Zulieferer unter Druck – rückläufige Margen trotz Umsatzsprung

München, Juli 2023

Berylls x Automotive Zulieferer

Zulieferer unter Druck – rückläufige Margen trotz Umsatzsprung

München, Juli 2023
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ie Umsätze der weltweit hundert größten Zulieferer sind auch 2022 wieder gestiegen und haben sich von Pandemie, Halbleitermangel und weiteren Sondereffekten erholt. Vor allem chinesische und koreanische Zulieferer konnten dabei Marktanteile gewinnen. Dennoch ist trotz gestiegener Umsätze, u. a. aufgrund von hohen Material- und Energiekosten, die Profitabilität der Zulieferer unter Druck geraten.

Wie sich bereits Ende 2021 abgezeichnet hat, hat sich die Erholung von Pandemie und Halbleitermangel im Jahr 2022 fortgesetzt; mit dem Krieg in der Ukraine, der Inflation und den hohen Rohstoffpreisen wurde die Industrie jedoch weiter belastet. Dennoch konnte die weltweite Fahrzeugproduktion um 6,6 Prozent gesteigert werden und ist zwar noch nicht wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau, was aber immerhin ausreicht ist, damit die TOP-100-Zulieferer nach einem Anstieg von 18,3 Prozent auf 1.064 Milliarden Euro nun erstmals die Schallmauer von einer Billion Euro Umsatz durchbrechen konnten, nach 899 Mrd. Euro im Vorjahr. Dabei konnten nahezu alle Zulieferer von der Entwicklung profitieren, denn bis auf fünf Unternehmen verzeichneten alle in der TOP-100-Rangliste vertretenen Zulieferer ein Umsatzwachstum.

Insbesondere die elf „Neueinsteiger“ der TOP 100 konnten sich ihren Platz durch Wachstumsraten von bis zu 127 Prozent sichern. Anders verhält es sich dabei mit der Profitabilität, die in 2021 noch bei durchschnittlich 6,3 Prozent lag und in 2022 auf nunmehr 5,6 Prozent abgefallen ist; dies entspricht einem Rückgang von 0,7 Prozentpunkten.

Rückblickend haben damit vor allem vier Entwicklungen das Jahr 2022 geprägt: erstens die erneute Umsatzsteigerung der hundert größten Zulieferer, u. a. getrieben von höherer Fahrzeugproduktion und Preissteigerungen, zweitens, die trotz steigender Umsätze gefallenen Margen aufgrund höherer Kosten, die nicht vollumfänglich an die Hersteller weitergegeben werden konnten und drittens, das außergewöhnlich starke Wachstum koreanischer und chinesischer Zulieferer, maßgeblich technologisch getrieben durch die zunehmende Bedeutung des elektrifizierten Antriebstrangs. An vierter Stelle steht die zunehmende Industriedynamik, mit der sich die Zusammensetzung der Rangliste der TOP 100 verändert hat.

Fahrzeugproduktion und Inflation als Treiber für das Umsatzwachstum

Im Jahr 2022 gab es mehrere Faktoren, die zu dem starken Umsatzwachstum der Zulieferer geführt haben. Neben der Steigerung des Produktionsvolumens auf 82 Millionen Fahrzeuge (ein Plus von 6,6 Prozent im Vorjahresvergleich), hat sich auch die Inflation auf die Verkaufspreise ausgewirkt, da die Unternehmen versucht haben, die erhöhten Kosten an die Hersteller durchzureichen. Dass dies den TOP-100-Zulieferern nicht immer gelungen ist, verdeutlicht eine vereinfachte Hochrechnung: für 2022 hätte der kumulierte Umsatz, unter Annahme gleicher Profitabilität wie im Vorjahr, bei 1.071 Milliarden Euro liegen müssen. Dabei sind 6,6 Prozent Umsatzwachstum aufgrund der gestiegenen Fahrzeugproduktion,8,9 Prozent durch weitergereichte Erzeugerpreissteigerungen und 2,6 Prozent Preiserhöhungen auf Basis von Lohnkostensteigerungen eingerechnet.

Die tatsächlichen Umsätze lagen jedoch nur bei 1.064 Milliarden Euro, wonach die Differenz von 7 Milliarden Euro sich direkt in der Marge niedergeschlagen hat. Der Grund hierfür kann vor allem darin gesehen werden, dass die Zulieferer oft nicht in der Lage waren, die gestiegenen Erzeugerpreise für Energie und Material sowie höhere Lohnkosten vollumfänglich an die Hersteller weiterzureichen.

In Einzelfällen hatten auch Wechselkurse signifikanten Einfluss auf das Umsatzwachstum, so legte beispielsweise der brasilianische Real um über 17 Prozent gegenüber dem Euro zu und kann so das 48,4-prozentige Wachstum von Iochpe-Maxion, dem einzigen Vertreter aus Brasilien in den TOP 100, teilweise erklären. Wechselkursbereinigt hätte das Wachstum bei 26,6 Prozent gelegen, womit Iochpe-Maxion es bei einem dann fiktiven Umsatz von unter 2,7 Mrd. Euro noch nicht einmal in die diesjährige TOP 100 geschafft hätte. Gesamthaft betrachtet lag jedoch der Wechselkurseffekt für die TOP 100 bei lediglich 0,35 Prozent und ist damit weitgehend vernachlässigbar.

Rückläufige Margen vergrößern die Schere zwischen OEMs und Zulieferern

Während die Inflation und entsprechende Steigerungen der Erzeugerpreise einerseits für höhere Umsätze gesorgt haben, sofern sie an die Kunden weitergegeben werden konnten, wirkten sie sich andererseits negativ auf die Margen der Zulieferer aus, wenn dies nicht der Fall war. Ein Vergleich der Profitabilität der TOP 10 OEMs und TOP 100 Zulieferer zeigt, dass die Margen der Zulieferer mit durchschnittlich 5,6 Prozent in 2022 weiterhin deutlich unterhalb des Niveaus der Hersteller mit 8,0 Prozent liegen. Damit setzt sich der Trend seit dem Krisenjahr 2020 nicht nur fort, sondern verstärkt sich noch weiter. Lag die Margendifferenz in 2021 noch bei 1,1 Prozentpunkten, beträgt sie 2022 nun bereits 2,4 Prozentpunkte.

Historische EBIT Margen Top 10 OEMs vs. Top 100 Zulieferer
(in % des Umsatzes)

Quelle: Berylls Strategy Advisors 

Dabei konnten weniger als die Hälfte der TOP-100-Zulieferer ihre Marge verbessern, auch weil sie weniger von höheren Erzeugerpreisen abhängig waren bzw. die Preissteigerungen an die Hersteller weitergeben konnten. Höhere Materialkosten, Unruhen in den Lieferketten und höhere Energiekosten werden voraussichtlich auch noch bis in das nächste Jahr reichen. Insbesondere die Entwicklung der Energiepreise trägt wesentlich zu den Kostensteigerungen bei. Diese schossen durch volatile Lieferungen, speziell von Erdgas aus Russland nach Europa, sowie durch westliche Sanktionen gegen Russland nach oben. Besonders stark zeigte sich dieser Effekt in Deutschland, wo die Erzeugerpreise um 32,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr anstiegen, v. a. getrieben durch die Energiepreise, die um 86,2 Prozent gestiegen sind.

Diese Steigerung verteilte sich dabei auf die verschiedenen Energieträger wie Erdgas (+133%), Strom (+95%) und Mineralöl (+40%). In anderen Regionen und Ländern war dieser Effekt zwar merklich geringer, dennoch stiegen auch in China die Erzeugerpreise im Jahresdurchschnitt um 4,1 Prozent, in den USA um 16,3 Prozent.

Veränderung von Umsatz und Marge, Top 100 Zulieferer
(in %)

Quelle: Berylls Strategy Advisors 

Es ist zu erwarten, dass die Energiepreise in Deutschland zumindest mittelfristig weiterhin auf hohem Niveau bleiben. Aufgrund langjährig ausgelegter Verträge werden deutsche Zulieferer auch künftig wenig Spielraum haben, die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Dementsprechend ist hier auch mittelfristig ein Wettbewerbsnachteil im Vergleich zur internationalen Konkurrenz zu erwarten.

Chinesische und koreanische Zulieferer weiterhin auf dem Vormarsch

Die bereits in den vergangenen Jahren sichtbaren Umsatzverschiebungen zwischen den asiatischen, europäischen und amerikanischen Zulieferern haben sich auch in 2022 weiter fortgesetzt. Seit 2012 sind die Marktanteile der führenden Zuliefererländer Japan, Deutschland und USA rückläufig. So ist der Anteil Japans als weltweit größter Zulieferermarkt von 29,8 Prozent in 2012 im vergangenen Jahr auf 21,8 Prozent abgefallen. In Deutschland und den USA lag der Rückgang der Zuliefererumsätze im gleichen Zeitraum bei jeweils -3,1 Prozentpunkten und -6,7 Prozentpunkten. Dies ging auch mit einer veränderten regionalen Zusammensetzung der TOP 100 einher. Vergleicht man die Anzahl der TOP-100-Zulieferer aus Japan, Deutschland und den USA für die Jahre 2012 und 2022, zeigt sich, dass insgesamt 22 Unternehmen weniger aus den drei führenden Zulieferernationen stammen. Hierzu zählen u. a. Zulieferer wie NHK Spring und Cooper Standard, die es nicht mehr in die TOP 100 geschafft haben. Während 2012 noch 23 deutsche Zulieferer unter den TOP 100 vertreten waren, sind es in 2022 nunmehr nur noch 17. Auch Japan verlor im vergangenen Jahrzehnt neun Zulieferer aus den TOP 100. Die Unternehmen, die aus den TOP 100 gefallen sind, liefern dabei u. a. Antriebssysteme für Verbrennungsmotoren, Sitze oder Federungssysteme.

Koreanische und chinesische Zulieferer konnten hingegen ihre Marktanteile seit 2012 um jeweils 4,2 Prozentpunkte und 8,3 Prozentpunkte steigern, auch weil die Anzahl koreanischer und chinesischer Zulieferer in den TOP 100 insgesamt um 14 gestiegen ist. Schaffte es 2012 nur Weichai Power aus China in die TOP 100, gelang dies 2022 sieben weiteren Unternehmen.

