Digitalisierung

Batterietechnologie Start-ups in der Automobilindustrie: Hype oder Flaute? In welche Richtung entwickeln sich die zukünftigen Geschäftsmodelle?

München, Juni 2022

Berylls x Automotive Zulieferer

Batterietechnologie Start-Ups in der Automobilindustrie: Hype oder Flaute? In welche Richtung entwickeln sich die zukünftigen Geschäftsmodelle?

München, Juni 2022

D

erzeit erleben wir weltweit eine Aufbruchsstimmung weg von konventionellen Verbrennungsmotoren hinzu surrenden batterieelektrischen Fahrzeugen.

Der Anstieg der Neuzulassungen belegt diesen Trend und spricht eine deutliche Sprache: Während die Anzahl der weltweiten Neuzulassungen über alle Antriebsformen hinweg bis 2030 um 5% zunehmen wird, verliert der traditionelle Verbrennungsmotor signifikant Anteile. Die Neuzulassungen für batterieelektrische Fahrzeuge werden im weltweiten Durchschnitt aller Voraussicht nach mit über 30% zulegen können. Fundamentaler Baustein und Voraussetzung für dieses Wachstum ist die Verfügbarkeit von ausreichend Batteriezellen.

Im Jahr 2021 lag die jährliche Produktionskapazität von Lithiumionen-Batterien in den USA, Europa und China in Summe knapp unter 700 GWh. Für 2030 wird in diesen Regionen mit einem jährlichen Bedarf von bis zu 2.600 GWh gerechnet, was zur Deckung eine jährliche Steigerung der Produktionskapazitäten von 16% erfordern würde. Das schnelle Wachstum des Batteriezellbedarfs und der damit einhergehenden Produktionskapazitäten stellt die Zuliefererindustrie vor zentrale Fragen: Welche Strukturen und Geschäftsmodelle werden diesen Trend ermöglichen? Schaffen es die etablierten Marktteilnehmer auf den Trend schnell und innovativ zu reagieren – oder werden andere, neue Marktteilnehmer die sich auftuende Lücke nutzen, bevor die bestehenden Zulieferer sie schließen können?

Auch wenn viele etablierte Zulieferer diverse Aktivitäten unternommen haben, ist in den letzten 10 Jahren ein wahrer Hype um Start-ups im Kontext Batterietechnologie und -produktion zu beobachten. Von 700 Start-ups, die im Kontext Batterie identifiziert und die seit 2010 gegründet wurden, haben allein 279 Start-ups einen Bezug zur Automobilindustrie. Neben dem großen Markpotenzial und dem Hype um die Elektromobilität sind die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt als Treiber dieser Entwicklung nicht zu vernachlässigen. Mit Blick auf die analysierten Start-ups fand diese Entwicklung den Höhepunkt in den Jahren 2016 und 2017 und hat sich seither verlangsamt. Über die Jahre betrachtet, stammt der Großteil der Start-ups aus Nord-, Mittel und Südamerika, auch wenn sich mittlerweile große Firmen aus anderen Regionen besonders im Bereich der Zellproduktion erfolgreich etablieren konnten. Der chinesische Zulieferer CATL steht Pate für diese Entwicklung. 2011 als Start-up gegründet, konnte CATL den Umsatz seit 2019 auf stolze 18,1 Mrd. EUR im Jahr 2021 verdreifachen.

Abbildung 1: Batterie Start-ups mit Automobilbezug nach Gründungsjahr und Region (Anzahl)

Autoren
Fritz Metzger

Principal

Hendryk Pausch

Senior Associate

Sven Zellner

Consultant

Betrachtet man die Finanzierung dieser Start-ups, so lässt sich insbesondere in den letzten Jahren ein Trend hin zu großen Finanzierungsrunden feststellen. Von über 200 analysierten Finanzierungsrunden der betrachteten Start-ups entfallen allein 53 auf das Jahr 2021 mit einem durchschnittlichen Volumen von 119 Mio. Euro. Seit 2020 hat sich dieser Wert versechsfacht und die gesamte jährliche Finanzierung der betrachteten Start-ups ist von 900 Mio. Euro auf über 6 Mrd. Euro sogar um das Siebenfache gestiegen. Große Finanzierungsvolumen sind insbesondere bei den investitionsintensiven Batteriezellenherstellern zu finden. Das erhaltene Kapital ist notwendig, um die Produktionskapazitäten entsprechend der schnell steigenden Nachfrage der Automobilhersteller auszubauen.

Abbildung 2:  Start-up Finanzierung vor öffentlicher Erstsmission nach Jahren [in Mio. EUR]

Mit zunehmender Größe der Batteriehersteller wird es nun schwieriger für neue Start-ups Fuß zu fassen: Sie scheinen ihr Glück in neuen und anderen Segmenten der Wertschöpfungskette zu suchen. Entsprechend ist zu erkennen, dass bereits in den letzten Jahren Start-ups nicht nur in der klassischen Batterieproduktion, sondern auch in Bereichen wie Recycling und Wiederaufbereitung (Remanufacturing) sowie Dienstleistungen gegründet wurden. Sowohl die absolute Anzahl als auch der Anteil der Start-ups im Bereich der Batterieproduktion sind in den letzten drei Jahren rückläufig.

Abbildung 3: Start-ups nach Gründungsjahr [Anzahl] und Wertschöpfungsstufe [Anteil]

Bereiche, die derzeit noch Potential für Start-ups bieten, sind Feldüberwachung von Batterien und Produktion sowie das Schließen des Materialkreislaufs. In diesen Bereichen findet Künstliche Intelligenz vermehrt Einsatz, die hierdurch zur Qualitätsabsicherung in Feld und Produktion beiträgt und somit gezielt ungelöste Herausforderungen nutzt, um nachhaltigen Kundennutzen zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist Start-up Accure Battery Intelligence aus Aachen.

Bleibt nun die Frage: Welche Optionen haben die etablierten Zulieferer? Der Kampf um immer größere Produktionsvolumina ist in vollem Gange. Bei einer strategischen Neuausrichtung auf die Batterieindustrie im Bereich Automotive ist es hier kaum mehr möglich Fuß zu fassen. Die Marktanteile verteilen sich auf mittlerweile eingeschwungene Spieler. Ähnlich wie für die jungen Start-ups gilt es für die konventionellen Zulieferer sich auf die Randbereiche zu fokussieren und hier gezielt Kompetenzen aufzubauen, die das Ökosystem Batterie befeuern und Probleme in Wertstrom und Feld lösen – entweder durch eigene Kraft oder den Zukauf von außen.

Über den Autor
Fritz Metzger

Fritz Metzger ist seit Februar 2021 bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Automotive Operations.

Seit 2011 fokussiert er dabei strategische Ausrichtung und Effizienzsteigerung der Operations von Automobilherstellern und -zulieferern. Zudem berät er das Top Management in kritischen Situationen, dazu gehören Task Forces im Rahmen der Entwicklung und Industrialisierung, Verlagerungen und die Restrukturierung von Werken und kompletten Zulieferern. Die Herausforderungen der E-Mobilität sind dabei stets im Blickfeld.

Vor seiner Zeit bei Berylls war er als Direktor bei internationalen Strategieberater PwC Strategy& tätig, sowie als Vertriebs- und Projektleiter bei einem mittelständischen Zulieferer und Maschinenbauer.

Fritz Metzger ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur mit einem Abschluss von der ESB Business School Reutlingen und hat einen MBA an der Universität Salzburg absolviert.

Software & OS

OEMs in der Positionierungsfalle

Munich, December 2021
F

ahrzeuge definieren sich zunehmend über die Software. Darauf müssen OEMs reagieren

Wer heute ein modernes Auto fährt, kann hautnah erleben und leicht nachvollziehen, warum mehr und mehr vom zukünftigen „software defined car“ gesprochen wird und OEMs hier in der Pflicht sind: Statt analogen Kombiinstrumenten gibt es Display-Anzeigen, aus Mittelkonsolen werden Schalter und Knöpfe zunehmend in großformatige Displays überführt und Fahrzeuge können sich teilautonom im Straßenverkehr bewegen oder in Parklücken manövrieren. Dies sind nur wenige Beispiele, die verdeutlichen, dass das Nutzererlebnis zunehmend durch Software bestimmt – und durch nachträgliche Freischaltung von neuen sowie Updates/Upgrades von bestehenden Features – verändert wird. Dies spiegelt sich auch deutlich in der Entwicklung der Marktvolumen für Software und Hardware wider: liegt der Software-Anteil (on & off-board) der Wertschöpfung (Automotive Software und E/E Hardware) nach Berechnungen von Berylls aktuell noch bei 20%, so wird für 2030 eine Erhöhung auf 43% erwartet. Das Gros des Wachstums wir vor allem im off-board Bereich generiert, also Software außerhalb des Fahrzeugs wie Entwicklungstools, Applikationen, Cloud-Dienste. Trotzdem erwartet Berylls auch im on-board Software Bereich, das heißt Software auf Steuergeräten, Infotainment, Fahrerassistenzsysteme, etc., eine nahezu Verdopplung des Marktvolumens.

Grafik_OEMs in der Positionierungsfalle
Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Partner

Dr. Jürgen Simon

Principal

Current Topic

Gestiegener Funktionsumfang fördert neue E/E Architekturen

Der enorm gestiegene Umfang an Funktionalitäten und Anforderungen an die Updatefähigkeit der Fahrzeuge stellt hohe Ansprüche an die E/E Architekturen, welche die Komplexität entsprechend abbilden müssen. Hier stoßen klassische Architekturen aus ca. 70-110 Steuergeräten in einem Fahrzeug sukzessive an ihre Grenzen: so müssen beim autonomen Parken via Einparkhilfe zahlreiche Sensoren, Kameras, Steuergeräte zu einem flüssigen Gesamtablauf orchestriert werden. Dabei wird die Hardware wie Steuergeräte oder Kameras häufig von verschiedenen Lieferanten bezogen und beim OEM integriert. Teils fehlende Standards/Vorgaben in Bezug auf Programmiersprachen, Softwarearchitekturen, etc. schaffen einen enormen Zusatzaufwand und hohe Komplexität in der Integration und vor allem auch bei Änderungen einzelner Bausteine. Als Reaktionen werden unter anderem alternative E/E Architekturen, die eine Zentralisierung und Konsolidierung von Steuergeräten nach sich ziehen, sukzessive umgesetzt. Architekturen im Sinne eines Industriestandards lassen sich noch nicht erkennen, so gibt es noch diverse Varianten, von Zonenarchitekturen bis Zentralrechner. Virtualisierung und Abstraktion von Hardware Layern nimmt aber in jedem Fall zu, womit sich eine Loslösung von Hardware und Software ergibt und damit eine neue Marktdynamik aufkommen lässt, wenn aktuell klassische Tier 1 Zulieferer in Wettbewerb mit Softwarehäusern, „Big Tech“-Playern und anderen Unternehmen mit starker Software-Expertise treten. Um hier, gerade auf Steuergerätebene wettbewerbsfähig zu bleiben, werden zahlreiche Zulieferer, die eher von der Hardwareseite kommend Software als Teil aber nicht Kern des Produkts sehen, zunehmend mit hohen Anforderungen an ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ressourcen zur Softwareentwicklung konfrontiert werden und geeignete Antworten finden müssen. 

