Pressemitteilung
ORGE UM DEUTSCHLAND UND DIE TRANSFORMATION
München, 06.07.2020 – Zum neunten Mal hat Berylls Strategy Advisors die 100 weltweit größten Automobilzulieferer im Rahmen der „Top 100-Zuliefererstudie“ untersucht. Zutritt zu diesem Club erhalten im Jahr 2019 Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 2,7 Milliarden Euro. Mit 918 Milliarden Euro steigt ihr Gesamtumsatz auf ein weiteres Rekordhoch, bei gleichzeitig rückläufiger Profitabilität. Mit 6,0 Prozent schrumpfte die Marge erneut und stärker als im Vorjahr. Neben Deutschland mussten Zulieferer auch aus Amerika leichte Umsatzeinbußen hinnehmen (-0,5 Prozent und -0,3 Prozent). Demgegenüber gewannen China und Südkorea kräftig hinzu. Die Unternehmen im asiatischen Raum verbuchen ein Plus von 15,3 Prozent und das bei fast gleichbleibender Gewinnmarge von 5,5 Prozent (-0,1 Prozentpunkte zum Vorjahr). Japan und USA verbesserten ihren Umsatz leicht, mit +2,8 Prozent und +2,6 Prozent, verloren aber bei den Margen -1,3 Prozentpunkte und -1,1 Prozentpunkte. Außerhalb Deutschlands verbesserten die europäischen Zulieferer ihre Ergebnisse, sie gewinnen 2019 8,9 Prozent beim Umsatz und sogar 0,2 Prozentpunkte bei ihrer Profitabilität. Der Ausblick auf 2020 lässt dennoch nichts Gutes erwarten, die Transformation und aktuelle COVID-19 Krise werfen bereits tiefschwarze Schatten auf das aktuelle Jahr.
Bosch verteidigt im sechsten Jahr in Folge den ersten Platz in der weltweiten Aufstellung der 100 größten Automobilzulieferer. Zwei weitere deutsche Unternehmen liegen auf den Plätzen 3 (Continental) und 4 (ZF Friedrichshafen). Magna wurde von ZF auf Platz 5 verwiesen, Continental hat den zweiten Platz aus dem Vorjahr an Denso abgegeben. Die Konkurrenten Michelin und Bridgestone haben 2020 nach mehreren Jahren mit sehr ähnlichen Zahlen nun die Plätze getauscht und liegen aktuell auf den Plätzen 8 und 9. Platz 10 belegt mit Weichai Power erstmals ein chinesischer Zulieferer. Berylls Partner und Zuliefererexperte Dr. Jan Dannenberg: „Die Performance des Motorenspezialisten überrascht nur auf den ersten Blick. Sie war zwar selbst im schwierigen Jahr 2020 so gut, dass WeichaiPower zu den ganz wenigen Umsatzgewinnern zählt, was nicht zuletzt auf dessen M&A-Aktivitäten zurückzuführen ist. Tatsächlich ist der chinesische Konzern aber ein guter Bekannter innerhalb der Top 100. 2011, in der ersten Auflage der Zulieferer-Studie, lag Weichai Power zwar noch auf Platz 25, hat allerdings seither eine beeindruckende Entwicklung gezeigt, auch was die Transformation hin zu Themen der Elektromobilität angeht.“ Einige Unternehmen schlugen sich im Krisenjahr besser als andere, was vor allem auf die geographische Lage zurückzuführen ist. Zulieferer mit Sitz und / oder Abnehmern in Asien konnten von der früher wieder anziehenden Wirtschaft in diesen Ländern profitieren, was unter anderem Denso 2020 zur Silbermedaille verhalf.
Innerhalb der Top 10 der global größten Zulieferer bleibt trotz des schwierigen Marktumfeldes alles beim Alten, das 2019er-Ranking gleicht dem des Vorjahres. Bosch, Continental und Denso führen das Feld mit einigem Abstand vor Magna, ZF Friedrichshafen und Aisin an. Nach Hyundai Mobis konnte Bridgestone sich knapp vor Michelin behaupten und trägt die Reifenkrone. Valeo komplettiert die Top 10. Im Jahr 2020 könnten sich aber einige Überraschungen ergeben. Die Transformation rund um CASE (Connected, Autonomous, Shared, Electric) hat im Jahr 2019 deutlich an Fahrt aufgenommen, der strukturelle Wandel ist in vollem Gange. Der viel besagte Wendepunkt von alter zu neuer automobiler Welt scheint zumindest in den Köpfen der Top-Manager zahlreicher Zulieferer angekommen zu sein. Neben Investitionen in die Zukunftstechnologien werden Unternehmens-Carve-outs und die Abwicklung von traditionellen Unternehmensteilen und Technologien vorangetrieben. Allein bei den fünf großen deutschen Automobilzulieferern Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen, Mahle und Schaeffler wurden in den vergangenen drei Jahren über 40 Start-ups und Tech-Unternehmen übernommen oder mit Risikokapital ausgestattet.
Die damit erworbenen Kompetenzfelder wirken wie eine CASE-Checkliste zur Zukunftssicherung der Automobilindustrie. Vehement wollen sich die großen Automobilzulieferkonzerne vom Mittelfeld und Marktbegleitern absetzen. Die Chancen der kleineren oder mittelständisch geprägten Konkurrenz, den Rückstand bei zentralen Innovationsfeldern aufzuholen, schwinden. Neue Systemkompetenz und Wertschöpfungstiefe bei Hightech-Komponenten, Software-Entwicklungskompetenz, global verteilte Entwicklungszentren, um auf Augenhöhe mit Technologieschmieden wie Samsung, Apple, Microsoft oder den Premium-OEMs zu kooperieren, sind der Anspruch, dem nur Spitzenplayer der Top 100 gerecht werden können.
Der Blick nach Südkorea zeigt neben positiven Währungseffekten ein starkes Wachstum fast aller südkoreanischen Vertreter in der Top 100 auf. Allen voran Hanon durch den Kauf des Geschäftsbereichs Fluid Pressure & Controls von Magna aber auch LG Electronics und Hyundai Mobis katapultierten sich unter die wachstumsstärksten Firmen des gesamten Feldes. Umsatzgewinner in China ist das Unternehmen CATL, das nach 2018 ein weiteres Highlight setzen und seinen extremen Wachstumskurs fortsetzen konnte (+55 Prozent Umsatz, +25 Plätze, jetzt Rang 43). Am Ende des Jahres 2019 stellt CATL mit 50 Prozent der gesamten chinesischen Batteriezellenkapazitäten einen neuen Rekord auf. Neben den mittlerweile sechs Vertretern in den Top 100, stehen weitere chinesische Automobilzulieferer mit ihrem Wachstumskurs vor dem Sprung in das Ranking.