So verwundert es nicht, dass der Umsatz von chinesischen Zulieferern in den TOP 100 seit 2012 um jährlich 31,3 Prozent zugenommen hat. Aus Korea gibt es inzwischen zehn Unternehmen in den diesjährigen TOP 100. Viele der chinesischen oder koreanischen Unternehmen, wie beispielsweise CATL, Johnson Electric oder SK on produzieren Komponenten wie Batterien, Halbleiter oder Elektromotoren.

Der Blick auf die Profitabilität zeigt, dass sich vor allem chinesische Zulieferer in einer günstigen Situation befinden. Im Zeitraum 2012 bis 2022 lag die durchschnittliche Profitabilität von chinesischen Zulieferern bei 7,8 Prozent und liegt damit deutlich über dem Branchendurchschnitt von 6,8 Prozent. Lediglich amerikanische Zulieferer können mit durchschnittlichen Margen von acht Prozent ähnlich glänzen. Zulieferer aus Japan, Korea und Deutschland können hier mit vergleichsweise niedrigen Margen von jeweils 6,3 Prozent, 5,7Prozent und 5,8 Prozent nicht mithalten. Zwar konnten vor allem die Margen japanischer und deutscher Zulieferer seit dem Krisenjahr 2020 mit +2,1 Prozentpunkten und +4,3 Prozentpunkten deutlich zulegen, liegen aber infolge von Pandemie und gestiegenen Erzeugerpreisen immer noch signifikant unter dem Margenniveau von 2018.

Auch in den nächsten Jahren ist zu erwarten, dass sich die Umsatz- und Margenverschiebungen der großen Zulieferermärkte zugunsten chinesischer Zulieferer weiter fortsetzten werden, maßgeblich getrieben durch die fortschreitende Elektrifizierung und Digitalisierung der Fahrzeuge.

Quelle: Berylls Strategy Advisors 

Batterie- und Halbleiterhersteller nehmen Spitzenpositionen ein

Der Trend der vergangenen Jahre, dass Batterien und Halbleiter die zentralen Wachstumstreiber und Profitabilitätsgaranten der Zuliefererindustrie sind, setzt sich auch in 2022 fort. Halbleiterhersteller verzeichnen seit 2015 ein jährliches Wachstum von 44,3 Prozent, Batteriehersteller seit 2017 sogar von 84,1 Prozent. CATL als führender Batteriehersteller hat es erst mal in 2018 unter die weltweit hundert größten Zulieferer geschafft, konnte seinen Umsatz bis 2022 um jährlich 72,7 Prozent steigern und befindet sich dieses Jahr bereits auf Rang 7. Gleiches gilt für die anderen Batteriehersteller wie SK on, Samsung SDI und LG Energy Solution. Allein in 2022 konnten die Batteriehersteller eine durchschnittliche Profitabilität von 10,6 Prozent erzielen und lagen damit deutlich über dem Branchendurchschnitt von 5,6 Prozent.

Das gleiche Bild zeigt sich für die Halbleiterhersteller. Branchenvertreter ST Micro befand sich 2021 mit einem Umsatz von 2,5 Mrd. EUR noch auf Platz 112 der größten Automobilzulieferer und schaffte es in 2022 bereits auf Rang 58. Dabei konnte der Halbleiterhersteller aus der Schweiz seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 127 Prozent steigern. Andere Hersteller wie Texas Instruments, Infineon, NXP Semiconductors, Onsemi und Renesas konnten ebenfalls Umsatzsteigerungen von 30 Prozent und mehr verzeichnen. Dabei konnten die Halbleiterhersteller in 2022 eine bemerkenswerte Marge von durchschnittlich 25,9 Prozent erzielen. Im Zeitraum 2016 bis 2022 lag die Marge im Durchschnitt bei 17,4 Prozent, maßgeblich gestützt durch die mit der Pandemie einsetzende Halbleiterkrise.

Der direkte Vergleich zeigt: Zulieferer, beispielsweise aus den Bereichen Sitze und Interieur, Energieversorgung und Metallverarbeitung, konnten zwar seit dem Krisenjahr 2020 ihre Profitabilität weiter steigern, liegen aber deutlich unter dem Niveau von Batterie- und Halbleiterherstellern. Damit sind Batterien und Halbleiter die profitabelsten Warengruppen in der automobilen Wertschöpfungskette und sie lösten Reifen bereits vor einigen Jahren als die traditionellen Spitzenreiter ab.

Quelle: Berylls Strategy Advisors 

Die steigende Bedeutung von Batterie und Halbleiter in zukünftigen Fahrzeugarchitekturen zeigt sich auch in der veränderten Zusammensetzung der TOP 100 und ist damit Ausdruck einer zunehmenden, technologiegeprägten Industriedynamik. Gegenüber 2012 sind allein zwölf neue Zulieferer durch den technologischen Wandel hin zu elektrischen, digitalen Fahrzeugen in die TOP-100-Rangliste vorgerückt. Diese machten in 2022 einen Umsatzanteil von neun Prozent unter den hundert größten Zulieferern aus. Eine starke Leistung und ein Sinnbild für die hohe Geschwindigkeit, mit der Innovationen in der Automobilindustrie Einzug erhalten, unter der Berücksichtigung, dass der Umsatzanteil in 2017 noch bei ca. einem Prozent lag.

Zusätzlich konnten sich in den vergangenen zehn Jahren zwölf weitere Lieferanten aus traditionellen Warengruppen wie Glas, Bremsen und Lampen in die Rangliste der TOP 100 vorarbeiten. Hierzu gehören u. a. Zulieferer wie CIE-Automotive, Fuyao Glass oder SL Corporation. Weitere neun Neuzugänge wurden durch Transaktionen verursacht. Beispiele hierfür sind u. a. die Neugründungen von Aptiv, Adient und Vitesco Technologies.

Folglich hat sich die Zusammensetzung der TOP 100 in den vergangenen Jahren maßgeblich verändert und vor dem Hintergrund des fortschreitenden technologischen Wandels zukünftiger Fahrzeuggenerationen ist zu erwarten, dass die Dynamik in der Zuliefererindustrie weiter zunehmen wird.

Veränderung der Top 100 Zusammensetzung 2012-2022

Anmerkung: Technologie = Unternehmen, die den TOP100-Rang in aufstrebenden Technologiebereichen (z. B. Batterie, Halbleiter) erreichen; Aufsteiger = Unternehmen, die durch Umsatzwachstum in etablierten Gütern (z. B. Bremsen, Glas) in die TOP100 aufgestiegen sind und zuvor unter Platz 100 eingestuft wurden; Transaktionen = Unternehmen, die den TOP100-Rang nach einer M&A-Transaktion erreichen, z. B. nach dem Eintritt in ein Joint Venture

Quelle: Berylls Strategy Advisors

Die Lage der Zulieferer bleibt vor allem in Deutschland angespannt

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Automobilzulieferer im Jahr 2022 mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sahen und sich bereits in den vergangenen Jahren abzeichnende Trends zukünftig nicht nur fortsetzen, sondern auch verstärken werden.

Trotz stark wachsender Umsätze waren die Margen u. a. durch erhöhte Erzeugerpreise rückläufig. Trends wie die zunehmende Dominanz von koreanischen und chinesischen Zulieferern, hervorgerufen durch weltweit steigende Absatzzahlen batterieelektrischer Fahrzeuge, und die damit zunehmende Industriedynamik werden aller Voraussicht nach auch in 2023 zu den branchenbestimmenden Themen zählen. Legt man die aktuellen Entwicklungen zugrunde, dürfte also auch 2023 ein ereignisreiches Jahr für die Zulieferer in der Automobilbranche werden – vielleicht ereignisreicher, als vielen lieb sein dürfte.

Autoren
Dr. Alexander Timmer

Partner

Dr. Jürgen Simon

Associate Partner

Gereon Heitmann

Senior Consultant

Jakob Rüchardt

Consultant

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Dr. Jürgen Simon

Dr. Jürgen Simon (1986) ist als Associate Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Vertriebs- und Unternehmensstrategien sowie M&A und kann auf eine langjährige Beratungserfahrung zurückschauen. Er berät seit 2011 Automobilhersteller und -zulieferer und verfügt über fundiertes Expertenwissen in den Bereichen ganzheitliche Strategieentwicklung, Geschäftsmodelle und Commercial Due Diligence. Weitere Schwerpunkte liegen in Markteintrittsstrategien sowie Themen rund um das „Software Defined Vehicle“. Als diplomierter Ökonom der Universität Hohenheim hat er vor seinem Einstieg bei Berylls am Institut für Unternehmensführung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) promoviert.

Decisions in uncertain times – consequences for suppliers

Munich, July 2023

Berylls x Automotive Zulieferer

Decisions in uncertain times – consequences for suppliers

Munich, July 2023
W

hy Europe’s suppliers must move fast as OEMs shift their global production footprintThe days when suppliers could plan for a certain, steady-growth future are over. As Europe’s carmakers transfer manufacturing capacity to North America and China, suppliers must abandon static planning models and be prepared to change their strategic direction rapidly.

“Pandemic”, “semiconductor shortages” and “rising energy and finance costs” are just a few of the reasons heard over and over to explain the crises in the global car industry in recent years. Even in 2022, managers at automobile companies were still in permanent crisis mode, making decisions and taking action in an atmosphere of continuing uncertainty the new normal.  For the time being, the prospect of returning to steady growth in high single-digit percentages, as a linear updating of past growth trends, seems to have vanished.

The prevailing uncertainty affecting suppliers’ plans are reflected in auto manufacturers’ sales figures. Globally, the number of vehicles produced worldwide is still considerably less than pre-pandemic. In Germany, for example, 3.4 million vehicles were produced in 2022, by far the lowest annual volume since 1990. Meanwhile, German production forecasts for the rest of the decade are being revised downwards. Accordingly, it is expected that by 2030 only 34 million vehicles will be manufactured in Germany, a fall of 14% compared with earlier forecasts.

A similar picture is emerging for the rest of Europe, where production volumes have been revised downwards by 18%.  The clear winners are North America and China; here, forecasts have been revised significantly upwards, with almost 10 million additional vehicles projected to be manufactured in these two markets by 2030. Meanwhile, government initiatives, such as the US Inflation Reduction Act, and a focused industry policy have created additional incentives for Europe’s OEMs to shift more production capacity out of the region. 