OEMs wissen: Neue Softwarearchitekturen werden benötigt

Um den Integrationsaufwand zu reduzieren, Remote Update-/Upgradefähigkeit zu ermöglichen, neue und vor allem algorithmusbasierte Funktionalitäten (z.B. Bildverarbeitung) zu ermöglichen, gehen mit neuen E/E Architekturen auch neue Software-Architekturkonzepte einher. Dabei wird regelmäßig von sogenannten „Operating Systems“ gesprochen, die letztlich eine Zusammensetzung von Software Stacks sind. Dabei versucht man die zuvor genannten Problematiken zu lösen, das heißt die Anbindung an die Cloud sowie (zunehmende) Auslagerung von Funktionalitäten in die Cloud, Remote Updates/Upgrades, einheitliche Standards (neben bestehenden wie classic/adaptive AUTOSAR). OEMs haben die Bedeutung von neuen Software-Architekturen erkannt – insbesondere induziert durch Tesla, die mit ihrem weitgehenden „Greenfield“-Ansatz ohne „Legacy“-Systeme das Thema neu denken und aufsetzen konnten. Die traditionellen Hersteller haben hier Teslas Wettbewerbsvorteil und -vorsprung erkannt und arbeiten intensiv daran, diesen abzubauen. Dabei setzen sie auf unterschiedliche Strategien. Von der Eigenentwicklung eines eigenen Operating Systems (OS; z.B. Tesla, VW, Daimler) bis hin zur Integration von Drittlösungen –  allen voran Android Automotive (z.B. Polestar). 

Strategien der Eigenwertschöpfung bei OS

Dabei ist in der gängigen Diskussion nicht eindeutig definiert, was unter einem „Operating System“ zu verstehen ist und wird häufig mit einem Betriebssystem des Infotainments (analog Android, iOS) gleichgesetzt, welches mit Apps etc. bestückt werden kann und was eine der größten Sichtbarkeiten/Möglichkeiten der Differenzierung gegenüber Kunde bietet. Mit Operating Systems der OEMs sind vor allem eigene Software Stacks und die übergreifende Software Plattform gemeint. Diese Eigenentwicklungen stellen OEMs vor signifikante Herausforderungen in der Entwicklung angesichts von hohen Kosten und oft fehlenden Softwareentwicklern. Es ist daher leicht nachvollziehbar, dass viele OEMs nach Alternativen suchen und daher fragen (müssen), welchen Nutzen sie aus einer Eigenentwicklung ziehen würden. Dabei liegen die Vorteile der hohen Eigenwertschöpfung vor allem in der Unabhängigkeit von Tier 1 und vor allem Big Tech Playern wie Google, welche das Fahrzeug als attraktive Kundenschnittstelle auserkoren haben und sich über ein Betriebssystem, gerade im Fokus Infotainment, gut im Markt positionieren können. OEMs bezahlen neben Lizenzen vor allem mit den Daten der Kunden. Dafür erhalten sie aber ein umfangreiches und tief integriertes Infotainment mit geringem Investitionsbedarf und hoher Individualisierbarkeit. Zusätzliche Google Dienste können selbstverständlich leicht integriert werden. Nach Hochrechnungen von Berylls, ist ein Marktanteil von 17% in den nächsten 2-3 Jahren durchaus realistisch. Daneben haben die Hersteller die Möglichkeit auf Industriestandards im Rahmen von Partnerschaften zu setzen, bspw. der Genivi Allianz, welche als Allianz von Automobilherstellen und Zulieferern (u.a. BMW, Daimler, Bosch, Denso, Nvidia) ein auf Linux basierendes Infotainment entwickelt hat. 

Der Softwaremarkt beibt hochdynamisch

Wie aufgezeigt, sind die etablierten E/E-Architekturen nicht für aktuelle Anforderungen ausgelegt (Connectivity, Funktionserweiterungen, Remote Updates, etc.). Daher sind die (etablierten) OEMs hier bemüht aufzuholen, wenngleich dies angesichts von Legacy-Strukturen und oft fehlender In-house Softwarekompetenz/-ressourcen eine große Herausforderung darstellt. Im komplexen Feld der Softwarearchitektur und einzelner Domänen, gilt es die Ressourcen richtig einzusetzen, vor allem in den Bereichen mit direktem Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit, wie u.a. Cloud Connectivity, Infotainment oder Autonomes/assistiertes Fahren. Dabei können die OEMs und Zulieferer verschiedene Strategien verfolgen, die sich vor allem nach dem Grad der Eigenwertschöpfung und entsprechendem Fokus differenzieren. 

(Kostspielige) Eigenentwicklung eines OS mit dem Ziel, sich nicht in Abhängigkeiten zu begeben, die Datenhoheit zu erhalten, einfache cross-Domain Schnittstellen zu ermöglichen und die Produktivität durch Re-use von Grundlagencode zu erhöhen

Über Kooperationen mit anderen Herstellern und Zulieferern auf eine Industrielösung setzen, um sich gegen die Big Tech Player mit einem „Industriestandard“ zu positionieren und dabei Skaleneffekte und damit geringere individuelle Entwicklungskosten zu nutzen

Kooperation mit Zulieferern/Big Tech Playern (bspw. im Infotainment mit Android Automotive, bei Autonomem Fahren mit Waymo) mit entsprechenden Kosten- und Integrationsvorteilen aber auch potenziellen Risiken lediglich zum Hardware-Lieferanten für das „Smartphone auf Rädern“ zu werden.

Eines lässt sich dabei mit Sicherheit sagen: die Dynamik im Automotive Softwaremarkt hat gerade erst Fahrt aufgenommen und ist noch längst nicht abgeschlossen. Wie sich die OEMs und Zulieferer in diesem Umfeld positionieren wird in vielen Fällen ganz entscheidend für deren zukünftigen Erfolg sein.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

Standpunkt

Todgesagte leben länger

Munich, December 2021
D

ie Totengesänge auf die klassische (deutsche) Automobilindustrie wurden in den vergangenen Jahren immer lauter: Unzeitgemäße Produkte, an den Kundenbedürfnisse vorbei entwickelte Mobilitätslösungen, keinerlei Nachhaltigkeit im Geschäftsmodell, unflexible und langsame Firmenstrukturen und -prozesse. Kein Attribut für eine scheiternde Industrie wurde ausgelassen, um den Zustand der wichtigsten Industrie in Deutschland zu beschreiben. Die Realität zeigt sich jedoch ganz anders.

Autor
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Die wirtschaftlichen Folgen von Corona hat die Mehrzahl der OEMs und Zulieferer gut überstanden. Die vorhergesagte Pleitewelle ist (bislang) ausgeblieben. Aus der Finanzkrise 2009, in der über 120 namhafte Zulieferer in die Insolvenz gingen, hat man gelernt. Auch wenn aktuell die Lieferketten noch nicht reibungslos laufen, im 4. Quartal 2020 konnten Automobilunternehmen bereits wieder mit Spitzenwerten bei Umsatz und Gewinn aufwarten.

Auch ist das Feld der Elektromobilität noch längst nicht verloren. Aktuell liegt zwar die Börsenkapitalisierung des Elektro-Pioniers Tesla bei gut Euro 500 Milliarden, also knapp dem Doppelten der drei deutschen OEMs BMW, Daimler und Volkswagen. Allerdings bringt Tesla in den Jahren 2020/21 nur fünf neue Modelle/ Derivate in den Markt, die drei deutschen OEMs warten mit einer wahren Modellflut von 88 neuen Fahrzeugen mit Elektroantrieb (BEV und Hybrid) auf. Und der Mercedes Benz EQS ist der neue Standard für batterie-elektrische Autos. Audi hat als erste deutsche Marke den Komplettausstieg aus dem Verbrenner angekündigt. Die Herausgeforderten holen also rasant auf.

Überhaupt gestalten deutsche OEMs und Zulieferer die Transformation der Automobilindustrie aktiv mit. Ein Drittel der weltweiten F&E Ausgaben von Automobilherstellern stammen aus Wolfsburg, München und Stuttgart; in den kommenden 10 Jahren werden mehr als Euro 300 Milliarden für Innovationen ausgegeben. Die meisten Gelder fließen in den Aufbau von Software-Kompetenzen, in automatisiertes Fahren, emissionsfreie (Elektro-)Antriebe und Konnektivität, um auch in Zukunft einen attraktiven Individualverkehr zu gewährleisten. Die stetig strenger werdenden Emissionsvorschriften können aktuell eingehalten werden: im Jahr 2020 erreichte die europäische Flotte an Neuwagen mit 97 Gramm CO2 pro Kilometer knapp den Grenzwert von 96 Gramm je Fahrzeug. Und auch die neuen EU 7 Vorschriften werden dank Elektrooffensive und verbesserten Verbrennertechnologien erreicht werden.

Selbst den Herausforderungen der Big Tech Player, Google, Apple, Microsoft, Huawei oder Samsung stellt man sich und sitzt sie nicht aus. Das „software defined car“ ist in den Führungsetagen der Zulieferer und OEMs angekommen. Volkswagen, Bosch, Conti & Co. beschäftigen bereits hunderttausende Softwareentwickler. Und nach dem Motto: „Wenn du sie nicht schlagen kannst, dann verbünde dich mit ihnen“ werden kontinuierlich neue Partnerschaften mit Big Tech Unternehmen geschlossen.

Der Wandel der Automobilindustrie ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Die deutschen Automobilzulieferer und -hersteller machen jedoch ihre Hausaufgaben, Schritt für Schritt, und sie werden dann zu den Gewinnern zählen. 

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

DACH Automobilindustrie

Ladenhüter Automobilunternehmen?

