektronik und „advanced safety technology“) sowie Delphi Technologies (Elektrofahrzeuge und Verbrennungsmotoren) aufgeteilt (2018). Continental plant für Mitte 2019 die Ausgliederung und den Verkauf der „Powertrain“-Sparte. FCA hat sich als OEM komplett aus dem Zuliefergeschäft durch den Verkauf von Magneti Marelli an Calsonic Kansei (2019) zurückgezogen. Nach dem Verkauf von Federal Mogul an Tenneco erfolgt die Aufteilung in zwei Einheiten: „Aftermarket /Ride Performance“ sowie „Powertrain Technology“. Johnson Controls hat nach dem Verkauf der Interiorsparte (Yangfeng Automotive Solutions, 2015) und der Ausgründung von Adient (2016) nun auch das letzte Automotive-Segment, die Power Solutions (2018), veräußert. Fast jeder zehnte Zulieferer aus den Top 100 (bezogen auf den Umsatz) hat in den vergangenen zwei Jahren einen dramatischen Wandel durchlaufen. Was steckt hinter diesen Zerschlagungen, Carve-Outs, Spin-Offs, Aufspaltungen und IPOs?

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Dr. Alexander Timmer

Partner

FLUCHT AUS DEM VERBRENNER ODER „LAST MAN STANDING“

Der sogenannte „Tipping Point“, ab dem es für die Produktion von Komponenten für Verbrennungsmotoren kein Wachstum mehr geben wird, rückt näher. Zwischen 2023 und 2025 wird die Spitze erreicht sein. Heute können sich die großen Automobilzulieferer noch von ihren (Verbrennungs-)Motoren- und Getriebegeschäften trennen und erhalten einen soliden Preis dafür. Die bislang erzielten Verkaufspreise liegen derzeit bei einem EBIT-Multiple von 5 bis 6 (zum Vergleich: Automobilzulieferer ohne Verbrennungsmotorengeschäft liegen bei einem EBIT-Multiple von 10 bis 12, also doppelt so hoch). Die Trennung vom Verbrennergeschäft ist fast vergleichbar mit der Ausgründung von „Bad Banks“, die von einigen Banken nach der Finanzkrise praktiziert wurde: „toxische“ Geschäftsbereiche werden herausgelöst und können somit den verbleibenden Rest des Unternehmens nicht mehr schaden. Sollte der totale Ausstieg aus dem Verbrenner bis 2050, wie von vielen nationalen Regierungen angekündigt, tatsächlich stattfinden, könnten sich Conti, Bosch, Magneti Marelli und Co. sukzessiv von diesem risikobehafteten Geschäft trennen. Sollte der Verbrenner aber auch in ferner Zukunft weiterhin eine Rolle spielen, kann sich dieser für heutige Investoren doch noch zu einem attraktiven Investment entwickeln. In diesem Fall gilt für den „last man standing“ des Verbrennergeschäfts eine ähnliche Regel wie in manchen digitalen Geschäftsmodellen: The winner takes it all.

CASE ALS HEILIGER GRAL DER AUTOMOBILINDUSTRIE

Der vermeintliche Niedergang des Verbrennungsmotors wird durch die totale Fokussierung auf die CASE-Technologien verschärft. Traditionelle Innovationsfelder im Interieur, im Exterieur, dem Antriebsstrang oder der Karosserie verschwinden aus der öffentlichen Diskussion. Was nicht mit den Attributen Künstliche Intelligenz, Cyber Security, Big Data, autonom, Blockchain und Co, versehen ist, wird kaum noch wahrgenommen. Nur mit Hilfe digitaler Lösungen, so scheint es, ist noch eine Entwicklung und Überleben der Automobilindustrie möglich. Dabei sind es gerade die „traditionellen“ Zulieferer, die eine reibungslose Integration ins Fahrzeug am besten sicherstellen können und viele Weiterentwicklungen in klassischen Anwendungsbereichen vorantreiben, aus denen sich mancher der OEMs bereits zurückgezogen hat. Wie groß inzwischen der Unterschied zwischen „digital“ und „traditionell“ geworden ist zeigt der folgende Vergleich. In den Jahren 2017/18 konnte das Startup WayRay, ein Hersteller von holographischen Augmented Reality-Technologien und -Benutzeroberflächen, insgesamt Risikokapital in Höhe von US Dollar 98 Millionen einsammeln – aktuell beschäftigt das Unternehmen 50 Mitarbeiter und setzt US Dollar 3,5 Millionen um. Im letzten Jahr wurde der Zulieferer Proseat (Sitzkissen, Umsatz Euro 291 Millionen und 2.100 Beschäftigte) an einen japanischen Mitbewerber verkauft und mit zirka Euro 45 Millionen bewertet. Bezogen auf das Umsatz-Multiple ist WayRay um den Faktor 180 höher bewertet worden als Proseat. Die Kluft zwischen CASE bzw. Startups und traditionellen Modulen bzw. Zulieferern kann kaum größer sein.