Sharp increases in production prices are another factor undermining business confidence across Europe’s auto supplier industry.  German suppliers have been especially hard hit by price rises of 33% for wages, energy and raw materials in 2022, compared with the previous year. Suppliers have tried to pass on at least part of these additional costs to manufacturers, but negotiations have proved extremely difficult over the past year. As a result, the average profitability of German suppliers in 2022 was 3.5%, compared with 4% in 2021 – a meagre yield when set against the global industry average of 5.7%. Meanwhile, the bleak mood among

German suppliers seems likely to persist, given continuing uncertainty over whether negotiations with the manufacturers can be concluded successfully.

Throughout Europe, banks and financial investors are also losing confidence in auto suppliers due to the downward pressure on margins and volatile sales forecasts, which in turn are increasing refinancing costs with stricter loan terms. This higher investment risk is reflected by returns on European automobile bonds, which had risen by 197% since the end of 2021.

Against this crisis-ridden backdrop, few European suppliers have sufficient liquidity to pre-finance the new developments required by the accelerating transition to electric mobility. This shortage of capital also means they lack the means to expand their own networks in North America and China as OEMs shift production out of Europe. In both cases the stakes are extremely high and even existential for suppliers, adding to the prevailing mood of uncertainty. 

European suppliers with the best chance of success will be those which analyse their planning assumptions early, keep them constantly under review, and are ready to change their strategic direction rapidly at short notice. Static planning models were the model for success when forecasts were still in effect a linear updating of past growth trends. Adjustment of strategic planning assumptions within the financial year is the new order of the day.

Author
Dr. Alexander Timmer

Partner

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) joined Berylls by AlixPartners (formerly Berylls Strategy Advisors), an international strategy consultancy specializing in the automotive industry, as a partner in May 2021. He is an expert in market entry and growth strategies, M&A and can look back on many years of experience in the operations environment. Dr. Alexander Timmer has been advising automotive manufacturers and suppliers in a global context since 2012. He has in-depth expert knowledge in the areas of portfolio planning, development and production. His other areas of expertise include digitalization and the complex of topics surrounding electromobility.
Prior to joining Berylls Strategy Advisors, he worked for Booz & Company and PwC Strategy&, among others, as a member of the management team in North America, Asia and Europe.
After studying mechanical engineering at RWTH Aachen University and Chalmers University in Gothenburg, he earned his doctorate in manufacturing technologies at the Machine Tool Laboratory of RWTH Aachen University.

Entscheidungen in unsicheren Zeiten – Konsequenzen für Zulieferer

München, Juli 2023

Berylls x Automotive Zulieferer

Entscheidungen in unsicheren Zeiten - Konsequenzen für Zulieferer

München, Juli 2023
P

andemie, Halbleiterkrise sowie steigende Energie- und Finanzierungskosten sind nur eine Auswahl an stigmatisierten Begriffen, die den Krisenmodus der Automobilindustrie der vergangenen Jahre beschreiben.

Auch im Jahr 2022 waren die Führungsetagen der Automobilunternehmen permanent im Krisenmodus. Agieren und Entscheiden unter Unsicherheit scheint sich als neues Steuerungsinstrument in der Automobilindustrie zu etablieren. Die Zeiten des stetigen Wachstums im hohen einstelligen Prozentbereich als lineare Fortschreibung der Vergangenheit scheinen damit vorerst vorbei zu sein.

Die Planungsunsicherheit für Zulieferer spiegelt sich unter anderem in den Absatzzahlen der Hersteller wider. Die Anzahl der weltweit produzierten Fahrzeuge liegt immer noch deutlich unter dem Vorpandemieniveau. Betrachtet man nur den Standort Deutschland wurden 2022 insgesamt 3,4 Mio. Fahrzeuge produziert – das war mit Abstand das geringste Produktionsvolumen seit 1990. Auch die Produktionsprognosen bis zum Ende des Jahrzehnts erfahren zunehmend eine Korrektur nach unten. So ist aktuell davon auszugehen, dass bis Ende der Dekade insgesamt nur noch 34 Mio. Fahrzeuge in Deutschland produziert werden. Ein Rückgang von -14% gegenüber früheren Prognosen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich für Europa ab. Hier wurden die Produktionsvolumen um -18% nach unten korrigiert. Die klaren Gewinner sind Nordamerika und China; dort wurden die Prognosen deutlich nach oben angepasst wurden. Fast 10 Mio. Fahrzeuge zusätzlich werden für beide Absatzmarkt prognostiziert. Konjunkturprogramme, wie der Inflation Reduction ACT in den USA, und eine fokussierte Industriepolitik schaffen hier zusätzliche Anreize, Produktionsumfänge außerhalb von Europa zu lokalisieren.

Eine weitere Tatsache, die vor allem bei deutschen Zulieferern nicht für weiteres Vertrauen und eine zuversichtliche Geschäftsprognose sorgen, sind die stark ansteigenden Erzeugerpreise. So sahen sich deutsche Zulieferer mit Preissteigerungen für Lohn, Energie und Rohstoffe im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent konfrontiert. Die kommerziellen Verhandlungen der Zulieferer, diese Preissteigerungen zumindest teilweise an die Hersteller weiterzugeben, haben sich auch im zurückliegenden Jahr als äußerst schwierig erwiesen. Demzufolge lag die Profitabilität deutscher Zulieferer im Durchschnitt bei 3,5 Prozent.

Eine magere Ausbeute bei einem Branchendurchschnitt von 5,7 Prozent und einer Marge im Vorjahr von 4 Prozent. Die Stimmung unter deutschen Zulieferern hat damit im vergangenen Jahr abermals einen Tiefpunkt erreicht. Die Unsicherheit, ob die Verhandlungen mit den Herstellern erfolgreich abgeschlossen werden können, wird die Zulieferer auch in diesem Jahr weiter begleiten.

Als Folge der angespannten Margensituation und volatiler Absatzprognosen sinkt auch das Vertrauen von Banken und Finanzinvestoren. Die Konsequenz sind steigende Refinanzierungskosten und -anforderungen. Aufgrund des steigenden Investitionsrisikos sind die Renditen für europäische Automobilanleihen seit 2021 um 197 Prozent gestiegen.

Die wenigsten Zulieferer verfügen nach den vorherigen Krisen über eine ausreichende Liquidität, um die durch die fortschreitende Elektrifizierung notwendigen Neuentwicklungen vorzufinanzieren oder das Produktionsnetzwerk in Nordamerika und China auszubauen. In beiden Fällen ist der Wetteinsatz für die Zulieferer extrem hoch und in den meisten Fällen auch erfolgskritisch für den weiteren Unternehmensbestand. Die Gewinnchancen sind jedoch unbekannt; daher sind sie ein weiterer Grund für die aktuelle Unsicherheit in der Zuliefererindustrie.

In derart unsicheren Zeiten werden diejenigen Zulieferer erfolgreich sein, welche ihre Planungsprämissen frühzeitig und kontinuierlich als Teil des Strategieprozesses hinterfragen sowie kurzfristig punktuelle Änderungen in der strategischen Unternehmensausrichtung vornehmen. Die statischen Planungsmodelle waren das Erfolgsmodell, als die Prognosen noch eine lineare Fortschreibung aus der Vergangenheit waren. Die unterjährige Anpassung der strategischen Planungsprämissen ist das neue Gebot der Stunde.

Autor
Dr. Alexander Timmer

Partner

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) joined Berylls by AlixPartners (formerly Berylls Strategy Advisors), an international strategy consultancy specializing in the automotive industry, as a partner in May 2021. He is an expert in market entry and growth strategies, M&A and can look back on many years of experience in the operations environment. Dr. Alexander Timmer has been advising automotive manufacturers and suppliers in a global context since 2012. He has in-depth expert knowledge in the areas of portfolio planning, development and production. His other areas of expertise include digitalization and the complex of topics surrounding electromobility.
Prior to joining Berylls Strategy Advisors, he worked for Booz & Company and PwC Strategy&, among others, as a member of the management team in North America, Asia and Europe.
After studying mechanical engineering at RWTH Aachen University and Chalmers University in Gothenburg, he earned his doctorate in manufacturing technologies at the Machine Tool Laboratory of RWTH Aachen University.

Pressemitteilung

Pressemitteilung: Mit Berylls Know-How und Expertise – WisdomTree erweitert ETF-Palette

München, September 2022

Berylls x Automotive Zulieferer

Pressemitteilung: Mit Berylls Know-How und Expertise - WisdomTree erweitert ETF-Palette

München, September 2022
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er WCAR genannte ETF ist der erste Index, der ausschließlich Unternehmen der globalen Wertschöpfungskette innerhalb der Mobilitäts- und Automobilindustrie zusammenfasst.

München, Frankfurt, 27.September 2022: Berylls, LeanVal Research und WisdomTree, der Sponsor börsengehandelter Fonds (ETF) und börsengehandelter Produkte (ETP), geben die Einführung des WisdomTree Global Automotive Innovators NTR UCITS ETF (WCAR) Index be-kannt.
Der WCAR ist der erste Index, der das gesamte globale Ökosystem der Automobilindustrie abdeckt und die zukunftsorientierten Strategien der Unternehmen berücksichtigt, indem er die 100 relevantesten und vielversprechendsten börsennotierten Unternehmen weltweit um-fasst. Der Index ist damit sortenrein und umfasst die folgenden Sektoren innerhalb der Auto-mobilindustrie: OEMs, Zulieferer, Autohändler, Mobilitätsdienstleister und Infrastrukturanbie-ter. Dadurch kann der ETF auch alle Megatrends erfassen, die den Wandel der globalen Auto-mobilindustrie prägen. Diese sind Konnektivität, autonomes Fahren, geteilte Mobilität und Elektrifizierung.

Bei der Entwicklung des WCAR ist WisdomTree eine Partnerschaft mit Berylls und LeanVal Research (LeanVal) eingegangen. Berylls, im Jahr 2011 gegründet und bis heute auf nahezu 200 Mitarbeiter gewachsen, hat einen klaren Fokus auf die Trends, die die Zukunft der Mobilitätsbranche prägen. Damit besitzt Berylls einen einzigartigen und vollumfassenden Überblick über das Universum der Unternehmen, die von den Megatrends der Mobilität profitieren werden. Die Auswahl, der für den WCAR selektierten Unternehmen basiert dabei auf einer automatisierten Analyse von mehr als 20 unabhängigen, quantitativen, proprietär durch Berylls entwickelten Kennzahlen, die die Strategie, Wertschöpfung, und Wahrnehmung der einzelnen Unternehmen erfassen und vergleichbar machen. Bei der Unternehmensauswahl für den WCAR arbeitet Berylls eng mit LeanVal zusammen. Das Equity-Research-Unternehmen, gegründet im Jahr 2017, verfügt über eine umfängliche Expertise in der Analyse, Bewertung und Auswahl von Aktien sowie in der Entwicklung von Aktienstrategien auf Basis hochwertiger Daten.