Die sich abkühlende Konjunktur und gestiegenen Investitionen für CASE drücken die Margen. 77 Prozent der Top 100 (56 von 73) mussten Gewinneinbußen im Jahr 2019 hinnehmen. Im Jahr 2018 waren es lediglich 68 Prozent (48 von 71). Bedenklich ist zudem der stärkere Rückgang der Gewinnmarge (EBIT bzw. Operating Profit). Lag der Rückgang im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr noch bei 1,2 Prozentpunkten, stürzt er in 2019 um weitere 1,5 Prozentpunkte im Jahresvergleich ab. Einzelne Unternehmen, wie beispielsweise Continental, Panasonic oder American Axle, verloren im Vergleich zu 2018 zwischen 5 bis 10 Prozentpunkten an Profitabilität. Mit Blick auf die deutschen Top-3 war es für Continental ein wahres „Seuchenjahr“, das mit Stagnation beim Umsatz und Verlusten beendet wurde. Die Bosch-Gruppe hielt zwar annähernd ihren Umsatz, verlor aber auf Gruppenebene -43 Prozent ihres Ergebnisses. Ein Großteil der Einbußen stammt dabei aus dem Automotivegeschäft, heißt es aus Firmenkreisen. Diese Zahlen stehen exemplarisch für 2019 und für die Folgen des Wandels. Vor allem vor dem Hintergrund, dass beide Unternehmen 2018 noch über sieben Milliarden EBIT erwirtschafteten.
Die Zulieferbranche steckt tief im Wandel und passt sich an. Die Abspaltung der Antriebssparte von Continental als Vitesco, die Reorganisation der Automobiltätigkeiten von Thyssen Krupp, die geplante Übernahme von Delphi Technologies durch Borg Warner, der Kauf von Federal Mogul durch Tenneco, die lange Übernahmeschlacht bei Wabco zwischen ZF Friedrichshafen und Knorr-Bremse, die Aufspaltung von Johnson Controls mit anschließender Auflösung, beherrschten die Schlagzeilen in 2019 und sind ein Vorgeschmack, wie es weiter gehen wird. Blickt man auf die Neuinvestitionen, herrscht die Erkenntnis vor, dass Automobilhersteller und Lieferanten in den CASE Technologien nur über Kooperationen ihr Ziel erreichen können. Weiterhin anhaltende politische und gesellschaftliche Probleme verzögern aber einen schnellen Wandel und die Monetarisierung neuer Technologien, wie beispielsweise von Connectivity-Diensten oder im Bereich der Cybersecurity. Nimmt man den strukturellen Wandel und die nach wie vor unsichere Zukunftsfähigkeit vieler neuer Geschäftsmodelle, ist das Altgeschäft teils fragil geworden, das Neugeschäft dagegen noch nicht tragfähig. Es benötigt viel Fingerspitzengefühl und Geschick, um einen klaren Plan zu fassen, der durch die Transformation (und Krise) führt, um damit dem Worst-Case Szenario einer Insolvenz zu entgehen. Die globale Finanzkrise aus dem Jahr 2008/2009 zeigte mit dem Faktor 4-5 an Insolvenzen, welchen Effekt die jetzt eingetretene Konjunkturflaute haben kann. „Ein Zulieferersterben in ähnlicher Größe könnte sich mittelfristig rächen, wenn die eigentliche Transformation auf der Strecke bleibt. OEMs müssen sicherstellen, dass ihre hochkomplexen Lieferketten stabil bleiben und Zulieferer ihre Transformation in geordneten Bahnen fortführen können. Es braucht einen langen Atem, um neben den Investitionen für CASE die Lieferketten zu stützen und ebenfalls auf die Welt nach der Krise vorzubereiten (Stichwort Glokalisierung)“, so Dr. Jan Dannenberg, Partner bei Berylls Strategy Advisors. Das alles mit dem Ziel einen besseren Hochlauf aus der Krise als 2009 zu orchestrieren. „Der strukturelle Wandel darf nicht aufgehalten werden und eine Marktbereinigung von „Zombiefirmen“ muss möglich sein. Das gemeinsame strategische Geschick aller Beteiligten – ob Zulieferer, OEMs, Banken, Private- Equity-Firmen und Politik –, die Automobilindustrie zu transformieren, wird entscheiden, wie der Zieleinlauf aussieht“, so Dannenberg weiter.
Das Jahr 2020 wird hart. Ein Anstieg an Insolvenzen ist bereits absehbar und es könnte auch Unternehmen der Top 100 treffen. Bei möglichen Umsatzeinbrüchen von -20 bis -25 Prozent verbleibt der Industrie nur noch ein Bruchteil der Gewinne. Bis zu 90 Prozent der Top 100 könnten in die Verlustzone rutschen, einzig chinesische Zulieferer liegen noch auf einem Wachstumspfad und so könnten im Jahr 2020 aus den bisher sechs Zulieferern vermutlich zehn Teilnehmer aus dem Land der Mitte stammen.
Bereits 2019 wurden große Sparprogramme seitens OEMs an die Zuliefererindustrie herangetragen – Daimler mit -1,5 Milliarden Euro, BMW mit -12 Milliarden Euro bis zum Jahr 2022 durch das Programm „Performance Next“ und die Marke VW mit -15 Milliarden Euro bis zum Jahr 2023. Erfahrungsgemäß begann man also altbekannte Maßnahmen umzusetzen: Fertigungskapazitäten anpassen, Gemeinkosten reduzieren, Working Capital optimieren, Fremdkapitalgeber beruhigen. Doch die Risiken sind durch Corona noch einmal deutlich gestiegen und weitere, tiefgreifende Veränderungen unumgänglich.