Munich, December 2021

Berylls Studie zu M&A Transaktionen in der Automobilindustrie (DACH)

D

as Corona-Jahr 2020 hat auch bei den Firmenübernahmen von Automobilunternehmen im deutschsprachigen Raum deutliche Spuren hinterlassen. Das zeigt die jährliche Studie von Berylls Strategy Advisors zu den M&A Transaktionen Mobilitätsindustrie. Die Anzahl an Transaktionen ist gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent zurückgegangen und lag bei 226 Deals (293 im Jahr 2019).

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Benjamin Bierl

Consultant

Current Topic

Im Jahr 2020 konnte man günstig einkaufen

In nahezu allen Dimensionen hat sich die Struktur der Transaktionen geändert, was auch die Einstellung von Käufern und Verkäufern im Krisenjahr sowie gegenüber der Automobilindustrie generell deutlich widerspiegelt. Auf der Angebotsseite (Verkäufer) war die Bereitschaft, (sein) Unternehmen zu veräußern gering; das „current trading“, die Ergebniserwartung und Wachstumserwartungen waren im Jahr 2020 schlecht, so dass ein Verkäufer selbst für attraktive Unternehmen einen schlechten Kaufpreis erzielen würde. Das Angebot wurde durch „erzwungene“ Verkäufe nach oben erhöht: im Jahr 2020 gab es nahezu doppelt so viele Unternehmen, die aus der Insolvenz verkauft wurden (nämlich 11 Prozent aller Firmenverkäufe), als im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre. Zudem wurden nochmals gut 10 bis 15 Prozent der Unternehmen auf Druck von Kapitalgebern im Markt angeboten. Zwar sind die Durchschnittsgrößen der verkauften Mobilitätsunternehmen nach oben gegangen, die Preise (Equity Value) lagen jedoch erheblich niedriger, nämlich zirka 25 bis 30 Prozent unter dem langfristigen Schnitt der vergangenen Jahre.

Digitale Geschäftsmodelle laufen besser

Automobilunternehmen mit einem „klassischen“ Geschäftsmodell ließen sich zudem schlechter verkaufen (-34 Prozent), als jene mit „digitalem“ (-13 Prozent). Klassische Engineerin Dienstleister, Automobilzulieferer oder Maschinenbauer konnten seltener verkauft werden als in den Vorjahren. Start-up-Unternehmen aber auch Player, die ihren auf Fokus E-Mobilität haben, Internet-basiert sind, innovative Mobilitätskonzepte anbieten oder digitale Infrastruktur im Mittelpunkt haben, ließen sich deutlich leichter verkaufen.

Der Anteil der Finanzinvestoren ist im Jahr 2020 zudem leicht zurückgegangen, um zirka -5 Prozentpunkte. Zudem haben weniger Private Equity Investoren mit Wachstumsstrategien bei Akquisitionen zugeschlagen. Nach wie vor gilt die Automobilbranche bei den klassischen Buy-outs als ein sehr schwieriges Terrain. Vielmehr waren PE Häuser mit klarem Fokus auf Sondersituationen unterwegs, einerseits bei der Übernahme insolventer Player, andererseits bei Zulieferern, Maschinenbauern und im Downstream-Bereich, die durch die Work-out-Abteilungen der Banken betreut wurden.

Chinesische Käufer bleiben fern

Auch ist das Feld der Käufer aus dem Ausland erheblich kleiner geworden. Im Jahr 2020 kamen 75 Prozent der Käufer aus dem deutschsprachigen Raum, weitere 10 Prozent aus dem restlichen Europa, der Rest aus Fernost oder aus den USA. Vor allem chinesische, japanische und US-Amerikaner sind dem deutschen Markt im vergangenen Jahr ferngeblieben. Die Anzahl chinesischer Käufer hat sich seit dem Spitzenwert 2016 (19 Transaktionen) halbiert (9 Übernahmen.

2021 steht die Erholung an

Seit dem 4. Quartal 2020 steigt das Interesse an Mobilitätsunternehmen wieder an. Sowohl Finanzinvestoren als auch strategische Käufer sind wieder aktiver am Markt. Eine vollständige Erholung ist noch nicht in Sicht. Berylls geht jedoch davon aus, dass spätestens im Jahr 2023 ein Spitzenjahr für Verkäufe ansteht. Durch die Transformation wird es zahlreiche Carve-out-Situationen großer Zulieferer geben, die aufgrund der Corona-Krise nach hinten verschoben wurden; die Preise ziehen wieder leicht an; und vor allem die Finanzinvestoren, die für knapp 20 Prozent aller Übernahmen stehen, werden ihr Automobilportfolio ausdünnen und gleichzeitig neue Akquisitionen ins Auge fassen.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

Doppelinterview

Doppelinterview, Dr. Alexander Timmer/ Dr. Jan Dannenberg, beide Partner bei Berylls Strategy Advisors

Munich, December 2021
1.

Wie hat die Zuliefererbranche das Corona-Jahr überstanden? Hält der Trend zur Zwei-Klassengesellschaft weiter an?

Zu Beginn des Jahres 2020 ist der Fahrzeugabsatz Corona-bedingt im zweistelligen Prozentbereich massiv eingebrochen. So wurden beispielsweise in Europa in den ersten beiden Quartalen im Durchschnitt 35% weniger Fahrzeuge verkauft als im Vorjahreszeitraum 2019.

Die weltweit größten Automobilzulieferer haben in 2020 11% weniger Umsatz erwirtschaftet als im Vorjahr. Auch der operative Gewinn ist deutlich eingebrochen und lag im zweiten Quartal bei circa -8%. Ein ähnliches Bild konnte in diesem Zeitraum auch für die Geschäftsentwicklung der OEMs gezeichnet werden.

Seit Herbst 2020 erleben wir in der Zuliefererbranche ein deutliches Zeichen der Erholung. Sowohl Umsätze als auch Gewinne haben zum Jahresende deutlich angezogen, teilweise mit Gewinnen im zweistelligen Prozentbereich. Eine Erholung auf das Niveau der Vorkrisenjahre 2018, 2019 erwarten wir in dem Zeitraum zwischen 2023 und 2026, beflügelt durch die Wachstumsmärkte Südasien und Südamerika. Die mit Abstand größten Absatzmärkte werden China und Europa bleiben, jedoch mit deutlich kleineren Wachstumsraten.

Dadurch hat sich der Trend zur Zwei-Klassengesellschaft verschärft. Die Großen Player kehren schnell zur alten Profitabilität und zu guten Wachstumsraten zurück, der Mittelstand bleibt dabei auf der Strecke.

 

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Dr. Alexander Timmer

Partner

Current Chapter
2.

Mancher Zulieferer hat bereits vor der Pandemie ein Spar- und Umstrukturierungsprogramm gestartet. Machte sich das bereits 2020 – mitten in der globalen Krise – positiv bemerkbar?

In der Tat. Eine Vielzahl von Zulieferern haben bereits frühzeitig im ersten Quartal 2020 mit den ersten Krisensignalen aus China auf die Pandemie, und damit verbundene Umsatzeinbrüche, reagiert. Entweder wurden bereits laufende Performance-Programme in ihrem Anspruch noch einmal verschärft oder neue Programme kurzfristig ins Leben gerufen. 

Die Sparprogramme der Zulieferer haben sich dabei im Schwerpunkt auf die indirekten Bereiche konzentriert und waren vermehrt auf Effizienzsteigerungen ausgerichtet. Im Fokus standen hier die Optimierung von Geschäftsprozessen gestützt durch Automatisierung sowie die Anpassung von Organisationsstrukturen in den Zentralbereichen. Nicht selten wurden hier bereits während der Krise Potenziale im zweistelligen Prozentbereich aufgezeigt und für die Umsetzung vorbereitet. Die volle Wirksamkeit und Sichtbarkeit dieser Potenziale erwarten wir für die deutsche Zuliefererindustrie in den nächsten zwei Jahren.

3.

Die Pandemie hat an einigen Stellen die Lieferketten aus dem Fluss gebracht. Das führt dazu, dass zunehmend OEMs wieder in die Supply Chain hineinregieren. Mit welchen mittel- bis langfristigen Folgen rechnen Sie – auch in Anbetracht eines Lieferkettengesetzes?

Während der Pandemie sind noch einmal mehr die globalen Verflechtungen entlang der automobilen Wertschöpfung, und damit auch die Wichtigkeit von robusten Lieferketten, verdeutlicht worden. Nicht selten haben OEMs mehr als 10.000 direkte Lieferanten in mehr als 50 Ländern zu koordinieren, was gerade im Kontext des letzten Jahres noch einmal deutlich herausfordernder geworden ist.

Durch Corona-bedingte Produktionsstopps sind die fragilen Lieferketten der OEMs massiv ins Wanken geraten, gefolgt von einem stufenweisen, mehrere Wochen dauernden Hochlauf. Wir gehen davon, dass OEMs in den nächsten Jahren 20 bis 30 Prozent mehr in ihre Supply Chain Excellence investieren werden. Dies umfasst unter anderem die AI-gestützte Optimierung der Lieferketten, um die Transparenz über alle Wertschöpfungsstufen zu erhöhen und damit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Dies ist zunehmend wichtig, da für mehr als die Hälfte aller Kunden Nachhaltigkeit ein kaufentscheidendes Kriterium ist.

Der verstärkte Einsatz von AI im Supply Chain Management auf Seite der OEMs erfordert auch eine aktive Beteiligung der Zulieferer, wie beispielsweise die Durchführung von Selbstbewertungen. Auch bei den Zulieferern rechnen wir zukünftig mit dem vermehrten Einsatz von tool-gestützten Lösungen, um die Komplexität der globalen Lieferketten zu meistern.

4.

Wie kommt der deutsche Fonds für angeschlagene Zulieferer voran? (Stichwort: Best Owner Group)

Die Best Owner Group verfolgt einen interessanten Ansatz, um die Transformation bei ausgewählten deutschen Zulieferern geordnet und strukturiert zu managen. Durch die Bündelung von Aktivitäten im Bereich des traditionellen Antriebsstrangs können Effizienz- und Volumenvorteile realisiert werden, was angeschlagenen Zulieferern als auch Investoren eine Renditeperspektive von 12 bis 15 Prozent geben soll.