 

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Berylls Pressemitteilung
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Autor
Christian Bangemann

Head of PR & Media Relations

Dr. Jan Burgard

Dr. Jan Burgard (1973) ist CEO der Berylls Group, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Unternehmensgruppe.
Sein Aufgabengebiet umfasst die Transformation von Luxus- und Premiumherstellern, mit besonderen Schwerpunkten auf Digitalisierung, Big Data, Start-ups, Connectivity und künstliche Intelligenz. Dr. Jan Burgard verantwortet bei Berylls außerdem die Umsetzung digitaler Produkte und ist ausgewiesener Spezialist für den Markt China.
Dr. Jan Burgard begann seine Karriere bei der Investmentbank MAN GROUP in New York. Die Leidenschaft für die Automobilitätsindustrie entwickelte er während Zwischenstopps bei einer amerikanischen Beratung und als Manager eines deutschen Premiumherstellers.
Im Oktober 2011 komplettierte er die Gründungspartner von Berylls Strategy Advisors. Die Top-Management-Beratung ist die Basis der heutigen Group und weiterhin der fachliche Nukleus aller Einheiten.
An das Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, schloss sich die Promotion über virtuelle Produktentwicklung in der Automobilindustrie an.

Standpunkt

Pandemie, Chipmangel und politische Unruhen – kommt jetzt eine Rohstoffkrise?

Munich, November 2021
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ie Automobilunternehmen mussten in den letzten Jahren auf zahlreiche externe Herausforderungen in den Lieferketten reagieren. Ein Mangel an ausgewählten Rohstoffen könnte die nächste Krise herbeiführen - Nickel, Kobalt und Magnesium sind mögliche Kandidaten.

In den letzten Jahren sah sich die Automobilindustrie mit einer Reihe schwerwiegender Herausforderungen in den Lieferketten konfrontiert. Die Covid-19 Pandemie, der Halbleiter-Mangel und nun die Unruhen in Osteuropa haben enormen Schaden angerichtet. Die Fahrzeugproduktion ist infolge um 8 Prozent von 90 Millionen Einheiten im Jahr 2019 auf 83 Millionen im Jahr 2021 zurückgegangen.

Automobilhersteller und -zulieferer haben wiederholt schnelle Eingreiftruppen zur Lösung dieser Probleme eingesetzt. So musste der Volkswagen Konzern Anfang 2020 in rascher Folge verschiedene Task Forces einrichten, um die Markteinführung des ID.3 zu unterstützen, den Chipmangel zu beheben und die Auswirkungen der Pandemie zu bewältigen. Das Dilemma von Volkswagen steht stellvertretend für ein strukturelles Problem der gesamten globalen Automobilindustrie.

Bisher hat die Branche auf diese scheinbar endlose Reihe von Herausforderungen in der Lieferkette meist nur reaktiv reagiert. Die aktuelle Situation in Osteuropa ist das jüngste Beispiel dafür. Einige Hersteller müssen beispielsweise Zweitlieferanten für Kabelbäume aufbauen, die vorher in der Ukraine hergestellt wurden.

Rückblickend wird deutlich, dass eine strategische Analyse neuer proaktiver Ansätze erforderlich ist, um die Risiken in der Lieferkette zu reduzieren. Daher sind die Zulieferer gut darin beraten die durchgängige Transparenz und Früherkennung von Problemen in ihren Lieferketten zu erhöhen und die Lieferketten so auszulegen, dass der Zugang zu wichtigen Märkten und Rohstoffen sichergestellt ist. Ferner wird es zunehmend wichtiger werden Investitionsentscheidungen zwischen ökonomisch präferierten und Risiko minimierenden Optionen auszubalancieren. In Konsequenz brauchen Zulieferer, aber auch Fahrzeughersteller, ein umfassendes Verständnis der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Lieferkette, um diese Ansätze umsetzen zu können.

Der Weg in die Zukunft – Engpässe bei Nickel, Kobalt und Magnesium sind die nächste Gefahr für die Lieferkette

Der Mangel an ausgewählten Rohstoffen bietet Potential die nächste große Herausforderung für die globalen Automobilzulieferketten zu werden (vgl. Abbildung 1). Steigende Energiekosten erhöhen die Kosten für die Produktion und den Transport von Rohstoffen, während der Übergang zur Elektromobilität die Zulieferer zwingt, die Risikoprofil für kritische Rohstoffe zu überprüfen. Beispielsweise zeigt eine Analyse von 53 Rohstoffen, die für Elektro- und Hybridfahrzeuge benötigt werden, dass für 41 dieser Rohstoffe ein erhöhtes Beschaffungsrisiko besteht. Nickel, Kobalt und Magnesium gelten dabei als besonders risikoreich.

Nickel ist ein wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien, wobei ein höherer Nickelanteil die Energiedichte und damit die Reichweite von Elektrofahrzeugen erhöht. Da sich der Wandel der Elektromobilität beschleunigt, wird die Nickelnachfrage zwischen 2021 und 2030 voraussichtlich um rund 48% steigen. Russland ist der weltweit größte Nickelproduzent. Angesichts der ungewissen Dauer, des Ausgangs und der unklaren Auswirkungen auf die künftigen Handelsbeziehungen mit Russland, erhöht sich das Beschaffungsrisiko drastisch.

Kobalt ist ein weiterer wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien. Seit 2019 hat sich der Kobaltpreis verdreifacht, und die Nachfrage wird sich zwischen 2021 und 2030 voraussichtlich verfünffachen. Bei diesem Tempo werden die weltweiten Kobaltreserven bis 2033 erschöpft sein. Das sich abzeichnende Beschaffungsrisiko für Kobalt konzentriert sich dabei auf zwei Länder: Einerseits die Demokratische Republik Kongo (DRK), die über etwa 60 % der weltweiten Reserven verfügt und anderseits China, das durch aggressive Investitionen in einheimische Kobaltförderer, derzeit mehr als 50 % der Kobaltproduktion der DRK kontrolliert. Infolgedessen findet etwa 70 % der raffinierten Kobaltproduktion in China statt, was zu einer starken Abhängigkeit der Automobilindustrie von dieser dominanten Lieferkette führt.

China deckt gleichzeitig etwa 90 % der globalen Magnesiumnachfrage ab und nimmt dadurch eine Quasi-Monopolstellung ein. Die Automobilindustrie ist dabei einer der größten Verbraucher von Magnesium, das hier vor allem im Leichtbau verwendet wird und gleichzeitig für die Herstellung von Aluminium unerlässlich ist. So wird der Magnesiumverbrauch der Branche zwischen 2021 und 2030 voraussichtlich um durchschnittlich 7,6 % pro Jahr steigen. Der Grund liegt in der Notwendigkeit leichtere Fahrzeuge herzustellen, um die Emissionen fossiler Brennstoffe zu verringern sowie die Reichweite von Elektro- und Hybridmodellen zu erhöhen. Eine kontinuierliche Versorgung mit chinesischem Magnesium ist daher für die Automobilhersteller von existenzieller Bedeutung, zumal Magnesium nur für kurze Zeit gelagert werden kann.  Im vergangenen Jahr wurde das Beschaffungsrisiko in China deutlich, als das Land seine Produktion drastisch drosselte, um die Emissionsvorschriften einzuhalten. Die Magnesiumexporte aus China brachen ein und trieben die Weltmarktpreise um bis zu 700 % in die Höhe.

Autoren
Dr. Ralf Walker

Partner

Peter Trögel

Principal

Christian Grimmelt

Principal

Eren Duygun

Consultant

Drei Schritte, um der nächsten Krise in der Lieferkette einen Schritt voraus zu sein  

Die alarmierenden Beschaffungsrisiken insbesondere bei Magnesium, Kobalt und Nickel unterstreichen, warum die Automobilzulieferer aktiv und entschlossen handeln müssen. Proaktive und strategische Antworten gilt es zeitnah zu entwickeln, um die Herausforderungen in der Lieferkette antizipieren zu können.

Zulieferer wie Hersteller sollten zunächst die durchgängige Transparenz und Früherkennung in den Lieferketten erhöhen. Neben der allgemeinen Transparenz, werden datengetriebene und KI-gestützte Risiko-Radarsysteme benötigt. Dieses bietet nicht nur Transparenz über die gesamte Lieferkette bis zu den untersten Ebenen, sondern ermöglichen durch den Einsatz von KI auch Vorhersagen über mögliche Verfügbarkeitsengpässe.

Zudem sollten Zulieferer ihre Lieferketten so gestalten, dass der Zugang zu wichtigen Märkten und Rohstoffen gesichert ist. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Produktionsflexibilität, indem eine rohstoffspezifische oder komponentenspezifische Strategie entwickelt wird, die festlegt, welche Komponenten lokal oder global beschafft werden. Ebenso sollte eine Entscheidung für eine Single- oder Dual-Source-Strategie getroffen werden, die auf einer Risikobewertung von Lieferanten und Rohstoffen beruht.

Abschließend sollten Investitionen und Risiken gegeneinander abgewogen werden. Sie müssen beurteilen, ob sie für zusätzliche Versorgungssicherheit ein Premium zahlen wollen oder ein Risikofond für die Finanzierung von möglichen „Was-wäre-wenn-Szenarien“ (z.B. Ausfällen, Anlaufschwierigkeiten etc.) aufbauen müssen.

Der schlechteste Weg wäre, sich weiterhin auf die bisherigen, traditionellen Systeme und Prozesse des Risikomanagements in der Lieferkette und der Beschaffung zu verlassen. Seit 2020 navigieren Hersteller und Zulieferer durch ein globales Umfeld, in dem Kriege, Handelskonflikte, COVID-19, neue Technologien und der Übergang zur Elektromobilität an der Tagesordnung sind. Sie sorgen dafür, dass Risiken schnell aus dem nichts entstehen und ein Engpass in der Lieferkette direkt auf den nächsten folgt. Durch proaktive strategische Lösungsansätze können die Automobilzulieferer den Herausforderungen erfolgreich entgegenwirken und die Risiken effektiv minimieren.