Die zukünftige Entwicklung der Automobilindustrie, im Fokus liegen hier Produktionsstückzahlen und Fahrzeugklassen oder -segmente und -antriebe, ist nach wie vor mit großen Unsicherheiten verbunden. Jeder Automobilzulieferer muss daher bereit sein, starke strukturelle Veränderungen in Kauf zu nehmen. Erfolgsfaktoren für eine intelligente Restrukturierung in 2020/21 sind dabei entscheidend.
1) Prozesssicherheit: Die Restrukturierung muss nachhaltig und pragmatisch umgesetzt werden, alle Stellhebel müssen verzahnt und Krisenursachen schnell identifiziert und abgestellt werden.
2) Restrukturierungsexpertise: Eigene Erfahrung und Ressourcen müssen um externe Expertise ergänzt werden. Erfahrung, Wissen und Netzwerkkompetenz zu allen Unternehmensfunktionen ist dabei essenziell.
3) Mobilitäts-Know-how: Neben der Industrieexpertise braucht es Ideen, wie es besser geht. Benchmarks zu Kosten, Ertragskraft, Finanzstrukturen etc. helfen, schnell die richtigen Einsparmöglichkeiten oder Strukturen zu identifizieren.
4) Stakeholder- Verständnis: Was wichtig für eine Bank ist, muss noch lange nicht wichtig für den OEM sein. Der Automobilzulieferer muss aber gerade in der Krise jedem gerecht werden.
Berylls untersucht mit seinen Kunden der Zulieferindustrie knapp 30 Stellhebel aus sechs Kategorien in einem 360° Performance Improvement Ansatz, um individuell Krisenursachen in kürzester Zeit zu identifizieren und intelligente Resturkturierungsprogramme mit seinen Kunden aufzusetzen. „Denn wenn die anstehenden Aufgaben jetzt ganzheitlich und intelligent angegangen werden, können Zulieferer die Herausforderungen meistern und gestärkt aus der Krise hervorgehen“, so Michael Beckmann, Principal bei Berylls Strategy Advisors.
Vergangene Jahre
ie Zeichen stehen auf Sturm - Der Ausblick auf das Jahr 2020 war Ende 2019 bereits wenig verheißungsvoll. Trotz einer grundlegend positiven Perspektive auf die Mobilitätsindustrie, schienen sich die Unsicherheiten aus den Jahren 2018 und 2019 fortzusetzen. Der strukturelle Wandel sowie Kaufzurückhaltung und Stagnation beim Fahrzeugabsatz waren Vorboten für das Ende einer wachstumsstarken Dekade.
Das Jahr 2019 zeigte auch, dass der strukturelle Wandel nicht schnell von statten gehen würde, sondern Schritt für Schritt: die Fusion von Magneti Marelli und Calsonic, die Unternehmensausgründung von Vitesco durch Continental, die Übernahme von Federal Mogul durch Tenneco, alles Zeichen für eine beharrliche, kontinuierliche Transformation der Automobilindustrie und seiner Zulieferer. Der deutsche M&A Markt hatte sich in 2019 kaum abgekühlt mit 293 Transaktionen im Vergleich zu 295 Transaktionen im Vorjahr. Doch die Banken schauten bereits mit Sorge auf ihr Kredite an die Automobilindustrie im Hinblick auf das schwierige Marktumfeld. Trotz billigen Geldes und Null-Zins-Politik, wehte bereits ein eisiger Wind bei der Finanzierung von klassischen Automobilunternehmen. Neue Technologien bleiben riskant aufgrund der unklaren Markt-/ Rechtslage sowie hinkender Monetarisierung und Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen im Erprobungsmodus und traditionelles Geschäft scheint ein immer näher rückendes Verfallsdatum zu haben. Nach der langen Wachstumsphase wuchs der Druck in Richtung Wandel stark an, entsprechende Investitionen und Strategiewechsel wurden in der Zulieferbranche angeschoben. Es hat ein wenig gedauert, bis sich OEMs und Zulieferer eingestanden haben, in den CASE-Technologien nur über Kooperationen ihr Ziel erreichen zu können, da die Investitionen zu mächtig sind, um sie alleine stemmen zu können. Gleichzeitig verunsicherten aber politische und gesellschaftliche Probleme die Märkte, und ein schneller Wandel und Monetarisierung neuer Technologien, wie beispielsweise Connectivity Dienste und Cybersecurity, blieb bisher aus. Blickt man auf die Gewinnentwicklung der letzten Jahre (-1,5 Prozentpunkte 2019 gegenüber 2018 für die größten 100 Zulieferer), so sieht man, dass es im unteren Drittel der Zulieferindustrie bereits zahlreiche Unternehmen gab, die schon vor Coronakrise in die Verlustzone gerutscht waren. Das allein wäre kurzzeitig verkraftbar, aber durch den strukturellen Wandel stellt sich die Frage, ob die Zukunftsfähigkeit vieler Geschäftsmodelle tragfähig sein wird. Wenn Altgeschäft wackelt und das Neugeschäft noch nicht greift, entsteht ein Spannungsfeld, in dem alle Stakeholder viel Fingerspitzengefühl und Geschick benötigen, um einen klaren Plan aus der Krise zu verabschieden, um einer Insolvenz zu entgehen.
Schaut man sich historisch die Entwicklung von Insolvenzen im Automobilbereich im deutschsprachigen Raum an, so liegt die Zahl der Insolvenzen seit 2010 bei jährlich zirka 20 (±10) Unternehmen. Die globale Finanzkrise aus dem Jahr 2008/2009 zeigt allerdings, dass mit über 80 Insolvenzen im Jahr 2009 diese Zahl in einer Konjunkturkrise stark ansteigen kann. Jeder Prozentpunkt an negativer Entwicklung im Bruttoinlandsprodukt (BIP) führt zu einer Vervielfachung der Anzahl an Insolvenzen. Im Jahr 2009 fielen die BIPs bedeutender Automobilmärkte zwischen -2% bis -6% (zum Beispiel in Deutschland, Japan, Großbritannien oder den USA), wohingegen China mit zirka +9 Prozent stark wachsen konnte. Beim Fahrzeugabsatz im Jahr 2009 waren Großbritannien und die USA besonders betroffen mit ca. -10 Prozent bis -20 Prozent Absatzrückgang. Durch die Umweltprämie konnte Deutschland im Jahr 2009 zwar ein Absatzplus von zirka +20 Prozent zu 2008 generieren und so einer tiefen Krise vorbeugen, allerdings sank das Volumen im Jahr 2010 deutlich unter das Vorkrisenniveau (-6% zu 2008) und erreichte erst 2011 wieder vergleichbare Größen. Das Zahlenwerk soll ein Gefühl schaffen, in welche Richtung sich die COVID-19 Konjunkturkrise bewegen wird.