Leider ist es seit mehr als einem Jahr nur zu Ankündigungen gekommen. Vor allem das Spannungsfeld zwischen Geldgebern für den Fonds und den (IG Metall) Arbeitnehmerinteressen scheint noch nicht gelöst. Auch ist unklar, wie ein ständig unter Marktrückgang leidendes Geschäft dauerhaft solch hohe Renditen erwirtschaften soll. Zudem ist die Strukturierung als „evergreen“ Fonds, also die Idee, keine Unternehmen aus dem Portfolio zu verkaufen, in einem solchen Marktumfeld sehr gewagt. Wer investiert schon Geld in ein sinkendes Schiff, auch wenn es sehr langsam untergeht? Sollte das „funding“ nicht in den kommenden Monaten stehen, wird die BOG einen Fehlstart hinlegen.

5.

Einige große Software-Unternehmen streben in die Autobranche. Würde ein Mindeststeuersatz für mehr Chancengleichheit zwischen old- und new economy sorgen?

Die großen Tech-Player, wie Google, Apple, Microsoft oder Nvidia, habe heute schon ihre Software-Lösungen in einer Vielzahl von Fahrzeugen installiert. Durch die steigende Bedeutung von automobiler Off-board-Software nimmt das Interesse weiter zu. Heute beträgt der Wert von Software je Durchschnittsfahrzeug knapp Euro 700, bis zum Jahr 2030 wird dieser auf über Euro 2.500 steigen; Dreiviertel davon wird davon im Off-board-Bereich erwirtschaftet. Neben den kalifornischen Tech-Giganten drängen zudem chinesische Player, wie Huawei und Baidu, sowie die koreanische Unterhaltungselektronikkonzerne Samsung und LG in den „software-defined car“-Markt hinein.
Der Steuersatz bei der Chancengleichheit ist allerdings nicht das Problem. Zwar zahlen im Jahr 2020 die drei Tech-Player Apple, Alphabet (Google Mutter) und Microsoft nur zwischen 14,4 bis 16,5 Prozent Einkommensteuer, wohingegen bei Volkswagen, Daimler und BMW die Steuern zwischen 24,4 und 36,8 Prozent auf zu versteuerndes Einkommen lagen; die drei deutschen OEMs hätten zusammen bei einem Steuersatz von 15 Prozent, nur einen um Euro 3 Milliarden höheren Gewinn. Das eigentliche Problem liegt im Vorsteuerergebnis, sprich im Gewinn an sich, nicht bei den Steuern. Die Tech-Giganten sind einfach viel profitabler; sie erzielen ein nahezu 6-mal höheres Vorsteuerergebnis als die drei deutschen OEMs: 28,1 Prozent im Vergleich zu 4,8 Prozent. Allein Apples Vorsteuergewinn ist mehr als doppelt so hoch wie das der drei deutschen OEMs zusammen

6.

Mit Hitachi Astemo entsteht ein neuer Mega-Zulieferer mit 13 Mrd € Umsatz. Was ist von diesem Unternehmen noch zu erwarten? Welche Rolle werden sie in Europa spielen?

Mit Hitachi Astemo, geschaffen aus dem Zusammenschluss von Hitachi Automotive Systems, Keihin, Showa und Nissin Kogyo, ist ein neuer Top-Zulieferer entstanden, der im Jahr 2021 auf jeden Fall in den Top 20 auftauchen wird. Sein Schwerpunkt liegt dabei heute klar bei den japanischen OEMs, allen voran Honda (der ein Drittel der Aktien hält), Nissan, Mitsubishi, Mazda und Subaru. Europäische oder nordamerikanische Kunden sind bislang kaum vertreten. Das neue Unternehmen hat in Europa aber gute Chancen im Umfeld E-Mobility (Traktionsmotor, Lithium Ionen Zellen und Batteriemodule, Wasserpumpe und Inverter) und Autonomes Fahren (ADAS Steuergeräte, Kamerasysteme inkl. Objekterkennung). Hitachi hat beispielswiese die Inverter für den Audi e-tron sowie den Porsche Taycan geliefert. Darüber hinaus sind aber keine größeren Umfänge bekannt.

7.

Aptiv hat einen größeren Umbau hinter sich. Nun ist der Zulieferer hochprofitabel. Ein Vorbild für Conti und weitere Zulieferer mit ähnlicher Ausgangslage?

Delphi hat in drei Jahren sein „Powertrain“-/Motoren-Geschäft inklusive der E-Mobility-Aktivitäten an Borg Warner für zirka $ 3,3 Milliarden verkauft. Die im Jahr 2018 abgeschlossene Ausgründung von Aptiv hat sich hervorragend entwickelt: der Aktienkurs konnte verdoppelt werden, die Marktkapitalisierung liegt bei knapp Euro 40 Milliarden, alle Finanzkennzahlen haben sich verbessert. Aptiv ist eine Erfolgsgeschichte. Und ja, es dient als Vorbild für andere Automobilzulieferkonzerne. Im gleichen Zeitraum ist die Marktkapitalisierung von Continental um 35 Prozent zurückgegangen, die Renditen sind eingebrochen und Conti hat seine langjährige Position als zweitgrößter Lieferant der Welt an Denso verloren. Mit der rechtlichen Ausgründung von Vitesco ist zwar ein erster Schritt erfolgt; allerdings ist Vitesco immer noch Teil von Continental. Insbesondere die deutschen Zulieferer werden hier nachziehen müssen, um sich vom klassischen Verbrennungsmotoren-Geschäft zu trennen und den Fokus auf das zukunftsträchtige CASE-Business zu legen. Bislang sind die großen europäischen Zulieferkonzerne noch viel zu zaghaft bei der Transformation. Valeo, Bosch, ZF, Mahle, Faurecia oder Benteler sollten es ähnlich wie Aptiv angehen: eine klare Zäsur beim Powertrain-Geschäft einerseits, Konzentration auf das Zukunfts-Geschäft andererseits.

8.

Der Umsatzanteil asiatischer Zulieferer (ohne Japan) unter den Top 100 steigt seit Jahren. Darunter befinden sich vor allem chinesische und koreanische Unternehmen. Lässt sich das ausschließlich mit dem wachsenden chinesischen Markt erklären? Gewinnen diese Zulieferer auch außerhalb Chinas an Marktanteil?

Klassische Spieler in China, wie Weichai, Huayu, BHAP, NBHX, Joyson oder Yangfeng im Antriebsstrang, Interieur oder der Fahrzeug-Elektronik werden Schritt für Schritt ihre Präsenz in Europa und Nordamerika weiter ausbauen. Viel interessanter sind allerdings die neuen Player im Car OS Operating System (z.B. Huawei Harmony OS), bei Connected Services (AliPay und Tencent Integration), beim Autonomen Fahren (Baidu), bei E-Mobility Komponenten, V2X, Fahrzeug-Plattformen und -Auftragsfertigung (Foxconn mit der MIH EV Plattform). Chinesische OEMs werden in den kommenden Jahren verstärkt nach (West-)Europa exportieren und ihre Aktivitäten in diesen Märkten ausweiten, hier gilt es zu beobachten inwiefern die chinesischen Zulieferer mitkommen. In China selbst müssen Zulieferer wie Bosch, Conti und ZF darauf achten, nicht überholt zu werden. Dazu müssen sie kurz- bis mittelfristig verstärkt lokaler agieren und lokales Know-how und Kapazitäten aufbauen, speziell in den Bereichen Connectivity und Autonomes Fahren. Die chinesische Regierung fokussiert sich auf „Intelligent Connected Vehicles“, so ergeben sich interessante Chancen.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

Spannungsfeld

Im Spannungsfeld zwischen Preisverfall und Innovation – der elektrische Antriebsstrang

Munich, December 2021
D

as erklärte Ziel der Bundesregierung ist es, die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Für 2050 wird sogar eine vollständige Treibhausneutralität ins Auge gefasst, was wiederum im Einklang mit den Zielen des Green Deals auf europäischer Ebene ist. Um dies erreichen zu können, müssten bis 2030 circa 14 Millionen Fahrzeuge oder 30% des Fahrzeugbestands auf deutschen Straßen rein elektrisch angetrieben werden.

Vor dem Hintergrund dieser regulativen Rahmenbedingungen erscheint es nachvollziehbar, dass die Mehrzahl europäischer Automobilhersteller derzeit ihre Exit-Strategien für den Verbrennungsmotor konkretisieren und teilweise auch kurzfristige Ausstiegsszenarien ins Auge fassen. So plant Audi beispielsweise für 2025 – ausgenommen für den chinesischen Markt – den letzten Anlauf eines Verbrennungsmotors. Im Jahr 2033 soll die Produktion des konventionellen Antriebs dann endgültig eingestellt werden. Ähnliche Ansätze werden auch bei der Markenschwester Volkswagen und den Wettbewerben wie BMW und Daimler verfolgt.

Autor
Dr. Alexander Timmer

Partner

Der Paradigmenwechsel vom klassischen verbrennungsmotorischen Antrieb hin zum surrenden E-Antriebsstrang scheint damit auf dem Blatt besiegelt zu sein. Dies eröffnet für die deutsche Zuliefererindustrie, die mit zirka 22 Prozent den zweitgrößten Anteil am weltweit Zulieferermarkt ausmacht, ihre Vorreiterrolle weiter auszubauen.

Im Bereich des elektrischen Antriebsstrangs etabliert sich derzeit ein Industriestandard für die Hochvoltarchitektur (HV) zukünftiger Fahrzeugplattformen. Zu den zentralen Komponenten des elektrifizierten Antriebsstrangs zählen das Batteriesystem, die E-Achse sowie die Hochleistungselektronik, wobei ersteres einen Kostenanteil von 70 bis 80 Prozent an den Gesamtkosten des Antriebsstrangs ausmacht. In den zukünftigen Fahrzeugplattformen bis 2030 zeichnet sich derzeit vermehrt der Ansatz von zentralen HV-Architekturen ab, in welchen die einzelnen Komponenten der Hochleistungselektronik im Bereich des Hecks räumlich zusammengefasst werden. Hierdurch werden signifikante Vorteile auf Seite der Materialkosten und der Systemkomplexität erzielt.

Durch die Hochleistungselektronik werden unter anderem Reichweite, Ladedauer und Lebensdauer der Fahrzeugbatterie maßgeblich beeinflusst. Dies ist ein Argument mehr, warum Automobilhersteller vermehrt in Betracht ziehen, Komponenten der Leistungselektronik wie Inverter, Gleichspannungswandler und Steuergeräte, für ein Teilvolumen selbst zu montieren. Dadurch können die Hersteller eine eigene Beurteilungskompetenz gegenüber den etablierten Zulieferern aufbauen und im Vergabeprozess mit den Zulieferern auf Augenhöhe verhandeln.