Über den Autor
Peter Trögel

Peter unterstützt Unternehmen bei komplexen strategischen und operativen Herausforderungen in der Automobilindustrie. Er ist Experte für Operations und kann auf eine langjährige Erfahrung im Transformations-Umfeld blicken. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Entwicklung, Industrialisierung und Produktion. Zusätzlich verantwortet Peter die digitale Task Force Lösung von Berylls Digital Ventures – elyvate.

Peter leitet zudem das Nachhaltigkeit Service Offering bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors). Dabei unterstützt er Klienten nachhaltige Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie zu entwickeln und umzusetzen.

Vor seinem Einstieg bei Berylls war Peter unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy als Mitglied der Geschäftsführung tätig. Er hält einen Diplomabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und von der University of Technology Sydney (UTS).

Dr. Ralf Walker

Dr. Ralf Walker (1969) ist seit September 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Seine Expertisen liegen in den Bereichen Operations und Task-Forces.
Er berät seit 2008 Automobilhersteller und -lieferanten im globalen Kontext. Des Weiteren verfügt er über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Launch & Ramp up Management, Turnaround Management, Produktions- & Supply Chain-Optimierung, Lean Management sowie Strategieentwicklung & Footprint-Optimierung.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem 18 Jahre bei PwC Strategy&, Booz & Co, Management Engineers und dem Fraunhofer IPT sowie 5 Jahre bei GKN als Leiter des europäischen Teams und Mitglied des globalen Teams zur Einführung von Lean- und Business Excellence-Prinzipien, Produktionsleiter und Leiter Industrial Engineering tätig.
Er studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau und promovierte am Fraunhofer IPT in Aachen.

Christian Grimmelt

Christian Grimmelt (1985) ist seit Februar 2021 fester Bestandteil des Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) Teams. Zuvor hat er bereits umfangreiche Berufserfahrung in Topmanagementberatungen und in der Automobil-Zuliefererbranche gesammelt.

Während seiner Zeit bei dem weltweit größten Automobil-Zulieferer hat er den Aufbau einer Zentraleinheit zur Optimierung des weltweiten Logistik- und Produktionsnetzwerkes des Unternehmens vorangetrieben.

Christian Grimmelts Beratungsschwerpunkte sind die Themen Logistik- und Produktionsnetzwerkoptimierung, Einkauf und (digital) Operations inklusive Anlauf- und Turnaround-Management für OEMs und insbesondere Zulieferer.

Christian Grimmelt besitzt ein Diplom für Wirtschaftsingenieurwesen vom Karlsruher Institut für Technologie.

Standpunkt

Wachstum unter Unsicherheit – kein Widerspruch

Munich, November 2021
D

er Bedarf für Veränderungen war in der Automobilindustrie nie größer als heute und zwingt Automobilhersteller wie -zulieferer dazu, getroffene Entscheidungen kurzfristig zu überdenken. Halbleitermangel, Versorgungsunsicherheiten, pandemiebedingte Produktionsausfälle, Elektromobilität und ESG fordern die gesamte Industrie tagtäglich aufs Neue heraus und stellen etablierte Strukturen zunehmend in Frage.

Die gute Nachricht ist: die Automobilindustrie hat sich trotz dem gebotenen Veränderungsbedarf im letzten Jahr wirtschaftlich positiv entwickelt und ist damit weltweit ein wirtschaftlicher Wachstumstreiber.

So konnten die größten Automobilhersteller im letzten Jahr Umsätze von 1,4 Billionen EUR erwirtschaften und lagen damit auf einem Niveau von 2019. Auch die Profitabilität lag im Durchschnitt bei rekordverdächtigen 7,6%. Gleiches gilt auch für die Zuliefererindustrie. In 2021 konnten die größten Zulieferer im Durchschnitt die Umsätze um 16% steigern und müssen daher den Vergleich mit den Erfolgsjahren 2018/19 nicht scheuen. Auch die Gewinnmargen lagen mit 6,3% über dem Niveau von 2019, aber deutlich unter den Margen der Hersteller. Zentrale technologische Wachstumsbereiche sind wieder mal Komponenten für den elektrischen Antriebsstrang sowie das autonome Fahren. Damit lässt sich zusammenfassen, dass sich die Automobilindustrie im letzten Jahr zunehmend besser auf die Unsicherheiten und Krisen eingestellt hat und 2021 unter dem Zeichen der wirtschaftlichen Erholung stand.

Auch wenn diese Entwicklung auf den ersten Blick Anlass zur Freude ist und die Belastbarkeit der Automobilindustrie verdeutlich, darf man sich vom Schein nicht trügen lassen: der Transformationsbedarf bleibt für die gesamte Industrie unverändert hoch. Mit dem Einstieg in das Zeitalter der Elektromobilität werden Zulieferer und Hersteller zunehmend unter Kostendruck geraten und müssen zeitgleich massiv ihre Produktionskapazitäten ausbauen, um den stark wachsenden Bedarf der Endkunden nach batterieelektrischen Fahrzeugen gerecht zu werden. Ferner gilt es Lieferketten für beschaffungskritische Komponenten und Rohstoffe im Einklang mit den ESG-Kriterien für die Zukunft abzusichern.

Die skizzierten Herausforderungen lassen sich eindrucksvoll und anschaulich am Beispiel der Batteriezelle verdeutlichen. Zulieferer und Hersteller bauen derzeit weltweit Produktionskapazitäten für die Zellherstellung auf. So werden in Europa die Fertigungskapazität bis Ende des Jahrzehntes jährlich um 1.300 GWh zunehmen, über 30% davon allein in Europa. Zeitgleich gilt es Kosteneinsparungen von über 30% in der Batteriezelle zu realisieren, um den Umstieg auf die Elektromobilität für den Endkunden kostenseitig attraktiv zu gestalten. Dazu müssen neue Zellchemien entwickelt und erprobt werden sowie Zelldesign und -produktion optimiert werden. Zudem ist die Herstellung von Batteriezellen, zu mindestens derzeit noch, ein wahrer Energiefresser und macht 30% der Energie aus, welche für die Herstellung eines batterieelektrischen Autos erforderlich ist. Die Verfügbarkeit von Grünstrom wird aus ESG-Sicht neben den Energiekosten damit zu einem entscheidenden Kriterium beim Aufbau neuer Produktionsstandorte. Für die Zellherstellung werden zudem Kobalt und Nickel benötigt – beides Rohstoffe mit einem hohen Beschaffungsrisiko. Der größte Nickelproduzent weltweit ist Russland und der Bedarf an Kobalt wird bis 2030 um atemberaubende 400% ansteigen, so dass die weltweiten Nickelvorkommen bis zu Beginn des neuen Jahrzehntes aufgebraucht sein werden. Weitere Herausforderungen ergeben sich in der Softwareentwicklung und -validierung für die Batteriemanagementsysteme, um über die Fahrzeuglebensdauer die gewünschten Reichweiten und Leistungseigenschaften realisieren zu können.

Damit ist klar – die Automobilindustrie befindet sich derzeit in einem massiven Umbruch, der die Branche auch die nächsten Jahre noch begleiten wird. Dies drückt sich auch in einer reduzierten Investitionsbereitschaft von Private-Equity Investoren aus. So sind 73% der Investoren der Auffassung, dass Investitionen in die Automobilindustrie an Attraktivität verloren haben.

Zeiten des Umbruchs und der Veränderung bieten Herstellern wie Zulieferern gleichermaßen auch die Chance, die Zukunft der Automobilindustrie aktiv mitzugestalten. Dazu gilt es die eigene Wertschöpfungstiefe anzupassen, strategische Kooperationen und Partnerschaften zu stärken sowie technologische Innovationen voranzutreiben.

Autor
Dr. Alexander Timmer

Partner

Über den Autor
Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Software & OS

Software definiert zunehmend das Automobil – kann die Industrie mit dem Wandel Schritt halten?

München, Juli 2022
D

ass Software eine zunehmend wichtige Rolle für das Nutzererlebnis im Auto und die Erschließung neuer Geschäftsmodelle spielt, ist längst kein Geheimnis mehr. Damit einhergehend nimmt aber auch die Bedeutung von Software für OEMs und Zulieferer dramatisch zu – nicht nur aus finanzieller Hinsicht.

Neue Fahrzeugmodelle, die wegen Softwaremängeln nicht ausgeliefert werden können, oder deren Anläufe verschoben werden müssen, sind mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Auch ist die Zahl der Zukunftsprojekte bei OEMs und Zulieferern, die aktuell hinter Plan, unter Qualität und weit über Kosten liegt, erschreckend hoch. Sei es, weil die Planung noch zu sehr Hardware-orientiert erfolgt, die notwendigen hochqualifizierten Ressourcen fehlen oder schlicht das Arbeitsmodell nicht zur agilen Softwarewelt passt – die Gründe sind vielfältig.

Getrieben werden sie von Unternehmen wie Tesla, die von Anfang an und ohne “technische Schulden” das Fahrzeug von Grund auf um die Software herum entwickeln konnten und dies nun über Dienste-Updates, Over-the-air-Updates und Function on Demand kapitalisieren.

OEMs und Zulieferer versuchen sich durch Gründung eigener Softwarehäuser, Partnerschaften mit „Big Tech“/Zulieferern/OEMs oder auch durch massiven Ressourcenaufbau zu behelfen. Bei näherer Betrachtung bleibt jedoch vieles davon oft nur „Stückwerk“ ohne durchschlagenden Erfolg. Klassische OEMs und Zulieferer müssen in diesen Feldern größte Anstrengungen unternehmen, um die etablierten Prozesse den neuen Anforderungen anzupassen.