Die aktuelle Lage zeigt, dass sowohl bei den BIP Prognosen, als auch Absatzprognosen ein ähnliches Bild entsteht. Der IWF prognostizierte im April für 2020 BIP Einbußen von -6 Prozent für die USA, -7 Prozent für Deutschland, Großbritannien und Frankreich, -5 Prozent für Japan und +1,2 Prozent für China. Stellt man die zahlreichen Glaskugeln der Automobilpropheten zu den Absatzprognosen für 2020 in eine Reihe und wagt den Blick in eine ungewisse Zukunft, so ergibt sich ein Korridor von -20 Prozent bis -25 Prozent für den globalen PKW-Markt. Pessimistische Szenarien malen sogar ein noch düstereres Bild.
Berylls prognostiziert trotz Stützungsmaßnahmen für die DACH Region eine Versechsfachung der durchschnittlichen Insolvenzzahlen im Zeitraum März 2020 bis Mitte 2021. Daraus ergeben sich insgesamt zirka 120 Automobilunternehmen, die vermutlich in die Insolvenz schlittern werden. Laut den Berylls Prognosen können dadurch bis zu 100.000 Arbeitsplätze betroffen sein! Da die automobile Welt im Jahr 2009 noch eine andere war, wird es nach dem Jahr 2020 schwerer fallen, eine ähnlich geartete Erfolgsgeschichte des Wiederaufschwungs zu realisieren. Vielmehr könnte COVID-19 als Brandbeschleuniger des strukturellen Wandels im deutschsprachigen/ europäischen Zuliefererumfeld wirken und die Insolvenzen sogar noch über eine Schwelle von 120 Firmenpleiten treiben. Die strukturellen Schäden dieses Insolvenz-Tsunamis wären größer und der Aufbau neuer Strukturen würde deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, was die Erholungsphase in die Länge ziehen würde. Fraglich ist auch, inwiefern die Banken nach einer schmerzlichen Verringerung ihrer Kredite an Automobilzulieferer schnell wieder bereit sind, Gelder für den Aufbau neuer Mobilitätsfelder in die Hand zu nehmen. Gleiches gilt mit Blick auf Private Equity Unternehmen, die aktuell in anderen Industrien bessere Chancen für ambitionierte Renditeerwartungen sehen. Eine Rettung durch Investoren und M&A Tätigkeiten erscheint schwierig, zu hoch sind zum einen die Verkaufspreise in den letzten Jahren geklettert und zum anderen die Ängste vieler Finanzinvestoren, sich in später unverkäufliche Gefilde vorzuwagen oder die hohen Renditeerwartungen an den Fond nicht bedienen zu können. Strategen werden sehr vorsichtig agieren, aktuell eher ihr Geld zusammenhalten und auf etwas bessere Zeiten warten, um strategische Zukäufe zu tätigen. Für Übernahmen aus der Insolvenz dagegen werden sich Strategen finden, die bereits seit einiger Zeit Wunschlisten für eine potenzielle Ergänzung ihres eigenen Portfolios haben. Somit könnten die Folgejahre weitere Insolvenzen nach sich ziehen, die deutlich über der Marke von 20 pro Jahr liegen und die Konsolidierung beschleunigen. In Umsatz ausgedrückt stehen aktuell zirka Euro 12 Milliarden auf dem Spiel, die allein dieses Jahr durch Insolvenzen von Zulieferern in Bedrängnis geraten. Verlässliche Aussagen über das tatsächliche Ausmaß werden sich erst in dritten und vierten Quartal ableiten lassen, wenn die Zahl namhafter Insolvenzen besser beziffert und beschrieben werden kann. Bereits aktuell gibt es namhafte Beispiele: Veritas, DGH Druckguss Heidenau oder Finoba.
Die aktuelle Lage zeigt, dass sowohl bei den BIP Prognosen, als auch Absatzprognosen ein ähnliches Bild entsteht. Der IWF prognostizierte im April für 2020 BIP Einbußen von -6 Prozent für die USA, -7 Prozent für Deutschland, Großbritannien und Frankreich, -5 Prozent für Japan und +1,2 Prozent für China. Stellt man die zahlreichen Glaskugeln der Automobilpropheten zu den Absatzprognosen für 2020 in eine Reihe und wagt den Blick in eine ungewisse Zukunft, so ergibt sich ein Korridor von -20 Prozent bis -25 Prozent für den globalen PKW-Markt. Pessimistische Szenarien malen sogar ein noch düstereres Bild.