Die Komponenten des E-Antriebsstrangs unterliegen zunehmend einem hohen Preisdruck, der unter anderem aus Skaleneffekten durch steigende Stückzahlen und der zunehmenden Akzeptanz der Kunden für elektrische Antriebe resultiert.

 So haben die Neuzulassungen für elektrische Fahrzeuge allein in Deutschland im letzten Jahr um 264 Prozent zugenommen, weltweit betrug der Zuwachs 38 Prozent. Bis 2026 ist damit zu rechnen, dass die Produktion rein elektrischer Fahrzeuge jährlich um über 200 Prozent wachsen wird. Zeitgleich zum Volumenhochlauf sind für die einzelnen Komponenten des E-Antriebstrangs Preisrückgänge von bis zu 50 bis 75 Prozent zu erwarten. Um dem entgegenzuwirken, gehen die großen Zulieferer vermehrt Entwicklungspartnerschaften mit Halbleiterherstellern ein. Im Fokus steht hier die Steigerung von Wirkungsgraden in der Leistungselektronik, um damit die Reichweite von batterieelektrischen Fahrzeugen zu steigern. Durch derartige technologische Innovationen erhoffen sich die Zulieferer, dem Preisverfall langfristig entgegenwirken zu können.

Für die Zulieferer ist das Jahr 2021 ein entscheidendes Jahr, um sich für die Vergaben der neuen E-Plattformen der Automobilhersteller in Position zu bringen und sich damit einen Anteil im Wachstumsmarkt E-Mobility zu sichern. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund des Erhalts von Arbeitsplätzen zielführend. Durch den absehbaren Wegfall des Verbrennergeschäfts und der geringeren Personalintensität des E-Antriebs sind die Zulieferer im Zugzwang, die zu erwartenden Lücke durch neue Projekte im Bereich der E-Mobilität überproportional zu kompensieren. Folge ist auch hier ein erbitterterer Preiswettbewerb zugunsten des Endkunden, wodurch die Elektromobilität für die breite Masse erst erschwinglich wird.

 

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei der Berylls Group tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Innovations- und Markteintrittsstrategien und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen.

Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.

Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.

Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Vergangene Jahre

Top 100 Automobilzulieferer 2020

Munich, December 2021
S

ondereffekte prägen das Jahr 2020 in der Automobilindustrie – nicht nur Corona drückt den Automobilzulieferern im vergangenen Jahr einen Stempel auf. Erstmals seit der Wirtschaftskrise von 2009 müssen sich die meisten der Top 100 Unternehmen nicht etwa um ein schwaches Wachstum Sorgen machen, sondern um nicht unwesentliche Umsatzrückgänge, verbunden mit neuen Herausforderungen, die die Industrie in bisher ungekanntem Ausmaß verändern werden. Die vergangenen zehn Jahre konnten zudem mit interessanten Entwicklungen aufwarten.

Das Jahr 2020 lässt sich für die Autozulieferindustrie in vier Statements zusammenfassen.

2020

war Wachstum fast nur durch Akquisitionen möglich.

2020

schrieb jedes vierte Unternehmen Verluste.

2020

hat es erstmals ein chinesischer Zulieferer in die Top 10 geschafft.

2020

gab die allgegenwärtige Elektromobilität die Richtung vor.

Doch zunächst zu den Fakten: Die Umsätze der von Berylls Strategy Advisors ermittelten 100 größten Automobilzulieferer lagen 2020 um -12,7 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres, während 2019 noch eine Umsatzsteigerung von +4,3 Prozent erreicht worden war. Die Profitabilität ging im Vorjahresvergleich in Summe mit -58,1 Prozent deutlich zurück. Die durchschnittliche Marge der betrachteten Unternehmen lag im Jahr 2020 mit 2,6 Prozent bei weniger als der Hälfte im Vergleich zum Vorjahr (6,0 Prozent).

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Dr. Jürgen Simon

Principal

Current Chapter

Wachstum 2020 fast nur durch Akquisitionen möglich

Nach einem stürmischen Jahr, dessen Vorboten bereits 2019 auf den Plan traten, zeigt die Analyse von Berylls, dass nicht wie üblich zehn Unternehmen mit dem stärksten Umsatzwachstum gekürt werden können, sondern nur acht – so viele waren es, die mehr Umsatz erzielten als im Vorjahr. Die Plätze 9 und 10 sind 2020 demnach die beiden Zulieferer mit dem geringsten Umsatzrückgang in den Top 100. Ursächlich dafür sind vor allem die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Im Laufe des vergangenen Jahres kam es sowohl seitens der OEMs als auch der Zulieferer zu Produktionsstopps. Diese und die darüber hinaus geringere Nachfrage bescherten den Unternehmen deutliche Umsatzeinbußen. Hauptsächlich durch Akquisitionen gelang es Unternehmen wie BorgWarner (Delphi Technologies), Weichai Power (Aradex, VDS) oder Infineon (Cypress), die Umsätze im respektablen zweistelligen Bereich anzuheben.

Auch im laufenden Jahr gab es bereits Zusammenschlüsse. So fusionierten etwa Hitachi Automotive Systems, Keihin Corporation, Showa Corporation und Nissin Kogyo zu dem japanischen „Top 20“-Zulieferer (geplanter Umsatz für 2021 in Höhe von Euro 13 Milliarden) Hitachi Astemo.

Jedes vierte Unternehmen schreibt Verluste

Für starke Umsatzrückgänge in der Automobilzuliefererindustrie sorgte im vergangenen Jahr vor allem die Corona-Pandemie und bedingte zeitweise Produktionspausen. Jeder zweite deutsche Zulieferer plant zudem aktuell einen zusätzlichen Stellenabbau aufgrund der Auswirkungen der Krise. Dazu kommen die zum Teil wesentlich geringeren Umsätze nebst nicht in gleichem Maße gesunkenen Kosten. Ein prominentes Beispiel für die Probleme durch die Pandemie ist der bereits vorher in Schieflage geratene deutsche Kabel- und Bordnetz-Spezialist Leoni, der 2020 zu den Top-100-Unternehmen mit negativer Marge zählt. Weltweit waren 80 Werke des Zulieferers zeitweise geschlossen, der Großteil der 4.800 Mitarbeiter in Deutschland in Kurzarbeit. Rettung brachte dann die Bürgschaft der Länder Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen für einen Betriebsmittelkredit. Eine Insolvenz konnte so verhindert werden und für das laufende Jahr stellt das Unternehmen immerhin Umsatz- und Ergebnisverbesserungen in Aussicht. Einige kleinere, nicht zu den Top 100 zählende, deutsche Zulieferer mussten im Jahr 2020 ebenfalls den Gang in die Insolvenz antreten, unter anderem der Felgenhersteller BBS, die Batterienfabrik Moll, der Aluminiumgussexperte Finoba, der Kunststoffteilehersteller Weberit Dräbing, der Druckgussteilelieferant DGH und der kinematische Kunststoffteilelieferant Minda KTSN. Einige wurden bereits von Investoren übernommen oder haben zumindest eine Sanierung in Aussicht. Die im Vorjahresreport angekündigte Pleitewelle ist somit unübersehbar eingetreten. Im Gegensatz zur Finanzkrise 2009 ist sie jedoch deutlich milder ausgefallen und betrifft vor allem kleine Mittelständler der Zulieferindustrie.

Jeweils fünf deutsche und japanische Top-100-Unternehmen schreiben 2020 rote Zahlen und stellen damit über die Hälfte der 17 Zulieferer mit negativer Marge. Im Gesamtbild stellen diese Unternehmen allerdings eher die Ausnahmen für Deutschland und Japan dar, da in Summe 17 deutsche und 27 japanische Automobilzulieferer in den Top 100 vertreten sind. Deutschland ist dabei mit ZF Friedrichshafen, Continental, Bosch, Mahle und Leoni in den roten Zahlen präsent. Die USA stellen mit American Axle und -8,4 Prozent Operating-Income-Marge den Anführer bei den Verlustunternehmen, mit Goodyear und -0,1 Prozent Operating-Income-Marge aber auch den letzten in der negativ-Liste. An der schwarzen Null kratzen zudem mit NTN (-1,1 Prozent OI), JTEKT (-0,7 Prozent OI) und Denso (-0,7 Prozent OI) drei japanische Unternehmen. Somit stehen auf der Verlustseite Hersteller aus verschiedenen Bereichen, von Mechanik bis hin zu Elektronik. 

Auf der anderen Seite, bei den diesjährigen „Profitabilitäts-Champions“, gibt es ebenfalls ein sehr heterogenes Feld. Auf den vorderen zehn Plätzen der profitabelsten Unternehmen findet sich eine vielfältige Mischung. Dabei kommen die Spitzenreiter aus sechs verschiedenen Ländern und vor allem Telematik-Spezialisten und Reifenhersteller realisieren positive Margen. Erstere stellen die mit Illinois Tool Works (USA, 17,8 Prozent OI), Aptiv (Groß Britannien, 16,2 Prozent OI) und Renesas (Japan, 14,2 Prozent OI) die Top 3 der profitablen Unternehmen 2020. Mit Pirelli (Italien, 11,6 Prozent EBIT), Toyo Tire Corporation (Japan, 10,6 Prozent OI) und Hankook Tires (Korea, 10,6 Prozent OI) zählen drei Reifenhersteller zu den Herstellern mit den höchsten Margen – trotz der pandemiebedingten deutlich geringeren Nachfrage im Jahr 2020, die bei vielen anderen Zulieferern auch die Marge negativ beeinflusste.

Die Top Ten vermischen sich untereinander – ein Neuzugang aus China – Bosch weiterhin Spitzenreiter

Bosch führt im sechsten Jahr in Folge die Aufstellung der 100 größten Automobilzulieferer weltweit an. Die unmittelbar darauffolgenden Platzierungen gehören bis Platz 9 den gleichen Unternehmen wie im Vorjahr – Platz 10 sichert sich 2020 mit Weichai Power erstmals ein chinesisches Unternehmen in den Top 10 und verdrängt damit Valeo (seit 2017 stetig auf Platz 10 oder 11 zu finden). Der chinesische Motorenspezialist ist 2020 als einer der raren Umsatzgewinner bereits bekannt und lag 2011 in der ersten Auflage der Top 100 noch auf Platz 27. Einige Unternehmen schlugen sich im Krisenjahr besser als andere, was vor allem auf die geographische Lage zurückzuführen ist. Zulieferer mit Sitz und / oder Abnehmern in Asien konnten von der früher wieder anziehenden Wirtschaft in diesen Ländern profitieren. Denso schickt etwa Continental auf den dritten Platz und sichert sich 2020 die Silbermedaille. Magna rutscht von vier auf fünf, während ZF vor allem durch die Akquisition von Wabco profitiert. Außerdem tauschen die Konkurrenten Michelin und Bridgestone, ihre Positionen und liegen nun auf den Plätzen 8 und 9.