Vielen Unternehmen mangelt es angesichts des immer hektischer werdenden Umfelds an der Fähigkeit, eine realistische Bewertung der eigenen organisatorischen Leistungsfähigkeit aus einer kritischen Distanz zum Alltagsgeschäft vorzunehmen, um grundsätzliche Nachholbedarfe in der Organisation zu identifizieren und anzugehen. Dabei müssen sämtliche Dimensionen betrachtet werden: von der strategischen Ausrichtung und Positionierung (z.B. inwiefern ist Software ein eigenes Produkt oder nur „Beiwerk“?) hin zum (Software) Produktportfolio (z.B. berücksichtigt das Geschäftsmodell bereits die neuen Möglichkeiten durch das Software Defined Vehicle?), daraus abgeleitet die Anforderungen an die Unternehmensentwicklung (z.B. kann die aktuelle Organisation die Strategie abbilden? Sind die momentan involvierten Partner die richtigen oder fehlen gar welche?) und schließlich der etwaigen Exzellenz in der Liefereinheit (z.B. wie zukunftsfähig ist das Architekturkonzept?).

Auf Basis dieser Kernfragen kann ein in sich geschlossenes Zielbild entwickelt werden, auf dessen Basis die Lücken zum Status Quo zielgerichtet geschlossen werden können. Für den Erfolg der Transformation ist es erforderlich, sich einerseits iterativ auf die kritischsten und dringlichsten Bereiche zu fokussieren und inkrementell, aber stetig, Fortschritte zu erzielen und schnell Kundenrückmeldung einzuholen. Andererseits müssen diese Aktivitäten immer an einem Gesamtbild ausgerichtet und mit parallellaufenden Arbeitssträngen abgestimmt werden.

Erst dann zeigt sich, inwiefern das Unternehmen wirklich mit dem Wandel Schritt hält oder halten kann. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob es sich um einen OEM oder einen Zulieferer handelt, da die Herausforderungen und zentralen Fragestellungen ähnlich sind. OEMs spüren den Druck aus dem Markt und von den immer anspruchsvolleren Endkunden schon seit Jahren deutlich – insbesondere in China. Doch auch Tier 1 werden immer mehr von dem Wandel
erfasst, denn ein klassisches integriertes Modul-Liefermodell aus Hard- und Software gehört mehr und mehr der Vergangenheit an. Umso wichtiger ist
es auch für die Zulieferer, sich frühzeitig auf das Unvermeidliche vorzubereiten.

Autoren
Dr. Matthias Kempf

Partner

Dr. Jürgen Simon

Associate Partner

Über die Autoren
Dr. Matthias Kempf

Dr. Matthias Kempf (1974) ist seit August 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Er begann seine Laufbahn im Jahre 2000 bei Mercer Management Consulting. Nach Promotion und weiterer Beratungstätigkeit bei Oliver Wyman war er 2008 bis 2011 im Management der Hilti Deutschland GmbH tätig. Sein Spezialgebiet bei Berylls liegt im Bereich der neuen Mobilitätsdienstleistungen und Verkehrskonzepte. Darüber hinaus ist er Experte bei der Entwicklung und Implementierung neuer digitaler Geschäftsmodelle und der Digitalisierung von Vertrieb und After Sales.

Studium Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe, Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Dr. Jürgen Simon

Dr. Jürgen Simon (1986) ist als Associate Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Vertriebs- und Unternehmensstrategien sowie M&A und kann auf eine langjährige Beratungserfahrung zurückschauen. Er berät seit 2011 Automobilhersteller und -zulieferer und verfügt über fundiertes Expertenwissen in den Bereichen ganzheitliche Strategieentwicklung, Geschäftsmodelle und Commercial Due Diligence. Weitere Schwerpunkte liegen in Markteintrittsstrategien sowie Themen rund um das „Software Defined Vehicle“. Als diplomierter Ökonom der Universität Hohenheim hat er vor seinem Einstieg bei Berylls am Institut für Unternehmensführung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) promoviert.

Standpunkt

Pandemie, Chipmangel und politische Unruhen – kommt jetzt eine Rohstoffkrise?

München, Juni 2022
D

ie Automobilunternehmen mussten in den letzten Jahren auf zahlreiche externe Herausforderungen in den Lieferketten reagieren. Ein Mangel an ausgewählten Rohstoffen könnte die nächste Krise herbeiführen - Nickel, Kobalt und Magnesium sind mögliche Kandidaten.

In den letzten Jahren sah sich die Automobilindustrie mit einer Reihe schwerwiegender Herausforderungen in den Lieferketten konfrontiert. Die Covid-19 Pandemie, der Halbleiter-Mangel und nun die Unruhen in Osteuropa haben enormen Schaden angerichtet. Die Fahrzeugproduktion ist infolge um 8 Prozent von 90 Millionen Einheiten im Jahr 2019 auf 83 Millionen im Jahr 2021 zurückgegangen.

Automobilhersteller und -zulieferer haben wiederholt schnelle Eingreiftruppen zur Lösung dieser Probleme eingesetzt. So musste der Volkswagen Konzern Anfang 2020 in rascher Folge verschiedene Task Forces einrichten, um die Markteinführung des ID.3 zu unterstützen, den Chipmangel zu beheben und die Auswirkungen der Pandemie zu bewältigen. Das Dilemma von Volkswagen steht stellvertretend für ein strukturelles Problem der gesamten globalen Automobilindustrie.

Bisher hat die Branche auf diese scheinbar endlose Reihe von Herausforderungen in der Lieferkette meist nur reaktiv reagiert. Die aktuelle Situation in Osteuropa ist das jüngste Beispiel dafür. Einige Hersteller müssen beispielsweise Zweitlieferanten für Kabelbäume aufbauen, die vorher in der Ukraine hergestellt wurden.

Rückblickend wird deutlich, dass eine strategische Analyse neuer proaktiver Ansätze erforderlich ist, um die Risiken in der Lieferkette zu reduzieren. Daher sind die Zulieferer gut darin beraten die durchgängige Transparenz und Früherkennung von Problemen in ihren Lieferketten zu erhöhen und die Lieferketten so auszulegen, dass der Zugang zu wichtigen Märkten und Rohstoffen sichergestellt ist. Ferner wird es zunehmend wichtiger werden Investitionsentscheidungen zwischen ökonomisch präferierten und Risiko minimierenden Optionen auszubalancieren. In Konsequenz brauchen Zulieferer, aber auch Fahrzeughersteller, ein umfassendes Verständnis der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Lieferkette, um diese Ansätze umsetzen zu können.

Der Weg in die Zukunft – Engpässe bei Nickel, Kobalt und Magnesium sind die nächste Gefahr für die Lieferkette

Der Mangel an ausgewählten Rohstoffen bietet Potential die nächste große Herausforderung für die globalen Automobilzulieferketten zu werden. Steigende Energiekosten erhöhen die Kosten für die Produktion und den Transport von Rohstoffen, während der Übergang zur Elektromobilität die Zulieferer zwingt, die Risikoprofile für kritische Rohstoffe zu überprüfen. Beispielsweise zeigt eine Analyse von 53 Rohstoffen, die für Elektro- und Hybridfahrzeuge benötigt werden, dass für 41 dieser Rohstoffe ein erhöhtes Beschaffungsrisiko besteht. Nickel, Kobalt und Magnesium gelten dabei als besonders risikoreich (vgl. Abbildung 1).

Nickel ist ein wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien, wobei ein höherer Nickelanteil die Energiedichte und damit die Reichweite von Elektrofahrzeugen erhöht. Da sich der Wandel der Elektromobilität beschleunigt, wird die Nickelnachfrage zwischen 2021 und 2030 voraussichtlich um rund 48% steigen. Russland ist der weltweit größte Nickelproduzent. Angesichts der ungewissen Dauer, des Ausgangs und der unklaren Auswirkungen auf die künftigen Handelsbeziehungen mit Russland, erhöht sich das Beschaffungsrisiko drastisch.

Kobalt ist ein weiterer wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien. Seit 2019 hat sich der Kobaltpreis verdreifacht, und die Nachfrage wird sich zwischen 2021 und 2030 voraussichtlich verfünffachen. Bei diesem Tempo werden die weltweiten Kobaltreserven bis 2033 erschöpft sein. Das sich abzeichnende Beschaffungsrisiko für Kobalt konzentriert sich dabei auf zwei Länder: Einerseits die Demokratische Republik Kongo (DRK), die über etwa 60 % der weltweiten Reserven verfügt und anderseits China, das durch aggressive Investitionen in einheimische Kobaltförderer, derzeit mehr als 50 % der Kobaltproduktion der DRK kontrolliert. Infolgedessen findet etwa 70 % der raffinierten Kobaltproduktion in China statt, was zu einer starken Abhängigkeit der Automobilindustrie von dieser dominanten Lieferkette führt.

China deckt gleichzeitig etwa 90 % der globalen Magnesiumnachfrage ab und nimmt dadurch eine Quasi-Monopolstellung ein. Die Automobilindustrie ist dabei einer der größten Verbraucher von Magnesium, das hier vor allem im Leichtbau verwendet wird und gleichzeitig für die Herstellung von Aluminium unerlässlich ist. So wird der Magnesiumverbrauch der Branche zwischen 2021 und 2030 voraussichtlich um durchschnittlich 7,6 % pro Jahr steigen. Der Grund liegt in der Notwendigkeit leichtere Fahrzeuge herzustellen, um die Emissionen fossiler Brennstoffe zu verringern sowie die Reichweite von Elektro- und Hybridmodellen zu erhöhen. Eine kontinuierliche Versorgung mit chinesischem Magnesium ist daher für die Automobilhersteller von existenzieller Bedeutung, zumal Magnesium nur für kurze Zeit gelagert werden kann.  Im vergangenen Jahr wurde das Beschaffungsrisiko in China deutlich, als das Land seine Produktion drastisch drosselte, um die Emissionsvorschriften einzuhalten. Die Magnesiumexporte aus China brachen ein und trieben die Weltmarktpreise um bis zu 700 % in die Höhe.

Autoren
Dr. Ralf Walker

Partner

Peter Trögel

Principal

Christian Grimmelt

Principal

Eren Duygun

Consultant

Drei Schritte, um der nächsten Krise in der Lieferkette einen Schritt voraus zu sein  

Die alarmierenden Beschaffungsrisiken insbesondere bei Magnesium, Kobalt und Nickel unterstreichen, warum die Automobilzulieferer aktiv und entschlossen handeln müssen. Proaktive und strategische Antworten gilt es zeitnah zu entwickeln, um die Herausforderungen in der Lieferkette antizipieren zu können.