Berylls prognostiziert trotz Stützungsmaßnahmen für die DACH Region eine Versechsfachung der durchschnittlichen Insolvenzzahlen im Zeitraum März 2020 bis Mitte 2021. Daraus ergeben sich insgesamt zirka 120 Automobilunternehmen, die vermutlich in die Insolvenz schlittern werden. Laut den Berylls Prognosen können dadurch bis zu 100.000 Arbeitsplätze betroffen sein! Da die automobile Welt im Jahr 2009 noch eine andere war, wird es nach dem Jahr 2020 schwerer fallen, eine ähnlich geartete Erfolgsgeschichte des Wiederaufschwungs zu realisieren. Vielmehr könnte COVID-19 als Brandbeschleuniger des strukturellen Wandels im deutschsprachigen/ europäischen Zuliefererumfeld wirken und die Insolvenzen sogar noch über eine Schwelle von 120 Firmenpleiten treiben. Die strukturellen Schäden dieses Insolvenz-Tsunamis wären größer und der Aufbau neuer Strukturen würde deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, was die Erholungsphase in die Länge ziehen würde. Fraglich ist auch, inwiefern die Banken nach einer schmerzlichen Verringerung ihrer Kredite an Automobilzulieferer schnell wieder bereit sind, Gelder für den Aufbau neuer Mobilitätsfelder in die Hand zu nehmen. Gleiches gilt mit Blick auf Private Equity Unternehmen, die aktuell in anderen Industrien bessere Chancen für ambitionierte Renditeerwartungen sehen. Eine Rettung durch Investoren und M&A Tätigkeiten erscheint schwierig, zu hoch sind zum einen die Verkaufspreise in den letzten Jahren geklettert und zum anderen die Ängste vieler Finanzinvestoren, sich in später unverkäufliche Gefilde vorzuwagen oder die hohen Renditeerwartungen an den Fond nicht bedienen zu können. Strategen werden sehr vorsichtig agieren, aktuell eher ihr Geld zusammenhalten und auf etwas bessere Zeiten warten, um strategische Zukäufe zu tätigen. Für Übernahmen aus der Insolvenz dagegen werden sich Strategen finden, die bereits seit einiger Zeit Wunschlisten für eine potenzielle Ergänzung ihres eigenen Portfolios haben. Somit könnten die Folgejahre weitere Insolvenzen nach sich ziehen, die deutlich über der Marke von 20 pro Jahr liegen und die Konsolidierung beschleunigen. In Umsatz ausgedrückt stehen aktuell zirka Euro 12 Milliarden auf dem Spiel, die allein dieses Jahr durch Insolvenzen von Zulieferern in Bedrängnis geraten. Verlässliche Aussagen über das tatsächliche Ausmaß werden sich erst in dritten und vierten Quartal ableiten lassen, wenn die Zahl namhafter Insolvenzen besser beziffert und beschrieben werden kann. Bereits aktuell gibt es namhafte Beispiele: Veritas, DGH Druckguss Heidenau oder Finoba.
Eine Bereinigung des Marktes wird passieren, sie muss mit Augenmaß gesteuert und am richtigen Punkt gestützt werden. Sonst kämen neben den Investitionen für CASE weitere Investitionen zum Wiederaufbau der Lieferkette hinzu, in ähnlicher Größenordnung. Liquidität zu sichern ist aktuell die oberste Priorität, vor allem da viele Automobilzulieferer in der Lieferkette systemrelevant sind. Das alleine ist eine Mammutaufgabe für die Industrie, die alleine nicht ausreichen wird. Ideen für Neues müssen her, z.B. die angesprochene Transparenz für die Steuerung des Hochlauf auf Basis der Nachfrage.
Zusätzlich wird eine Mischung aus Kaufanreizen zur Unterstützung für die Industrie inklusive Nachhaltigkeits- und Umweltanforderungen durch Hybride, BEVs oder FCEVs benötigt. Trotzdem darf es keine Verschleierung struktureller Probleme geben, kurzfristige Kaufanreize dürfen nicht mittelfristig wieder zu Überkapazitäten und einem falschen Fahrzeugportfolio entgegen langfristiger Klimaziele führen.
Wenn es um einen Rettungsfonds für Zulieferer geht, dann mit klaren Kriterien für Systemrelevanz und Fortführung des strukturellen Wandels und einer klaren Steuerungsinstanz für ein solches Vehikel und vereinbar mit der Marktbereinigung von „Zombiefirmen“.
Die Setzung dieser Parameter wird definieren, ob wir eine noch höhere Anzahl Insolvenzen sehen werden oder nicht. Es muss Möglichkeiten geben für alle Beteiligten (Zulieferer, Banken/PEs, OEMs, Politik…), den eingeleiteten Wandel fortzusetzen, um die Automobilindustrie zu transformieren, anstatt sie neu zu erfinden. Starker Wellengang scheint unvermeidlich aber die Überlagerung der Wellen zu einem Insolvenz-Tsunami muss verhindert werden.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
Vergangene Jahre
ondersituation COVID-19 - Noch nie ist eine globale Krise in einer solchen Geschwindigkeit und mit einer solchen Wucht auf die Automobilindustrie getroffen.
Binnen weniger Wochen sind große Teile der Automobilproduktion zum Erliegen gekommen, mit schwerwiegenden Folgen: Auseinanderbrechen der Lieferketten, Anmeldung von Kurzarbeit, temporäre Werksschließungen, Freisetzen von temporärem Personal. Schnelle Ausgabenkontrolle gepaart mit der Sicherstellung der Gesundheit von Mitarbeitern waren die ersten Schritte, die jeder Zulieferer umgesetzt hat. Mit drei Monaten Erfahrung in der Corona-Krise beginnt nun wieder der Anlauf und die Herausforderung, welches Szenario für den Hochlauf und die Prognose die richtige ist.
Fast jedem Zulieferer ist klar, dass Corona mit einer Zäsur im Unternehmen einhergehen wird. Schon vor dem Corona-Lock-Down mussten die Unternehmen auf die Kostenbremse treten. Die Einsparwellen der OEMs , so zum Beispiel Daimler mit Euro -1,5 Milliarde (November 2019), BMW mit Euro -12 Milliarden bis zum Jahr 2022 (März 2020) durch „Performance Next“ oder die Marke VW mit Euro -15 Milliarden bis zum Jahr 2023 (März 2019), gingen einher mit Forderungen an die Zulieferer, die Preise nochmals zu senken. In der aktuellen Situation werden die bekannten Maßnahmen ergriffen: Anpassung der Kapazitäten in der Fertigung, selektive Entlassungen in den Gemeinkostenfunktionen, Optimierung des Working Capitals, Beruhigung der Fremdkapitalgeber, … und hoffen, dass der Aufschwung schnell und deutlich ausfallen wird. Daran ist per-se nichts auszusetzen, waren doch diese Restrukturierungsprojekte und schlanke, auf Effizienz ausgerichtete Geschäftsmodelle in der Vergangenheit immer wieder der Garant für das Fortbestehen und den Erfolg der Unternehmen. Doch die Risiken sind in und werden nach Corona deutlich steigen.