Elektromobilität gibt Richtung vor

Im vergangenen Jahr trafen die Auswirkungen der Corona-Pandemie und ein starkes Wachstum im Bereich Elektromobilität aufeinander. Automobilzulieferer hatten mit Umsatzrückgängen und Produktionspausen zu kämpfen und kamen zum Großteil um einen Stellenabbau nicht herum. Hersteller für Batterien oder Halbleiter sind weiter auf Wachstumskurs, und so suchen Hersteller wie CATL verstärkt nach neuen Mitarbeitern. Doch gerade bei Batterien sind europäische OEMs abhängig von asiatischen Herstellern wie CATL, Panasonic, BYD oder LG Chem. Um dieser Abhängigkeit entgegenzuwirken, wird in den kommenden Jahren Deutschland zum europäischen Batteriezentrum ausgebaut werden. Dabei laufen bereits verschiedene Kooperationen mit Batteriespezialisten, sowohl seitens OEMs als auch seitens der Zulieferer, und Deutschland verzeichnet europaweit mit Abstand die meisten Projekte im Bereich Batterieherstellung. Bis 2030 werden in Deutschland bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen werden. Davon können auch deutsche Automobilzulieferer wie Dräxlmaier, Webasto oder Elring Klinger profitieren, die heute bereits als Lieferanten für Batterietechnologie auftreten.

Unter den Stichworten Elektromobilität und Zukunftstechnologien passen zunehmend Zulieferer ihre Strategien an. LG etwa steigt aus dem Smartphone-Geschäft aus und will sich künftig auf die Wachstumsbereiche Bauteile für Elektrofahrzeuge, vernetzte Geräte und künstliche Intelligenz konzentrieren. BorgWarner möchte durch Akquisitionen einerseits grundsätzlich wachsen und zugleich mehr Entwicklungen im Elektro-Bereich realisieren. Infineons Strategie ist die Stärkung des Kerngeschäfts mit Halbleitern und die Erschließung neuer Wachstumsmärkte, was unter anderem zur bereits genannten Akquisition von Cypress führte.

Ein Jahrzehnt Top 100

Seit zehn Jahren betrachtet Berylls jährlich die Top 100 der weltweiten Automobilzulieferer. In dieser Zeit hat sich viel auf den Märkten und in den Produktionshallen der Unternehmen abgespielt und bewegt. Damals, im Jahr 2011, war die Branche im Aufschwung nach der vorangegangenen weltweiten Finanzwirtschaftskrise. Die Umsätze stiegen seitdem Jahr für Jahr, von 2011 an (Euro 663 Milliarden) bis 2019 (Euro 914 Milliarden) um insgesamt 38 Prozent bzw. jährlich durchschnittlich 4,1 Prozent. Und auch die Profitabilität der 100 größten Zulieferer verbesserte sich bis 2017 jedes Jahr, lag dabei von 2012 bis 2018 beständig über 7 Prozent. 2020 liegen die Top 100 mit Gesamtumsätzen von knapp Euro 800 Milliarden etwa noch 20 Prozent über dem Niveau von vor zehn Jahren. Die Profitabilität hingegen liegt bei einem Allzeittief von lediglich etwa 3 Prozent – wenngleich im Jahr 2020 zu großen Teilen pandemiebedingt. 2019, im Jahr vor der Pandemie, lag die Marge noch bei 6 Prozent und war damit auf vergleichbarem Niveau wie 2011 (6,7 Prozent). Was ist also in diesen zehn Jahren passiert?

Im Laufe der Zeit hat sich die geographische Verteilung der großen Zulieferer verändert. Dabei gab es klare Verschiebungen von Zulieferern aus Deutschland, Japan und USA nach Asien. Asiatische Zulieferer (abgesehen von Japan) haben seit 2011 bei massivem Umsatzwachstum deutlich an Profitabilität eingebüßt, sind aber zunehmend in den Top-100 vertreten.

2020 haben es neunmal so viele chinesische Zulieferer in die Top 100 geschafft wie noch 2011. Damals war lediglich Weichai Power auf Rang 25 enthalten, das 2020 auf Rang 10 steht und acht weitere Unternehmen aus dem Reich der Mitte über das gesamte Feld der Top 100 verteilt hinter sich hat.

Die größten Umsatzgewinner seit 2011 sind ZF Friedrichshafen und Tenneco. Bosch hat seit dem Jahr 2015 Continental auf Platz 1 abgelöst und verteidigt bislang jedes Jahr diese Position. 2011 bis 2014 lag noch Continental auf Platz 1, stets knapp vor Bosch. Im Zeitraum 2013 bis 2016 verzeichneten die Top 100-Unternehmen vier gänzlich verlustfreie Jahre.

Die beste Entwicklung innerhalb der Top 100 machten Dräxlmaier (+ 31 Plätze), Grupo Antolin (+ 25 Plätze) und NGK Spark Plug (+ 21 Plätze). Die meisten Plätze verloren haben TS Tech (- 41 Plätze), Pirelli (- 31 Plätze) und Meritor (- 28 Plätze; nach Aufspaltung).
Innerhalb des vergangenen Jahrzehnts konnte man einige Unternehmen kommen und gehen sehen. Konzerne wie Johnson Controls oder Honeywell haben ihre Automotive-Sektoren abgespalten. Zulieferer TRW, Delphi Technologies, Calsonic, Behr oder Wabco sind übernommen worden. Wieder andere konnten mit den stetigen Umsatzsteigerungen der anderen Top 100 Teilnehmer nicht mithalten und waren aufgrund ihrer fehlenden Größe ausgeschieden, so etwa IAC, Rheinmetall Automotive oder Cooper Standard. Abspaltungen von Unternehmensteilen haben im Laufe der Jahre aber auch zu Neuzugängen geführt. So sind aktuelle Vertreter der Top 100 wie Aptiv, Adient, Clarios oder Garret Motion im Zuge ihrer Selbständigkeit nun seit einigen Jahren dabei. Abgesehen davon haben es Zulieferer aufgrund von starkem Umsatzwachstum aus eigener Kraft in die Liste der Größten geschafft, so etwa Flex-N-Gate, CATL, Piston Group sowie die deutschen Vertreter Aunde, Freudenberg und Infineon.

Die kommenden 10 Jahre werden zu deutlich stärkeren Umbrüchen führen. Lieferanten mit hohem Verbrenneranteil wie Mahle, BorgWarner, Tenneco oder Eberspächer, werden ohne ein Gegensteuern nach hinten durchgereicht. Elektrik-/Elektronikkonzerne mit starker Softwarekompetenz, wie Continental, Bosch oder Hella, werden überproportional wachsen. Die asiatischen, allen voran die chinesischen Zulieferunternehmen sowie die Player aus der IT- und Unterhaltungselektronik, Huawei, Samsung und LG, werden über Akquisitionen (auch) von Traditionsunternehmen kontinuierlich an Bedeutung zulegen. Das Gewicht wird sich stärken in Richtung Asien verlagern. Die deutschen Zulieferer sind allerdings gut gewappnet, um die nächste Phase der harten Transformation zu meistern.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.

Pressemitteilung

Pressemitteilung: Vom Vorreiter zum Zuschauer – Deutschland droht bei der Brennstoffzelle den Anschluss zu verlieren

München, Juli 2020

Berylls x Automotive Zulieferer

Pressemitteilung: Vom Vorreiter zum Zuschauer - Deutschland droht bei der Brennstoffzelle den Anschluss zu verlieren

München, Juli 2020
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eutschland war einmal Vorreiter bei der Brennstoffzelle. Doch neue Impulse, um die Technologie in der Breite zu etablieren, kommen aktuell überwiegend aus Asien.

Während sich Deutschland darauf festlegt, die Brennstoffzelle vor allem im Fern- und Güterverkehr zu fördern, planen China, Japan und Korea massive Investitionen auch bei PKW.

Anders als in Deutschland hat man dort erkannt, dass der PKW zwar nicht die Anwendung der ersten Stunde, sehr wohl aber der zukünftige Volumenträger der Brennstoffzelltechnologie sein wird.

China leitet sogar den größten Teil der vorhandenen Mittel für sogenannte New Energy Vehicles (NEV) auf FCEVs um – die bessere Skalierbarkeit der Ladeinfrastruktur von Brennstoffzellen ist dabei in Chinas Megacitys der entscheidende Faktor.

Ein weltweiter Absatz von über einer Million FCEVs im Jahr 2030 ist absolut realistisch. China allein hat sich für das Jahr 2030 dieses Ziel gesetzt; Toyota und Hyundai planen bis dorthin ebenfalls jeweils 500.000 FCEVs zu produzieren.

Damit droht Deutschland ein weiteres Mal bei einer zu großen Teilen in Deutschland mitentwickelten Technologie den Anschluss zu verlieren.

  

Die geringe Nachfrage nach Brennstoffzellen betriebenen PKW (FCEV) scheint der Bundesregierung recht zu geben …

Einst galt Deutschland als Vorreiter beim Thema Wasserstoff. Die Bundesregierung versucht – auch mit Mitteln des kürzlich verabschiedeten Konjunkturpakets zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie – inzwischen verlorenes Territorium wiedergutzumachen. Sie verfolgt dabei die Strategie, die Brennstoffzelle vor allem im Fern- und Güterverkehr zu fördern, nicht jedoch bei PKW.

Mit Blick auf den Absatz von FCEVs (Fuel Cell Electric Vehicles) scheint die Bundesregierung mit dieser Strategie richtig zu liegen. Im Jahr 2019 waren lediglich drei Modelle verfügbar, von denen weltweit insgesamt nur knapp 7.000 FCEVs verkauft wurden. Mittelfristig werden kaum neue Modelle hinzukommen. Die meisten deutschen OEMs haben FCEVs entweder ganz aufgegeben oder planen höchstens ein Derivat in Kleinserie einzuführen. Aus Hersteller-Sicht konkurrieren FCEVs nämlich nicht nur mit BEVs, sondern auch mit Plug-in-Hybriden und sogar 48V-Systemen um immer knapper werdende Entwicklungsbudgets. Die Herausforderung, die ohnehin schon schwierige Symbiose von konventionellen und alternativen Antriebssträngen zusätzlich um FCEVs zu ergänzen, ist den meisten OEMs schlicht zu teuer. Zuletzt verkündete daher auch Mercedes, dass der erst 2019 eingeführte GLC F-Cell wohl ohne Nachfolger bleiben wird.