KONZERNE HÄNGEN DEN MITTELSTAND AB

Seit Jahren schon erwirtschaften die Zulieferkonzerne höhere Renditen als der Mittelstand (8 Prozent EBIT-Marge im Vergleich zu zirka 6 Prozent) und wachsen auch stärker. Der Konzentrationsprozess für die gesamte Automobilzulieferindustrie geht weiter. Bis zum Jahr 2025 rechnet Berylls in seiner Global-Top-100-Studie mit einem Anteil von 60 Prozent des Gesamtumsatzes, der auf die 100 größten Zulieferer fällt; heute sind es knapp über 50 Prozent. Die großen Zulieferkonzerne sind globaler aufgestellt, verfügen über einen leichteren Zugang zu den Kapitalmärkten, haben durch Best-Cost-Country Standorte wettbewerbsfähigere Kostenstrukturen, stecken hohe Summen in die Entwicklung von CASE-Technologien oder kaufen sich notwendige Kompetenzen durch die Übernahme von Unternehmen einfach zu. Dem Mittelstand bleibt seine Agilität und sein Unternehmertum, die Spezialisierung auf Nischen und das Kostenbewusstsein, um sich weiterhin als Zulieferer behaupten zu können.

Wird die Zwei-Klassen-Gesellschaft in den kommenden Jahren weiter zementiert, steigen die Unterschiede sogar noch weiter? Nach heutigem Kenntnisstand bewegen sich traditionelle und digitale Geschäftsmodelle mit zunehmender Geschwindigkeit voneinander weg. Dies bedeutet jedoch nicht, dass traditionelle Geschäftsmodelle dem sofortigen Untergang geweiht sind. Vielmehr entstehen für die verbleibenden Marktteilnehmer in traditionellen Bereichen auch neue Chancen: Einerseits dadurch, dass sich die Anzahl der Wettbewerber durch Marktaustritte reduziert und der kleiner werdende Kuchen damit auf weniger Köpfe verteilt werden muss. Andererseits durch mittel- bis langfristig weiterhin hohe Stückzahlen des Verbrennungsmotors: Totgesagte leben vielleicht doch länger als vermutet.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

DACH Automobilindustrie

Die CEO-Agenda der Zulieferer

München, März 2018
D

ie zehn Jahre währende Periode kontinuierlichen Wachstums mit Rekordergebnissen der Automobilzulieferindustrie ist vorbei. Digitale Revolution, Kundenzentrierung von OEMs, Ausdehnung der automobilen Wertschöpfungskette um Infrastrukturbereitstellung und Mobility Operations verändern das Wirtschaftssystem für Zulieferer dramatisch. In diesem Umfeld sieht Berylls acht Herausforderungen, zu denen jeder CEO eines Automobilzulieferers Antworten liefern muss.Um eins vorweg zu nehmen, auch 2019 wurde wieder kräftig geshoppt und es gab erneut fast 300 Transaktionen entlang der Mobilitätswertschöpfungskette über das Jahr verteilt.

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Dr. Jürgen Simon

Principal

1. VUCA - zwischen Ordnung und Chaos

Die Automobilindustrie stand für höchste Disziplin in seinem Wertschöpfungssystem: Klare Strukturen entlang der gesamten Lieferkette, gute Planbarkeit und solide Prognosen sowie verlässliche Beziehungen. VUCA ist der Gegenpol, der zu massiven Störungen in diesem System führt. Volatility (Schwankungen), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) nehmen deutlich zu, Vorhersagen werden dadurch schwieriger oder gar unmöglich. Eine auf Erfahrungswerten, Stabilität und Sicherheit basierte Führung wird erschwert. Kleine, ungeplante Abweichungen schlagen mit großer Wirkung bei den Zulieferern zu Buche und führen zu einer Kettenreaktion entlang der Wertschöpfung.
CEOs müssen ein Organisations- und Führungsmodell (er)schaffen, mit dem sie ihr Unternehmen vor dem Hintergrund von VUCA sicher steuern können.

2. Sinkende Margen

2010 bis 2018 waren für die Automobil(zuliefer)industrie fette Jahre, geprägt durch permanentes Wachstum, weitgehende Kostenkontrolle, Stärkung der Eigenkapitalstrukturen, solide Finanzen, verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. Die kommenden fünf Jahre werden deutlich schwieriger werden: Überproportional gestiegene und steigende Kosten (Lohnsteigerung im Osten, hohe Abschlüsse im Westen, steigende Rohstoffpreise, geringe Materialkostenreduzierungen, steigende Finanzierungskosten, …); erschwerte Finanzierung (steigende Zinsen, Automobil als „Krisenindustrie“ aus Sicht von Banken, …); sinkende Produktivitätsverbesserungen; steigende Komplexität auf Kundenseite; Limitationen der Globalisierung (steigende Logistikkosten, …); hohe Investitionen für Innovation; …  Die durchschnittliche EBIT Marge von 8 Prozent bei Zulieferkonzernen und 6-7 Prozent bei Mittelständlern wird bis 2025 auf zirka 5 Prozent sinken.
CEOs müssen in den „Sanierungsdauermodus“ schalten, um permanent die Wirtschaftlichkeit ihres hochkomplexen Wertschöpfungssystems in einer sich ständig wandelnden Welt zu sichern.