CASE Investitionen müssen fortgesetzt werden, um den Anschluss an die Transformation der Zulieferindustrie zu halten – die Amortisation dieser Ausgaben verschiebt sich nach hinten und wird dadurch noch unsicherer. Die zukünftige Entwicklung der Automobilindustrie, insbesondere was Produktionsstückzahlen und Fahrzeugklassen oder -segmente, -antriebe angeht, ist unvorhersehbar – Stichwort: VUCA (Volatility = Schwankungen, Uncertainty = Unsicherheit, Complexity = Komplexität, Ambiguity=Mehrdeutigkeit). Die Absicherung der Supply Chain bei JIT-/JIS-Lieferung ist kaum zu bewerkstelligen, während manche Werke plötzlich leer stehen, schaffen andere die Ausbringung und den Hochlauf nicht. Die Folge: aus einer Operations- und Ergebniskrise wird ganz schnell eine Finanz- und Liquiditätskrise. Gesellschafter, Gläubiger und Banken erwarten dann mehr als die üblichen Optimierungen. Zudem werden diese bei weitem nicht ausreichen; denn die Anpassungen und Restrukturierungserfordernisse werden in den kommenden zwei Jahren erheblicher, fundamentaler und tiefgreifender sein als in den vergangenen 30 Jahren. Jeder Automobilzulieferer muss dabei bereit sein, starke strukturelle Restrukturierungen in Kauf zu nehmen.
Die richtigen Erfolgsfaktoren für eine intelligente Restrukturierung sind dabei entscheidend. Erstens, Prozesssicherheit: Die Restrukturierung muss nachhaltig und pragmatisch umgesetzt werden. Vor allem gilt es eine ganzheitliche Lösung zu finden, die alle Stellhebel verzahnt und schnell die Krisenursachen identifiziert und abstellt. Zweiten, Restrukturierungsexpertise: neben einem eigenen, internen Team muss zwingend auf externe Restrukturierungsexpertise zurückgegriffen werden. Erfahrung, Wissen und Netzwerkkompetenz zu allen Unternehmensfunktionen ist dabei essenziell. Zudem sorgt eine gewisse emotionale Distanz der Restrukturierer auch dafür, dass die Unternehmenskultur keinen Schaden nimmt. Drittens, Mobilitäts-Know-how: damit ist neben der Kenntnis über die Automobilindustrie vor allem das Wissen entscheidend, wie es besser geht. Benchmarks von den besten Playern der Branche in Sachen Kosten, Ertragskraft, Finanzstrukturen, etc. helfen, schnell die richtigen Einsparmöglichkeiten oder Strukturen zu identifizieren. Und viertens, Stakeholder-Verständnis: was wichtig für eine Bank ist, muss noch lange nicht wichtig für den OEM sein. Und trotzdem muss der Automobilzulieferer gerade in der Krise jedem gerecht werden.
Berylls hat knapp 30 Stellhebel aus sechs Kategorien identifiziert, die im Rahmen intelligenter Restrukturierungsprogramme untersucht und im Falle von Problemen genutzt werden müssen, um die Unternehmenskrise zielgerichtet und schnell anzugehen und zu lösen. Allein die Kosten zu reduzieren, reicht dabei nicht aus. Jede Krise eines Unternehmens ist individuell. Während bei einem Zulieferer vor allem die Finanz- und Schuldenstruktur problematisch ist, kann beim nächsten die Position bei den Kunden die Hauptursache sein. Die Identifikation der Krisenursachen sollte einerseits entlang der Dimensionen Strategie, Governance, Operations, Overhead, Finanzierung und Transparenz erfolgen, andererseits muss bei der Krisenbewältigung garantiert sein, dass eine verzahnte und ganzheitliche Lösung der einzelnen Stellhebel gelingt. Auch müssen Liquiditätskrisen mit einer anderen Dynamik und oft pragmatischer bearbeitet werden als eine Strategiekrise. Das erfordert nicht nur viel Erfahrung im Prozess des Krisenmanagements und der Sanierung, sondern auch fundierte Kenntnisse, welche Lösungen spezifisch für die Automobilindustrie tragfähig sind. Wer die Restrukturierung auf diese intelligente, ganzheitliche Weise angeht, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
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MSATZ ÜBERTRUMPFT VORJAHRESREKORD, PROFITABILITÄT RÜCKLÄUFIG.
München, 03.06.2019 – Bereits zum achten Mal hat Berylls Strategy Advisors die 100 weltweit größten Automobilzulieferer im Rahmen der Top 100-Zuliefererstudie untersucht. Die Veränderungen im Ranking sind gravierend, die anhaltende Transformation der Industrie zeigt im letzten Jahr große Wirkung Der Vorjahresrekord von 827 Milliarden Euro wird von den 889 Milliarden Euro Umsatz 2018 deutlich in den Schatten gestellt, allerdings zu Lasten der Profitabilität. Zwar können die 17 deutschen Zulieferer in der Profitabilität mit 8,5 Prozent EBIT/Operating Income überzeugen, in Bezug auf den Umsatz steigen sie jedoch um durchschnittlich zwei Plätze im Ranking ab. Die Chinesen kennen dagegen nur eine Richtung: aufwärts. Sechs statt vier Unternehmen im Ranking, 31,5 Prozent durchschnittliche Wachstumsrate, 8,7 Prozent EBIT / Operating Income und eine gemittelte Verbesserung um 12 Plätze lassen sie zu den Aufsteigern des Jahres werden. Die 19 amerikanischen Zulieferer dürfen 2018 ebenfalls als Erfolgsjahr verbuchen, so wie auch die japanischen Unternehmen, die mit 28 Vertretern im Ranking erneut die größte Gruppe darstellen. Ganz anders sieht es für die koreanischen Zulieferer aus, die nach 2017 auch 2018 mit schwachen Umsätzen und zusätzlich niedriger Profitabilität zu kämpfen haben. Erneut erschweren ihnen starke Währungskurseffekte einen Teil des Geschäfts.
Die Plätze eins bis drei scheinen wie festzementiert. Ungefährdet liegt Bosch mit 47,6 Milliarden Euro Umsatz (Unternehmensbereich Mobility Solutions) auf Platz eins der Berylls Top 100-Zuliefererstudie 2018, gefolgt von Continental (44,4 Milliarden Euro) und dem japanischen Zulieferer Denso (umgerechnet 42,6 Milliarden Euro). Seit 2016 ist das Podium damit in festen Händen. Wie schon 2017 gibt es dagegen um Platz vier einen Kampf zwischen Magna (35,6 Milliarden Euro) und ZF (34,0 Milliarden Euro), den 2018 Magna für sich entscheiden kann. Der Wechsel an dieser Position ist der Einzige unter den Top 15.