Zulieferer wie Hersteller sollten zunächst die durchgängige Transparenz und Früherkennung in den Lieferketten erhöhen. Neben der allgemeinen Transparenz werden datengetriebene und KI-gestützte Risiko-Radarsysteme benötigt. Dieses bietet nicht nur Transparenz über die gesamte Lieferkette bis zu den untersten Ebenen, sondern ermöglichen durch den Einsatz von KI auch Vorhersagen über mögliche Verfügbarkeitsengpässe.

Zudem sollten Zulieferer ihre Lieferketten so gestalten, dass der Zugang zu wichtigen Märkten und Rohstoffen gesichert ist. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Produktionsflexibilität, indem eine rohstoffspezifische oder komponentenspezifische Strategie entwickelt wird, die festlegt, welche Komponenten lokal oder global beschafft werden. Ebenso sollte eine Entscheidung für eine Single- oder Dual-Source-Strategie getroffen werden, die auf einer Risikobewertung von Lieferanten und Rohstoffen beruht.

Abschließend sollten Investitionen und Risiken gegeneinander abgewogen werden. Sie müssen beurteilen, ob sie für zusätzliche Versorgungssicherheit ein Premium zahlen wollen oder ein Risikofond für die Finanzierung von möglichen „Was-wäre-wenn-Szenarien“ (z.B. Ausfällen, Anlaufschwierigkeiten etc.) aufbauen müssen.

Der schlechteste Weg wäre, sich weiterhin auf die bisherigen, traditionellen Systeme und Prozesse des Risikomanagements in der Lieferkette und der Beschaffung zu verlassen. Seit 2020 navigieren Hersteller und Zulieferer durch ein globales Umfeld, in dem Kriege, Handelskonflikte, COVID-19, neue Technologien und der Übergang zur Elektromobilität an der Tagesordnung sind. Sie sorgen dafür, dass Risiken schnell aus dem nichts entstehen und ein Engpass in der Lieferkette direkt auf den nächsten folgt. Durch proaktive strategische Lösungsansätze können die Automobilzulieferer den Herausforderungen erfolgreich entgegenwirken und die Risiken effektiv minimieren.

Über den Autor
Peter Trögel

Peter unterstützt Unternehmen bei komplexen strategischen und operativen Herausforderungen in der Automobilindustrie. Er ist Experte für Operations und kann auf eine langjährige Erfahrung im Transformations-Umfeld blicken. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Entwicklung, Industrialisierung und Produktion. Zusätzlich verantwortet Peter die digitale Task Force Lösung von Berylls Digital Ventures – elyvate.

Peter leitet zudem das Nachhaltigkeit Service Offering bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors). Dabei unterstützt er Klienten nachhaltige Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie zu entwickeln und umzusetzen.

Vor seinem Einstieg bei Berylls war Peter unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy als Mitglied der Geschäftsführung tätig. Er hält einen Diplomabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und von der University of Technology Sydney (UTS).

Dr. Ralf Walker

Dr. Ralf Walker (1969) ist seit September 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Seine Expertisen liegen in den Bereichen Operations und Task-Forces.
Er berät seit 2008 Automobilhersteller und -lieferanten im globalen Kontext. Des Weiteren verfügt er über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Launch & Ramp up Management, Turnaround Management, Produktions- & Supply Chain-Optimierung, Lean Management sowie Strategieentwicklung & Footprint-Optimierung.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem 18 Jahre bei PwC Strategy&, Booz & Co, Management Engineers und dem Fraunhofer IPT sowie 5 Jahre bei GKN als Leiter des europäischen Teams und Mitglied des globalen Teams zur Einführung von Lean- und Business Excellence-Prinzipien, Produktionsleiter und Leiter Industrial Engineering tätig.
Er studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau und promovierte am Fraunhofer IPT in Aachen.

Christian Grimmelt

Christian Grimmelt (1985) ist seit Februar 2021 fester Bestandteil des Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) Teams. Zuvor hat er bereits umfangreiche Berufserfahrung in Topmanagementberatungen und in der Automobil-Zuliefererbranche gesammelt.

Während seiner Zeit bei dem weltweit größten Automobil-Zulieferer hat er den Aufbau einer Zentraleinheit zur Optimierung des weltweiten Logistik- und Produktionsnetzwerkes des Unternehmens vorangetrieben.

Christian Grimmelts Beratungsschwerpunkte sind die Themen Logistik- und Produktionsnetzwerkoptimierung, Einkauf und (digital) Operations inklusive Anlauf- und Turnaround-Management für OEMs und insbesondere Zulieferer.

Christian Grimmelt besitzt ein Diplom für Wirtschaftsingenieurwesen vom Karlsruher Institut für Technologie.

ESG

Grüner oder raus – wie ESG und Batteriepass die Zulieferindustrie nachhaltiger werden lassen soll

München, Juli 2022

Berylls x Automotive Zulieferer

GRÜNER ODER RAUS - WIE ESG UND BATERIEPASS DIE ZULIEFERINDUSTRIE NACHHALTIGER WERDEN LASSEN SOLL

München, Juli 2022

I

nnovationen in der Batterieproduktion senken den Kostendruck auf Seite der Zulieferer. Gleichzeitig steigt der Nachhaltigkeitsdruck und damit der Bedarf an ESG Transparenz. Im Zuge der Einführung des Batteriepasses werden der Einsatz umweltschonender Produktionstechnologien und die Auswahl von Produktionsstandorten mit hohem Grünstrompotenzial zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen für die Zulieferer.

Der Anteil der weltweit neuzugelassenen batterieelektrischen Fahrzeuge (BEVs) steigt kontinuierlich, sodass der Verbrennungsmotor im Pkw Neuwagengeschäft im Jahr 2050 komplett verdrängt sein wird. Dies bedeutet auch, dass der Bedarf an Traktionsbatterien für BEVs rasant zunehmend wird und abgedeckt werden muss. Dabei gibt es unterschiedliche Zellchemien, welche die Leistung, die Zusammensetzung und den Aufbau einer Batterie bestimmen. Die heute gängigste ist die Lithium-Ionen-Batterie, welche Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal von Sony kommerziell eingesetzt wurde und seit einigen Jahren auch ihren Platz im Pkw gefunden hat. Um der wachsenden Nachfrage an Batterien für BEVs nachzukommen, werden weltweit die Produktionskapazitäten für Batteriezellen ausgebaut, wobei sich Deutschland innerhalb der EU zu einem zentralen Batterieproduktionsstandort entwickeln wird. Bis zum Ende des Jahrzehnts werden in Europa Produktionskapazitäten von über 1.300 GWh pro Jahr geschaffen, davon über 35% in Deutschland.

Als Herzstück des BEVs bestimmt die Batterie Reichweite, Fahrzeuggewicht und insbesondere auch die Herstellkosten. Bei einem Durchschnittspreis von etwa 123 EUR/kWh (Stand 2021) entfallen etwa ein Drittel der Kosten eines BEVs auf die Batterie. Es wird erwartet, dass der Preis bis 2028 um etwa 32% zurückgehen wird, womit die für Kostenparität zum Verbrennungsmotor relevante Grenze von 100 USD/kWh bzw. 94 EUR/kWh deutlich unterschritten wird. Grund dafür sind zu erwartenden Weiterentwicklungen im Bereich der Zellchemie, des Zell- und Batteriedesigns sowie in der Produktion (siehe Abbildung 1).

In der Zellchemie werden trotz weiterhin hoher Rohstoffpreise Materialkosteneinsparungen insbesondere auf der Kathodenseite erreicht werden können. Zum einen wird der Anteil an günstigeren LFP-Zellen (Lithium-Eisenphosphat) global steigen. Zum anderen werden derzeit schon NMC-Zellen (Nickel-Mangan-Cobalt) mit einem höheren Nickel-Anteil entwickelt (NMC 811 bzw. 955), die in Folge nicht nur weniger teures Kobalt benötigen, sondern auch eine höhere Energiedichte aufweisen und somit auch die Kosten pro kWh deutlich senken. Das zu erwartende Einsparungspotenzial wird konservativ mit bis zu 4% abgeschätzt.

Angestrebte Vereinfachungen und Vergrößerungen des Zelldesigns ermöglichen auch den Einsatz eines vereinfachten Batteriekonzepts, wodurch der Produktionsprozess verkürzt und der Materialeinsatz reduziert wird. Des Weiteren ermöglicht die sogenannte Cell-to-Pack-Architektur (CTP) auf den Zwischenschritt der Modulassemblierung vollständig zu verzichten. Insgesamt werden durch ein optimiertes Zell- und Batteriedesign Einsparungen von bis zu 15% prognostiziert.

Weitere Potenziale zur Senkung des Batteriepreises werden bis 2028 im Bereich der Produktion umgesetzt sein. Innovationen im Bereich der Trockenbeschichtung sowie die Optimierung von Trockenräumen und des Formierungsprozesses werden den Energiebedarf um bis zu ein Viertel reduzieren und damit nicht nur die Kosten, sondern auch die Nachhaltigkeit in der Produktion von Batterien positiv beeinflussen. Die zunehmende Automatisierung ermöglicht zudem Skaleneffekte, während die Investitionen in Maschinen und Anlagen durch eine zunehmende Standardisierung sinken werden. Ebenfalls werden Lerneffekte in der Produktion dazu führen, dass die aktuell hohen Ausschussraten weiter reduziert werden können. Bis 2028 sind hier Preisreduktionen von bis 13% zu erwarten.

Abbildung 1: Preisentwicklung Batteriepaket

Autoren
Dr. Alexander Timmer

Partner

Peter Trögel

Associate Partner

Valentin Froh

Project Manager

Sema Poyraz

Senior Consultant

Felix Günther

Consultant

Dr. Florian Degen

Fraunenhofer-Einrichtung

Miriam Mitterfellner

Frauenhofer-Einrichtung

In Summe lassen die zu erwartenden Innovationen und Optimierungen in der Batterieproduktion wenig Zweifel daran, dass die Preise für Batterien trotz Rohstoff- und Komponentenknappheit fallen werden. Damit wird der heute vorherrschende Kostendruck immer weniger die Einkaufskriterien der Automobilhersteller bestimmen. Zunehmend rücken allerdings Nachhaltigkeitskriterien in den Fokus des Beschaffungsprozesses. Kosten- und Nachhaltigkeitsoptimierung werden bei der Batterie der Zukunft zu gleichgewichteten Zieldimensionen. Die genannten Innovationen zur Einsparung der eingesetzten Energie sind somit nicht nur aus der Kostenperspektive relevant. Durch die mit der Energieeinsparung einhergehende Reduktion des CO2-Fußabdrucks sind sie auch von großer Bedeutung vor dem Hintergrund, dass Nachhaltigkeit zukünftig eines der ausschlaggebenden Beschaffungskriterium im Einkauf der Automobilhersteller sein wird.