3. Wertzufluss in CASE-Technologien, Wertabfluss bei ICE

Die CASE-Technologien stehen im Zentrum der Veränderung von Mobilitätsleistungen. Durch ihre systemische Verknüpfung, die starke funktionale Verbesserung des Produktes „Mobilität“ und den gravierenden Eingriff in vorhandene Lösungen ist deren Entwicklung, Herstellung und Einführung aufwändig und langwierig: CASE kostet viel und liefert bislang kaum einen oder häufig gar keinen wirtschaftlichen Beitrag für Unternehmen der Automobilindustrie. Das wird sich auch im nächsten Jahrzehnt nicht ändern; die Investitionen zur Entwicklung von CASE-Technologien liegen im zweistelligen Milliardenbereich. Gleichzeitig fließt Wert aus den traditionellen Modulen ab, allen voran dem Verbrennungsmotor (ICE). Neuentwicklungen werden eingestellt, Investitionen finden nicht statt, Finanzmittel werden knapp. Der Spagat zwischen jahrelangen verlustreichen Investitionen in CASE-Technologien und ausbleibenden Gewinnen aus dem traditionellen Geschäft ist nicht mehr zu meistern. Die Verlierer dieser Entwicklung sind die ICE-abhängigen Unternehmen (die immerhin für 25 bis 30 Prozent der Wertschöpfung in der Automobilindustrie stehen), traditionellen Low-Tech-Lieferanten sowie der klassische Mittelstand, der sich die hohen und riskanten Geschäfte nicht mehr leisten kann. Auf der anderen Seite stehen als Gewinner die großen Konzerne (Bosch, Conti, ZF, …), Automobilzulieferer im CASE-Umfeld, die neuen Mobilitäts-Startups sowie Nischenspezialisten.
CEOs müssen sich von „Altlasten“ trennen, neue Geschäftsmodelle zur Partizipation am von CASE initiierten Wandel der Automobilindustrie entwickeln und gleichzeitig hohe Basisinnovationen mit langen Amortisationszeiten bei einem wegbrechenden Kerngeschäft stemmen.

4. Clash of Cultures - Traditionelle Zulieferer vs. Startups

Der Wettbewerb in der Zulieferindustrie war schon seither gnadenlos. Dem Darwin‘schen Gesetz des „Survival of the Fittest“ folgend werden schwache Zulieferer schnell aussortiert. Doch dies geschah innerhalb eines stabilen Wirtschaftssystems. Eine permanente und kontinuierliche Weiterentwicklung über technologische Neuerungen hat die Automobilindustrie und ihre Zulieferer auf ein hohes Innovationslevel gehoben. Das System sah vor, dass sich aller Wandel aus dem System selbst heraus finanziert, dass in kleinen Schritten Innovationen in den Markt eingeführt werden und dass Kompetenzen schrittweise aufgebaut werden. Eine aktuelle Berylls-Studie zu 1.000 Mobilitäts-Startups zeigt, dass in den vergangenen fünf Jahren über Euro 180 Milliarden in Mobilitäts-Wagniskapital gesteckt wurde. Im gleichen Zeitraum wurde für Investitionen in Forschung und Vorentwicklung bei den traditionellen Automobilplayern nur etwa die Hälfte ausgegeben!  Startups suchen zudem eher disruptive Innovationen als revolutionäre Entwicklungen: Ein komplettes Auto aus dem 3D-Drucker, Autos, die über dem Boden schweben, fliegende Fahrzeuge, das Null-Unfall-Automobil etc. Diese visionären Geschäftsmodelle gepaart mit schier „unendlichen“ finanziellen und auch intellektuellen Ressourcen treffen nun im Wettbewerb um die beste Mobilitätslösung der Zukunft aufeinander … ein „Clash of Cultures“.
CEOs müssen die Risiken durch Tech-Startups mit disruptiven Ansätzen auf ihr Geschäftsmodell bewerten sowie Chancen daraus identifizieren, von denen sie profitieren können.