… neue Impulse kommen einzig aus Asien.

Neue Impulse, die Brennstoffzelle in der Breite zu etablieren, kommen vor allem aus Asien. So planen Toyota und Hyundai bis 2030 jährlich 500.000 FCEVs allein für den Einsatz in PKW zu produzieren. Erst kürzlich meldete Toyota zudem die Gründung eines Joint-Ventures mit vier in China lokal ansässigen OEMs zur Herstellung von Brennstoffzellen für Nutzfahrzeuge.

Aber der Blick auf den heutigen PKW-Absatz von FCEVs täuscht …

Die Brennstoffzelltechnologie ist vielfach erprobt und insbesondere im Nutzfahrzeugbereich schon gut etabliert. Nach Angaben des US-Energieministeriums sind allein in den USA etwa 20.000 wasserstoffbetriebene Gabelstapler im Einsatz. Der zum US-Konzern PACCAR gehörende Nutzfahrzeughersteller Kenworth nutzt in wechselnder Kooperation mit dem kanadischen Brennstoffzellenhersteller Ballard und Toyota bereits Testflotten kommerziell. In der Schweiz plant die private Initiative H2 Mobilität bis zum Jahr 2025 rund 1.600 mit Brennstoffzellen ausgerüstete LKW in Betrieb zu nehmen. Und das mit über US $ 700 Millionen finanzierte US-Amerikanische Startup Nikola sieht für das Jahr 2021 die Markteinführungen von Brennstoffzellen betriebenen LKW für den Fernverkehr vor.

… denn im Nutzfahrzeugbereich trägt sich Wasserstoff bei bestimmten Anwendungsfällen bereits mittelfristig selbst

Der Schweizer Initiative H2 Mobilität gehören neben dem Einzelhändler Coop auch Tankstellenbetreiber und Logistikunternehmen an. Das Konsortium bündelt somit alle nötigen Kompetenzen von der Erzeugung und Betankung bis zum Betreiben der LKW. In Los Angeles liefert Toyota neben den Brennstoffzellen für den Antrieb zudem stationäre Systeme. Diese Bündelung erlaubt eine gesamtwirtschaftliche positive Bilanz, in der sich der Anwendungsfall als Ganzes mittelfristig ohne Subventionen trägt. Ein solcher Ansatz ist überall da übertragbar, wo sich Regelverkehre ergeben. Aber selbst im logistischen Fernverkehr fahren inzwischen viele LKWs entlang fixer Routen – z.B. auch die sogenannten Milkruns, welche die Teileversorgung der OEMs sicherstellen. Vor kurzem haben Hyundai und der amerikanische LKW-Motorenhersteller Cummins ein Abkommen geschlossen, um gemeinsam Brennstoffzellantriebe zu entwickeln. Hyundai will dabei sein Wissen um die Brennstoffzellen einbringen, Cummins das Know-how rund um den Antriebsstrang. Zunächst wird der Fokus auf den nordamerikanischen Automarkt gelegt und beide Partner werden die Brennstoffzellen nicht nur für den Einsatz in Autos entwickeln, sondern auch für stationäre Systeme, etwa für Notstromversorgungen.

Hersteller von Brennstoffzellensystemen – nicht OEMs – werden die Knotenpunkte dieser neu entstehenden Lieferketten bilden.

Voraussichtlich werden nur wenige OEMs in eine eigene FCEV-Technologie investieren. Der Großteil der Antriebseinheiten wird von spezialisierten Herstellern ganzer Brennstoffzellensysteme kommen. Im LKW-Bereich ist es heute schon üblich, dass OEMs auf eine Mischung aus Eigenentwicklungen und zugekauften Antriebssystemen setzen. Dies ermöglicht eine Volumenbündelung auf nur wenige Systeme bei entsprechend geringeren Entwicklungskosten für den einzelnen Abnehmer. Hersteller wie Ballard, SHPT, Doosan oder Bosch schaffen auf diese Weise branchenübergreifende Skalen und kombinieren Kompetenzen und Technologien über ein breites Spektrum von Anwendungen. Selbst Toyota und Hyundai legen ihre Systeme so aus, dass sie in PKW und LKW gleichermaßen zum Einsatz kommen können.

Insbesondere in Asien werden private Initiativen durch massive staatliche Investitionen ergänzt. Ziel ist der flächendeckende Einsatz von Brennstoffzellen im PKW.

Auch das von Kenworth verwendete System besteht aus zwei Einheiten des Mirai-Systems. Und das nicht ohne Grund, denn China, Korea und Japan streben langfristig klar den Einsatz von Brennstoffzellen im PKW an.

Derzeit gibt es global nicht mehr als 400 Wasserstoff-Tankstellen. Japan verfügt mit 100 Stationen über das weltweit größte Netzwerk an H2-Zapfsäulen. Es folgen Deutschland mit 90 und der US-amerikanische Bundesstaat Kalifornien mit etwa 50 Stationen; in Korea und China sind es derzeit nur ca. 20 an der Zahl. Korea, Japan und China planen bis zum Jahr 2030 jeweils rund 1.000 H2-Tankstellen in Betrieb zu nehmen. China will dafür sogar den größten Teil der vorhandenen Mittel für sogenannte New Energy Vehicles (NEV) auf FCEVs umleiten und so bis zum Jahr 2030 rund 1 Million FCEVs auf die Straße bringen. Ausschlaggebend für das Umdenken in China ist dabei die bessere Skalierbarkeit der H2-Ladeinfrastruktur.

China, Japan und Korea eint der Versuch, durch eine enge Verzahnung von Unternehmen und öffentlicher Hand, die Brennstoffzellentechnologie auf eine breite industrielle Basis zu stellen. Anders als in Deutschland liegt der Schwerpunkt in allen drei Ländern jedoch auf dem PKW als zukünftigem Volumenträger. Hier zeigt sich deren Erfahrung im Zuge der Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien: Um die Auslastung von zeitweise leer stehenden Zellfabriken zu erhöhen, wurde lange Zeit der Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien in stationären Anwendungen forciert – der Durchbruch kam jedoch erst mit dem Großserieneinsatz im PKW.

Die Automobilnation Deutschland erlebt ein weiteres Mal, wie eine maßgeblich in Deutschland entwickelte Technologie im Ausland industrialisiert wird.

Der von Deutschland eingeschlagene Weg, Brennstoffzellen in erster Linie für LKW, Schiff- und Luftfahrt zu nutzen, greift langfristig zu kurz. Länder wie China, Korea und Japan haben erkannt, dass der PKW zwar nicht die Anwendung der ersten Stunde, sehr wohl aber der zukünftige Volumenträger der Brennstoffzelltechnologie sein und ihr so zum Durchbruch verhelfen wird.

Ein Volumen von einer Million FCEVs im Jahr 2030 ist leicht möglich. Das entspräche einem weltweiten Marktanteil von nur einem Prozent – und genau dem Wert, den sich China als Ziel gesetzt hat. Toyota und Hyundai planen ebenfalls ihre Fertigungskapazitäten bis 2030 auf jeweils 500.000 Stück auszubauen. Zum Vergleich: Um eine ähnlich große Zahl an FCEVs in LKWs auf die Straße zu bringen, müssten fast ein Drittel aller weltweit verkauften LKW auf Brennstoffzellen umgerüstet werden.

Die von den deutschen OEMs und der Bundesregierung verfolgte Strategie birgt somit die Gefahr, dass Deutschland zwar viel in die weitere Industrialisierung der Brennstoffzelle investiert, aber am entstehenden Massenmarkt nur ungenügend partizipiert. Konsequent wäre das Vorgehen der Bundesregierung nur, wenn – anstatt auf FCEV zu setzen – neben den BEVs auch E-Fuels gefördert würden.

  

Empfehlungen

Die Strategie, abzuwarten, bis eine gestiegene (oder künstlich herbeigeführte) Nachfrage die Produktion von Brennstoffzellenfahrzeugen in Großserie zulässt, wird nicht aufgehen. Es muss vorher gehandelt werden.

Als Gewinner der Brennstoffzellen-Technologie werden solche OEMs hervorgehen, die es schaffen, ihre Technologie über eine Vielzahl verschiedener, auch nicht-automobiler Anwendungen zu skalieren.

Dazu werden diese sich selbst als Unternehmer und Partner in Kooperationen einbringen müssen. Denn als OEM sind sie nur dann interessant, wenn sie potenziellen Käufern ganzheitliche Lösungen anbieten können, die neben dem Fahrzeug auch das Betanken und sogar die Erzeugung von Wasserstoff beinhalten.

Zulieferer sollten nicht auf die OEMs warten, sondern direkte Kontakte zur neuen Riege von Systemherstellern knüpfen.

Da diese in der Mehrzahl in Asien sitzen, sollte auch die Brennstoffzellstrategie unmittelbar aus den Standorten vor Ort getrieben werden.

Gleichzeitig darf der Einsatz im PKW nicht aus dem Auge verloren werden. Das betrifft sowohl die technische Auslegung neuer Systeme als auch die genaue Beobachtung der Märkte – insbesondere in Asien.

Berylls Pressemitteilung
Pressemitteilung: Vom Vorreiter zum Zuschauer
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Autor
Christian Bangemann

Head of PR & Media Relations

Andreas Radics

Andreas Radics (1973) ist seit 2001 als Strategieberater in der Automobilindustrie tätig und blickt darüber hinaus auf mehr als vier Jahre Berufs- und Führungserfahrung in der Industrie zurück. Bevor er als Gründungspartner 2011 Berylls ins Leben rief und aufbaute, war er bei den international agierenden Strategieberatungen Gemini Consulting und Oliver Wyman tätig.
Er zählt zu den führenden Köpfen für Mergers & Acquisitions sowie für die Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensstrategien in der Automobilindustrie, ist Experte für eMobility und ausgewiesener Kenner des US-Marktes.
Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Ingolstadt.