Beherrschendes Thema im Jahr 2018 waren die Unsicherheiten am Markt, hervorgerufen durch eine Abkühlung der chinesischen Konjunktur, durch eine sprunghafte US-Handelspolitik und durch das Hin und Her in den Brexit-Verhandlungen. Dennoch hat das Wachstum kräftig Fahrt aufgenommen. Verbesserte sich der Gesamtumsatz der Top 100 von 2016 auf 2017 lediglich um 1,1 Prozent, so stieg er von 2017 auf 2018 um beachtliche 7,6 Prozent. Am Ende steht ein neuer Rekordumsatz von 889,2 Milliarden Euro für die Top 100. Ganz ohne Bremsspuren ist das Jahr 2018 an der Zuliefererindustrie allerdings nicht vorbeigegangen: Unter anderem führten hohe Investitionen in Zukunftstechnologien, steigende Personalkosten an ehemaligen „Billigstandorten“ und in einigen Bereichen stark steigende Rohstoffpreise zu einer rückläufigen Profitabilität. EBIT oder Operating Income verschlechtern sich im Schnitt um einen Prozentpunkt auf nur noch 7,7 Prozent. Wechselkurseffekte beeinflussen wie schon im Vorjahr das Bild: Während sich 2017 die Aufwertung des Euro negativ auf alle Unternehmen außerhalb der Eurozone auswirkte, schlug der Effekt 2018 um: Währungskurseffekte wirkten sich besonders für die japanischen und amerikanischen Unternehmen in dem in Euro ausgewiesenen Ranking positiv aus.
Das M&A-Karussell dreht sich immer schneller, die Konsolidierung der Branche nimmt weiter an Dynamik zu und sorgt in den Top 100 für viel Bewegung. Im vorvergangenen Jahr sorgte der Verkauf der Bosch-Anlassersparte an ein chinesisches Konsortium für Aufsehen, 2018 ging die Transformation mit noch deutlich höherer Geschwindigkeit weiter. Von der klassischen „Verbrennerwelt“ macht sich Bosch unter anderem mit mehr als 1.000 Patenten im Bereich autonomes Fahren zunehmend unabhängig und nimmt damit eine führende Position in den CASE-Technologien ein. Continental, Platz zwei im Ranking, denkt gar über eine Aufspaltung in „neue“ und „alte“ Welt nach. Denso, 2018 die weltweite Nummer drei unter den Top 100, treibt seine Transformation ebenfalls stark voran und hat dafür vor Kurzem Anteile an Infineon erworben. Weichai Power, Chinas umsatzstärkster Vertreter in den Top 100 (Platz 20), beschreitet mit der strategischen Allianz mit Ballard Power (Hersteller für Automotive-Brennstoffzellen) einen spannenden Weg. Schaeffler schafft mit dem Schaeffler Venture Forum die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit mit Start-ups und baut die Kompetenz beim autonomen Fahren durch den Zukauf des schwäbischen Mittelständlers Paravan aus.
Prominente Beispiele für die grassierende Welle an M&A-Aktivitäten gab es 2018 einige: In den USA kauft Tenneco Federal Mogul, Calsonic Kansei aus Japan löst Magneti Marelli aus dem italienischen FCA-Konzern raus. Der chinesische Zulieferer Joyson schließt 2018 die Übernahme des insolventen Airbag-Zulieferers Takata aus Japan ab. GKN wird vom Finanzinvestor Melrose übernommen. Der südkoreanische Elektronik-Spezialist LG kauft den österreichischen Lichtspezialisten ZKW. Autoliv spaltet die Elektroniksparte ab und bringt Veoneer (Herstellungsschwerpunkte u.a. Lidar-, Radar-Komponenten) an die Börse. Honeywell gründet die Turbolader-Sparte Garrett vollständig aus und verabschiedet sich damit genau wie Johnson Controls vollständig aus dem Automobilgeschäft.
Mit einem Gesamtumsatz von 889 Milliarden Euro blicken die weltweit 100 größten Zulieferer insgesamt auf ein Rekordjahr zurück, einige Unternehmen stechen aus der Menge aber mit besonderen Zahlen hervor. Als Ländergruppe seien hier die Chinesen zu nennen, die mit einer Wachstumsrate von 31,5 Prozent und einer durchschnittlichen Verbesserung von 12 Plätzen im Ranking sich deutlich von den anderen Ländergruppen abheben. Der Akku-Spezialist CATL und der Elektronik- und Safety-Spezialist Joyson glänzen hier noch einmal besonders. Auf der anderen Seite des Pazifiks machen die US-Unternehmen gute Geschäfte, wachsen im Mittel um beachtliche 13,1 Prozent und liefern mit 9,5 Prozent auch das beste EBIT / Operating Income ab. Die große Gruppe der 28 japanischen Zulieferer im Ranking kann da nicht mithalten, liefert mit 10 Prozent ein sehr solides Wachstum ab, bleibt beim EBIT / Operating Income allerdings unterdurchschnittlich. Ganz anders als die Deutschen: Die 17 Unternehmen – 2017 waren es noch 18, Aunde ist jedoch durchs Raster gefallen – überzeugen mit 8,5 Prozent EBIT / Operating Income und liegen damit klar oberhalb der durchschnittlichen 7,7 Prozent. Weniger Erfolg war dieser Gruppe mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von nur 3,5 Prozent vergönnt.
Schlimmer traf es allerdings die koreanischen Zulieferer. Schon 2017 kämpften sie gegen schwindende Umsätze und daran hat sich 2018 nichts geändert. Ein negatives Wachstum von 4,2 Prozent und nur 4,3 Prozent in der Profitabilität (EBIT / Operating Income) sorgen dafür, dass die 6 koreanischen Zulieferer im Ranking im Schnitt um 3 Plätze nach unten abrutschen. Sie leiden 2018 nicht nur unter herausfordernden Marktbedingungen, sondern zusätzlich erheblich unter Währungskurseffekten, die für mehr als 10 Prozent des Wachstumseinbruchs verantwortlich sind.