Die Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs erfolgt in erster Linie über ESG Kriterien, wobei mit dem CO2-Fußabdruck der Umwelt-Aspekt und damit das E für „Environment“ im Vordergrund steht. Mit 42 kWh eingesetzter Energie pro kWh Batteriekapazität allein in der Zellfertigung ist die Batterieherstellung sehr energieintensiv. Der CO2-Fokus bei den ESG Kriterien und damit bei der Beschaffung ist daher für Batteriezulieferer besonders kritisch.

Je nach Quelle der Produktionsenergie steht die Batterie für 30-50% der Emissionen in der CO2 Bilanz bei der Herstellung von BEVs. Rund 19 kg CO2-Äquivalente pro produzierter kWh Batteriekapazität werden in der Zellproduktion verursacht, wenn mit einem Strommix produziert wird, der zum Großteil aus Kohleverstromung besteht, wie es beispielsweise in Polen der Fall ist. In Deutschland haben erneuerbare Energien einen Anteil von 45% am Strommix. Hierdurch kann der CO2-Fußabdruck auf 10 kg CO2-eq/kWh reduziert werden. Wenn z.B. in Schweden produziert wird, wo der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix mit 62% noch höher ist, kann ein Wert von 4,5 kg CO2-eq/kWh erreicht werden.

Um den CO2-Fußabdruck in ihren Lieferketten zu reduzieren, fordern die meisten Automobilhersteller von den Batterieherstellern bereits die Nutzung eines Strommixes mit einem möglichst hohen Anteil erneuerbarer Energien. Die Verfügbarkeit von Grünstrom wird somit zu einem entscheidenden Standortfaktor für die gesamte Zuliefererindustrie. Die jüngste Ansiedlung von Northvolt in Schleswig-Holstein, bei der das Grünstrompotenzial nach eigenen Angaben ein Hauptentscheidungskriterium war, bestätigt diesen Trend. Neben der Nutzung von Ökostrom definieren viele Automobilhersteller Quoten für den Einsatz von recyceltem Primärmaterial für ihre Batteriezulieferer. So spart der Einsatz von recyceltem Aluminium als Sekundärmaterial ca. 95% der Produktionsenergie im Vergleich zu Aluminium als Primärmaterial.

In der Gesamtschau sind die ESG Vorgaben der Automobilhersteller in Richtung der Batteriehersteller bislang weder einheitlich definiert noch besonders streng und lassen damit viel Spielraum für eine Verschärfung. Ein Grund dafür ist beispielsweise die mangelnde Nachhaltigkeitstransparenz in den Lieferketten.

Für die Zukunft ist zu erwarten, dass der Nachhaltigkeitsdruck auf die Automobilhersteller und damit auch auf die Lieferketten weiter steigen wird. Denn nachhaltig arbeitende Unternehmen verschaffen sich auch wirtschaftliche Vorteile, bspw. durch den Einsatz erneuerbarer Energien. Dass fossile Energieträger nicht nur klimaschädlich, sondern auch ein relevanter Kostentreiber sind, zeigen derzeit die Unruhen in Osteuropa. Für eine 100 kWh Batterie betrugen 2021 die Kosten für Gas in der Zellfertigung durchschnittlich 130 EUR, aktuell liegen diese Kosten bei rund 280 EUR. Eine Elektrifizierung der Produktion bei gleichzeitiger grüner Eigenstromproduktion wirkt sich also nicht nur positiv auf den CO2-Fußabdruck, sondern auch auf die Produktionskosten aus.

Zahlreiche Automobilhersteller haben bereits öffentliche Selbstverpflichtungen zur Emissionsreduktion kommuniziert. Überwiegend streben die Hersteller in Schritten bis 2050 eine vollständige CO2-Neutralität an (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: CO2 -Emissionsreduktionsziele der Automobilhersteller

Damit der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wertschöpfungskette funktionieren kann und Unternehmen ihre ESG Bemühungen glaubhaft kommunizieren können, braucht es wirksame, transparenzschaffende Methoden. Aktuell ist es nicht nur für Verbraucher schwierig, den Lebenszyklus einer Batterie nachzuvollziehen – auch für Hersteller ist es eine Herausforderung, ESG-relevante Daten in der Lieferkette zu erheben. Mit einer neuen Batterieverordnung will die EU die teils noch unkonkreten ESG Anforderungen verschärfen und tiefgreifende Kontroll- und Regulierungsmechanismen auf dem Batteriemarkt einführen.

Dazu soll ab 2026 ein „Batteriepass“ als verpflichtendes digitales Dokument durch die europäische Kommission eingeführt werden. Er verfolgt die Ziele, Transparenz in der Lieferkette von Batterien zu schaffen, deren Lebenszyklus durch Second Life Anwendungen zu verlängern und Recycling zu vereinfachen sowie einen Rahmen für Benchmarking und Marktregulierung zu entwickeln. Die Regelung nimmt Inverkehrbringer von allen Batterien ab 2 kWh auf dem europäischen Markt in die Pflicht, ESG-relevante Informationen öffentlich zugänglich zu machen. Dies gilt sowohl für einzelne Batterien als auch für im Fahrzeug verbaute Batterien. Dieser digitale Produktpass soll eine Berichterstattungs- und Kontrollfunktion erfüllen und Informationen zur ESG Performance, Leistung und Haltbarkeit der Batterie, sowie Angaben zu Hersteller und Zellchemie enthalten. Gemessen wird die ESG Performance am CO2-Fußabdruck, dem Rezyklatanteil der Rohstoffe und Informationen über die Einhaltung von Menschenrechten, insbesondere beim Sourcing der Rohstoffe.

Ab 2024 soll bereits eine Deklarierungspflicht des CO2-Fußabdrucks einer Batterie gelten. Im Zuge der geplanten Einführung des Batteriepasses wird die Deklarierung mit einer Kategorisierung des CO2-Fußabdrucks erweitert und ab 2027 mit einem EU-weiten Grenzwert weiter reglementiert. Zu beachten ist, dass die Möglichkeit zur Klimakompensation mit Ausgleichsprojekten nach der Verordnung zukünftig nicht mehr zulässig ist, sodass Produkte nicht als klimaneutral deklariert werden können, bei deren Herstellung Emissionen entstanden sind.

Mit dem Batteriepass wird damit eine einheitliche Grundlage für ein Benchmarking und ein Gütesiegel geschaffen, welches Minimalstandards für Nachhaltigkeit in der Batterieproduktion definiert. Dadurch werden Die konkrete Ausarbeitung seitens der EU für solche Gütekategorien und Grenzwerte des CO2-Fußabdrucks steht jedoch noch aus. Die Weichenstellung für einen nachhaltigen Batteriemarkt liegt nun bei der europäischen Kommission, womit sie jetzt die Chance hat zu demonstrieren, wie ernst sie es mit dem Klimaschutz meint.   

Für die Automobilindustrie bedeutet das konkret, dass im Zuge der Einführung des Batteriepasses die Automobilhersteller Daten zur ESG Performance in Produktion und Lieferkette erheben und veröffentlichen müssen. Durch diese Transparenz wird der Wettbewerbsfaktor Nachhaltigkeit für Kunden ähnlich greifbar und vergleichbar wie der Faktor Preis. Die Nachhaltigkeitsanstrengungen in der Industrie werden dadurch weiter befeuert. Hersteller und Zulieferer sind also gut beraten, sich bereits jetzt auf die Änderungen einzustellen, indem sie relevante Daten erheben, Einsparpotenziale erkennen und umsetzen, sowie Lieferanten eingehend nach ESG Kriterien bewerten.

Das Signal an die Industrie ist klar: Ein geringer CO2-Fußabdruck von Komponenten und in der eigenen Produktion wird sich zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil entwickeln. Die großen Stellhebel sind neben der Standortwahl die Produktionstechnik und -technologie. Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien am Standort, die Auslegung der Anlagen und der Einsatz innovativer Technologien können den CO2-Fußabdruck der Batterieproduktion signifikant reduzieren.

Bereiche, die derzeit noch Potential für Start-ups bieten, sind Feldüberwachung von Batterien und Produktion sowie das Schließen des Materialkreislaufs. In diesen Bereichen findet Künstliche Intelligenz vermehrt Einsatz, die hierdurch zur Qualitätsabsicherung in Feld und Produktion beiträgt und somit gezielt ungelöste Herausforderungen nutzt, um nachhaltigen Kundennutzen zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist Start-up Accure Battery Intelligence aus Aachen.

Bleibt nun die Frage: Welche Optionen haben die etablierten Zulieferer? Der Kampf um immer größere Produktionsvolumina ist in vollem Gange. Bei einer strategischen Neuausrichtung auf die Batterieindustrie im Bereich Automotive ist es hier kaum mehr möglich Fuß zu fassen. Die Marktanteile verteilen sich auf mittlerweile eingeschwungene Spieler. Ähnlich wie für die jungen Start-ups gilt es für die konventionellen Zulieferer sich auf die Randbereiche zu fokussieren und hier gezielt Kompetenzen aufzubauen, die das Ökosystem Batterie befeuern und Probleme in Wertstrom und Feld lösen – entweder durch eigene Kraft oder den Zukauf von außen.

Über den Autor
Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Peter Trögel

Peter unterstützt Unternehmen bei komplexen strategischen und operativen Herausforderungen in der Automobilindustrie. Er ist Experte für Operations und kann auf eine langjährige Erfahrung im Transformations-Umfeld blicken. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Entwicklung, Industrialisierung und Produktion. Zusätzlich verantwortet Peter die digitale Task Force Lösung von Berylls Digital Ventures – elyvate.

Peter leitet zudem das Nachhaltigkeit Service Offering bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors). Dabei unterstützt er Klienten nachhaltige Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie zu entwickeln und umzusetzen.

Vor seinem Einstieg bei Berylls war Peter unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy als Mitglied der Geschäftsführung tätig. Er hält einen Diplomabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und von der University of Technology Sydney (UTS).