5. Rolle, Wert und Grenzen von Mobilität der Zukunft in unserer Gesellschaft

Gerade in westlichen Gesellschaften werden die Nachteile individueller Mobilität immer stärker sichtbar: Ressourcenverbrauch, Verkehrsunfälle, Zeitverlust durch Staus, Emissionen (Luft, Lärm, Wasser) etc. Das Auto wird zunehmend zum Buhmann der Gesellschaft. Junge Menschen wenden sich ab. Andere Branchen und Berufe – und damit auch deren Unternehmen – gewinnen an gesellschaftlichem Ansehen und ziehen Talente an sich, weg von der einstigen Vorzeigeindustrie Automobil.
CEOs müssen ihr Unternehmen und die gesamte Automobilbranche wieder attraktiv machen, um weiterhin die besten Talente zu gewinnen.

6. Brüche in stabilen Kundenbeziehungen

Die Zusammenarbeit zwischen OEM und Zulieferern war noch in den vergangenen 30 Jahren nie partnerschaftlich und immer von Kostendruck, Lieferanten-Kunden-Beziehung und Generierung von Wettbewerb geprägt. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Ausnahme sind systemrelevante Player in spezifischen und für OEMs kritischen Bereichen. Durch VUCA und die enormen Umbrüche ist es den OEMs kaum noch möglich, verlässliche und stabile Beziehungen zu ihren Lieferanten aufrecht zu erhalten. Die ehemals klare und in gewissen Umfängen vorhersehbare Zukunft löst sich auf, die Verlässlichkeit nimmt rapide ab. Die Folge: Anläufe werden verschoben, Fahrzeugprojekte plötzlich gestrichen, Stückzahlen bleiben deutlich unter der Planung oder steigen stark an, Spezifikationen werden in letzter Minute geändert, kommerzielle Vereinbarungen werden gebrochen. Parallel dazu entstehen komplett „neue“ Kundenbeziehungen mit Tech-Startups oder asiatischen Startup-OEMs, die wenig oder keine Kenntnisse von den Mechanismen der Automobilindustrie haben (und dies ggf. auch nicht wollen). Die tektonischen Verschiebungen haben längst begonnen; asiatische und hier insbesondere chinesische OEMs, kombiniert mit dem durch seine Größe an Bedeutung gewinnenden chinesischen Automobilmarkt führen zu einer Veränderung der Kräfteverhältnisse. China ist für die Automobilindustrie das Maß aller Dinge und nicht mehr Europa, Japan oder die USA. Sind Daimler, BMW oder Audi die Telefunken, Grundigs und DUALs der 2020-ger Jahre?
CEOs müssen ihr Unternehmen beim Umgang mit ihren Kunden an die neuen globalen Machtverhältnisse anpassen.

7. Keep West, Go East

Die gesamte Machtbalance in der Mobilitätsbranche verschiebt sich nach China/Asien. Jedes dritte Auto wird in China produziert. Auch zukünftig wird China doppelt so stark wachsen wie die anderen Kernmärkte. Bei der Zukunftstechnologie E-Mobilität sind Wachstum und Marktdurchdringung in China höher als im Rest der Welt. Es existiert eine hohe Bereitschaft, in neue OEM-Marken und Mobilitäts-Startups in China zu investieren. „China“ kauft weiterhin in High-Tech-Ländern Zulieferer zu; die Übernahme von westlichen OEMs ist nicht ausgeschlossen. Die staatliche Wirtschaftspolitik hat die Mobilitätsbranche als Schlüsselbranche definiert und unterstützt deren Aufstieg. Insgesamt wird China für die OEMs zum „North Star“ der Absatzmärkte. Für die traditionelle Automobilindustrie bedeutet es, dass sie chinesischer werden muss. Das gilt für alle Aspekte des eigenen Geschäftsmodells.
CEOs müssen den Spagat zwischen Aufbau von Kompetenzen in China und der Sicherung dieser im „Westen“ schaffen.

8. Defizite zur High-Performance-Organisation

Das gesamte automobile Wertschöpfungssystem erwartet immer reibungslosere und effizientere Prozesse: Null PPMs, JIT-/JIS-Lieferungen, Simultaneous Engineering, 24/7, … Und dieses System muss global funktionieren. Zielpreise für Komponenten werden auf Basis „perfekter“ Organisationen ermittelt. Die Realität sieht anders aus: Anlaufprobleme, Qualitätskosten, Mehrarbeit durch Schnittstellenprobleme, hohe Personalfluktuation in BCC-Ländern, … Die Mehrzahl der Automobilzulieferer hat in ihrem Geschäftssystem klare Defizite; es läuft überwiegend NICHT reibungslos.
CEOs müssen eine High-Performance-Organisation formen, die einerseits alle Kundenanforderungen best-in-class erfüllt, andererseits dabei maximale Profitabilität erzeugt.

 

Unser Ausblick: Die vergangenen 10 Jahre waren ein Klacks gegenüber der zu bewältigenden Agenda der kommenden 10 Jahre.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.