Pressemitteilung

PRESSEMITTEILUNG: DIE BERYLLS TOP 100-ZULIEFERERSTUDIE 2020

München, Dezember 2020
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TARKE RÜCKGÄNGE BEI UMSÄTZEN UND MARGEN: CHINESISCHE ZULIEFERER GEWINNEN STARK AN BEDEUTUNG

München, 30. Juli 2021 – Bereits im zehnten Jahr in Folge hat Berylls Strategy Advisors die 100 weltweit größten Automobilzulieferer im Rahmen der Top 100-Zuliefererstudie untersucht. Auffällig ist, dass Sondereffekte das Jahr 2020 in der Automobilindustrie geprägt haben – nicht nur Corona drückte dem vergangenen Jahr einen Stempel auf. Erstmals seit der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 müssen sich die meisten der Top 100 Unternehmen nicht etwa um ein schwaches Wachstum sorgen, sondern um spürbare Umsatzrückgänge – lediglich acht Unternehmen konnten ihre Umsätze im Vergleich zum Vorjahr steigern. Außerdem schaffte die Elektromobilität neue Herausforderungen, die die Industrie in bisher ungekanntem Ausmaß verändern werden. Auffällig ist der Vormarsch der chinesischen Zulieferer, der bereits in den vergangenen Jahren begonnen hat. Der Motorenspezialist Weichai Power belegt mit Platz 10 die beste Platzierung, die je ein chinesisches Unternehmen seit Beginn der Studie erreicht hat. Die vergangenen zehn Jahre konnten zudem mit interessanten Entwicklungen aufwarten. So vergrößerte sich die Einstiegshürde, um in das Feld der 100 größten Zulieferer zu gelangen, von 1,6 Milliarden Euro Umsatz um fast 50 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Der Vergleich der Kennwerte aus dem letzten Jahr mit dem Jahr 2009 zeigt, dass die Industrie nach der damaligen Wirtschaftskrise einen neuerlichen Dämpfer hinnehmen muss.

Autor
Christian Bangemann

Head of PR & Media Relations

VIEL BEWEGUNG IN DEN TOP TEN, WEICHAI POWER ALS NEUZUGANG AUS CHINA, BOSCH BLEIBT SPITZENREITER

Bosch verteidigt im sechsten Jahr in Folge den ersten Platz in der weltweiten Aufstellung der 100 größten Automobilzulieferer. Zwei weitere deutsche Unternehmen liegen auf den Plätzen 3 (Continental) und 4 (ZF Friedrichshafen). Magna wurde von ZF auf Platz 5 verwiesen, Continental hat den zweiten Platz aus dem Vorjahr an Denso abgegeben. Die Konkurrenten Michelin und Bridgestone haben 2020 nach mehreren Jahren mit sehr ähnlichen Zahlen nun die Plätze getauscht und liegen aktuell auf den Plätzen 8 und 9. Platz 10 belegt mit Weichai Power erstmals ein chinesischer Zulieferer. Berylls Partner und Zuliefererexperte Dr. Jan Dannenberg: „Die Performance des Motorenspezialisten überrascht nur auf den ersten Blick. Sie war zwar selbst im schwierigen Jahr 2020 so gut, dass WeichaiPower zu den ganz wenigen Umsatzgewinnern zählt, was nicht zuletzt auf dessen M&A-Aktivitäten zurückzuführen ist. Tatsächlich ist der chinesische Konzern aber ein guter Bekannter innerhalb der Top 100. 2011, in der ersten Auflage der Zulieferer-Studie, lag Weichai Power zwar noch auf Platz 25, hat allerdings seither eine beeindruckende Entwicklung gezeigt, auch was die Transformation hin zu Themen der Elektromobilität angeht.“ Einige Unternehmen schlugen sich im Krisenjahr besser als andere, was vor allem auf die geographische Lage zurückzuführen ist. Zulieferer mit Sitz und / oder Abnehmern in Asien konnten von der früher wieder anziehenden Wirtschaft in diesen Ländern profitieren, was unter anderem Denso 2020 zur Silbermedaille verhalf.

CHINAS ZULIEFERER WACHSEN STETIG

2020 haben es elf chinesische Zulieferer in die Top 100 geschafft. Neben Weichai Power ist ein weiterer Motorenspezialist, AVIC Auto, aufgestiegen und hat sich in die Mitte der Liste auf Platz 53 vorgeschoben. China stellt außerdem verschiedene Hersteller in den Bereichen Interieur und Infotainment, etwa BHAP (Platz 28), Yanfeng (Platz 29), Joyson (Platz 37), China Fast Gear (Platz 75) und NBHX Group auf Platz 99. Mit Weichai Power, CATL und China Fast Gear kommen drei der fünf Umsatzgewinner 2020 aus China.

ELEKTROMOBILITÄT GIBT DIE RICHTUNG VOR

Die wachsende Bedeutung der Elektromobilität und weiterer Zukunftstechnologien sind zunehmend Grund für Zulieferer, ihre Strategien anzupassen. BorgWarner verspricht sich durch Akquisitionen, wie die von Delphi Technologies 2020, weiteres Wachstum und will zugleich mehr Entwicklungen im Elektro-Bereich realisieren. LG steigt aus dem Smartphone-Geschäft aus, um sich künftig auf die Wachstumsbereiche Bauteile für Elektrofahrzeuge, vernetzte Geräte und künstliche Intelligenz zu konzentrieren. Der deutsche Technologie-Zulieferer Infineon treibt seine Strategie zur Stärkung des Kerngeschäfts mit Halbleitern und der Erschließung neuer Wachstumsmärkte voran, was unter anderem zur Akquisition des Halbleiterherstellers Cypress im vergangenen Jahr führte.

Das Wachstum im Bereich Elektromobilität traf 2020 auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Automobilzulieferer hatten mit Umsatzrückgängen und Produktionspausen zu kämpfen und kamen zum Großteil um einen Stellenabbau nicht herum. Hersteller im Bereich Elektromobilität, etwa für Batterien oder Halbleiter, sind dagegen weiter auf Wachstumskurs. Hersteller wie CATL suchen derzeit verstärkt nach neuen Mitarbeitern. Und gerade bei Batterien sind europäische OEMs abhängig von asiatischen Herstellern wie CATL, Panasonic, BYD oder LG Chem. Deutschland wird voraussichtlich in den kommenden Jahren zum europäischen Batteriezentrum ausgebaut, um diese Abhängigkeit aufzulösen. Dabei laufen bereits verschiedene Kooperationen mit Batteriespezialisten, sowohl seitens OEMs als auch mit Zulieferern. Bis 2030 sollen in Deutschland bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen werden. Davon können auch deutsche Automobilzulieferer wie Dräxlmaier, Webasto oder Elring Klinger profitieren, die heute bereits als Lieferanten für Batterietechnologie auftreten.

EIN JAHRZEHNT TOP 100-AUTOMOBILZULIEFERER

Seit zehn Jahren betrachtet Berylls jährlich die Top 100 der weltweiten Automobilzulieferer. In dieser Zeit hat sich die geographische Verteilung der großen Zulieferer massiv verändert. Dabei gab es klare Verschiebungen in der Wichtigkeit von Zulieferern aus Deutschland, Japan und USA nach Asien. Asiatische Zulieferer (abgesehen von Japan) haben seit 2011 bei starkem Umsatzwachstum deutlich an Profitabilität eingebüßt, sind aber zunehmend in den Top-100 vertreten. Namentlich sind hier die chinesischen Unternehmen zu nennen, die sich in den letzten zehn Jahren von einem auf elf Top 100-Kandidaten gesteigert haben und inzwischen für rund 66 Milliarden Euro Gesamtumsatz stehen.

Zum Zeitpunkt der ersten Berylls-Zuliefererstudie, im Jahr 2011, war die Branche nach der vorangegangenen weltweiten Finanzwirtschaftskrise im Aufschwung. Seitdem konnten die Top 100 Zulieferer Jahr für Jahr ihre Umsätze steigern, von 2011 an (663 Milliarden Euro) bis 2019 (914 Milliarden Euro) um insgesamt 38 Prozent. Auch die Profitabilität der 100 größten Zulieferer verbesserte sich bis 2017 jedes Jahr, lag dabei von 2012 bis 2018 ständig über 7 Prozent. Dr. Jan Dannenberg relativiert die scheinbar durchweg positiven Zahlen: „2020 liegen die Top 100 mit Gesamtumsätzen von knapp Euro 800 Milliarden zwar immer noch 20 Prozent über dem Niveau von vor zehn Jahren. Die Profitabilität hingegen hat ein Allzeittief von lediglich etwa 3 Prozent erreicht – wenngleich im Jahr 2020 zu großen Teilen pandemiebedingt.“

Einige Kennzahlen verdeutlichen die enormen Entwicklungen, die sich innerhalb der zehn Jahre abgespielt haben. Die größten Umsatzgewinner seit 2011 sind ZF Friedrichshafen und Tenneco, die 2020 beide innerhalb der Top 15 zu finden sind. Bosch hat seit dem Jahr 2015 Continental auf Platz 1 abgelöst und verteidigt bislang jedes Jahr diese Position. 2011 bis 2014 lag dagegen Continental auf Platz 1, stets mit geringem Vorsprung vor Bosch. Im Zeitraum 2013 bis 2016 verzeichneten die Top 100-Unternehmen vier gänzlich verlustfreie Jahre.

In das Ranking der Top 100 Automobilzulieferer sind in den vergangenen zehn Jahren einige Unternehmen aufgestiegen, andere sind verschwunden. Ein Teil dieser Veränderungen geht auf M&A-Maßnahmen zurück. Konzerne wie Johnson Controls oder Honeywell haben ihre Automotive-Sektoren abgespalten. Zulieferer TRW, Delphi Technologies, Calsonic, Wabco oder der deutsche Klimaspezialist Behr sind übernommen worden. Den stetigen Umsatzsteigerungen der Top 100 konnten nicht alle Unternehmen folgen; fehlende Größe führte vielfach zum Ausstieg. Der Vergleich von 2020 zu 2011 zeigt die Diskrepanz, schafften es 2011 noch Unternehmen mit einem Jahresumsatz von Euro 1,6 Milliarden in das Ranking, waren dafür 2020 mindestens Euro 2,3 Milliarden nötig. Derartige Umsatzsteigerungen konnten etwa IAC, Rheinmetall Automotive oder Cooper Standard nicht erreichen. Abspaltungen von Unternehmensteilen haben im Laufe der Jahre aber auch zu Neuzugängen geführt, wodurch aktuelle Vertreter der Top 100 wie Aptiv, Adient, Clarios oder Garret Motion entstanden sind. Immer wieder haben es Zulieferer aber auch durch starkes Umsatzwachstum aus eigener Kraft in die Liste der Größten geschafft. Zu diesen Erfolgsunternehmen gehören beispielsweise Flex-N-Gate, der chinesische Batteriehersteller CATL, Piston Group sowie die deutschen Vertreter Aunde, Freudenberg und Infineon, die in der Regel aus dem Mittelstand stammen.