Die Vorzeichen zum Jahresanfang 2018 ließen nichts Gutes erwarten: Eine irrationale US-Zollpolitik, der global wichtigste Absatzmarkt China schwächelt, Europa und Großbritannien taumeln auf den Brexit zu, viele OEMs unterschätzen den neuen Abgasprüfzyklus WLTP massiv und die Anti-Diesel-Stimmung der Autokäufer ist eine weitere ernste Hürde für gute Geschäfte. Am Jahresende steht dann wider Erwarten ein strammes Wachstum in den Büchern der 100 größten Automobilzulieferer: Immerhin 85 Unternehmen konnten ihre Umsätze gegenüber dem Vorjahr steigern. Um zum 2018er-Top 100-Club dazuzugehören, waren mindestens 2,9 Milliarden Euro Umsatz notwendig, 300 Millionen Euro mehr als im Jahr 2017.
Die ersten Monate des Jahres 2019 zeigen eine ganz ähnliche Entwicklung wie das Frühjahr 2018 und dennoch wird dieses Jahr nicht an die Erfolge der Vorjahre anknüpfen können. Denn neben den politischen sprechen auch die technischen Gegebenheiten gegen weitere fette Jahre. Der Spagat zwischen langwierigen verlustreichen Investitionen in CASE-Technologien (Connectivität, autonomes Fahren, Sharing und E-Mobilität) und rückläufigen Erträgen aus dem bisherigen Geschäft ist für viele Unternehmen nicht zu meistern. Lieferanten mit traditionellen Modulen rund um den Verbrennungsmotor sind die Verlierer dieser Umwälzung. CASE kostet viel und liefert bislang kaum oder auch gar keinen wirtschaftlichen Beitrag für die Zulieferer. Das wird sich auch im nächsten Jahrzehnt nur langsam ändern. Eine Herausforderung, mit dem die großen Konzerne wie Bosch, Continental und ZF, aber auch Automobilzulieferer mit CASE-Bezug wesentlich weniger zu kämpfen haben.
Hinzu kommt, dass die Kassen vieler großer Unternehmen nach den ertragreichen Jahren 2010 bis 2018 sehr gut gefüllt sind. Ein Umstand, der die Industriekonsolidierung mit großer Dynamik weiter vorantreiben wird. Eine Dynamik, die von den CASE-Technologien befeuert wird, die im Zentrum der Zulieferer-Transformation stehen. Und so wie es sich darstellt, sind viele chinesische Unternehmen gut darauf vorbereitet. Sie haben das Potenzial, schon in den nächsten Jahren etablierten Zulieferern den Rang abzulaufen und sie aus den Berylls Top 100 zu verdrängen. CATL ist ein ganz aktuelles Beispiel dafür.
Wachstum und Marktdurchdringung der E-Mobilität – aktuell die primäre CASE-Technologie – sind in China größer als im Rest der Welt. Darum kaufen chinesische Unternehmen weiterhin in der westlichen Welt Zulieferer zu. Insbesondere Zulieferer mit einem kommerziellen Schwerpunkt in der „alten Welt“ verlieren aber mit jedem Tag an Attraktivität. Sie sehen schwierigen Zeiten entgegen.
Digitalisierung
ie Wucht, mit der die Digitalisierung die Automobilindustrie getroffen hat, lässt sich heute schon an einem Wert ablesen: Euro 119 Milliarden. Das ist die Summe, die bislang an Risikokapital und sonstigen Finanzmitteln in Start-ups der Mobilitätsindustrie geflossen ist, so die aktuelle Berylls-Studie „How Mobility Start-ups Transform the Global Automotive Industry“. Untersucht wurden 1.003 Neugründungen, mit teilweise verblüffenden Ergebnissen.
Schon heute zeigt sich die Wirkung neuer, digitaler Geschäftsmodelle auf den Straßen. In den USA und teilweise auch in China haben die großen Fahrdienstvermittlungen, neudeutsch „ride hailers“, bereits das Mobilitätsverhalten verändert. In vielen Städten werden keine Taxidienste mehr an den Flughäfen angeboten. Systematisch bauen Mobilitätsdienstleister ihr Netz landes- bis weltweit aus. Von den zehn am umfangreichsten finanzierten Start-ups, setzen sechs auf Fahrdienste: DiDi (CN), Uber (USA), Grab (SGP), Ola (IND), Lyft (USA), Ucar (CN). Beispielweise hat Lyft in den 7 Jahren seit seiner Gründung eine Abdeckung von 95 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung erreicht, die Dienste sind in 700 Städten verfügbar, und mit einem Börsenwert von US Dollar 15,6 Milliarden und einem Umsatz von US Dollar 2,16 Milliarden ist Lyft nur eines der Erfolgsbeispiele der Digitalisierung. Die weiteren Unternehmen der Top 10, Tesla, NIO, Faraday Future und Cruise, beschäftigen sich mit der Herstellung von Elektrofahrzeugen bzw. dem autonomen Fahren. Insgesamt erhielten die zehn größten Start-ups bislang 49% des gesamten Risikokapitals.
Die Schwerpunkt-Segmente bei Mobilitäts-Start-ups sind heute: Ride Hailing (mit Euro 44,1 Milliarden an Risikokapital), Fahrzeugbau und hier vor allem Elektro- und autonom fahrende Automobile (28,4), Shared Mobility wie SHARE NOW (15,8), Elektrik-/Elektronik-Komponenten als Zulieferteile (11,6), Konnektivitätslösungen für Fahrzeuge (1,8), Gebrauchtfahrzeugvertrieb (1,6), Bezahlsysteme (1,5), Letzte-Meile-Gütertransport (1,5), Digitale Infrastruktur Konnektivität (1,1) sowie Industrie 4.0-Anwendungen für die Automobilindustrie (1,0). Die drei führenden Segmente ziehen bereits 75 Prozent der Investitionsmittel auf sich, die zehn größten decken schon über 90 Prozent ab. Dabei wurden von Berylls über 150 Sektoren entlang der automobilen Wertschöpfungskette untersucht. Dies belegt das enorme Potenzial für weitere Start-ups in neu entstehenden Sektoren.
Großer Bedarf wird entstehen in Start-up-Segmenten wie Cloud Services & Cyber Security, Sensorik und deren Systemintegration im Zusammenhang mit automatisiertem Fahren (Lidar, Radar, …), physische und digitale Infrastruktur zum Betreiben von Elektrofahrzeugen, neue HMI-Systeme (human-machine-interface) wie augmented reality, Sprach- und Gestenerkennung, Konnektivitäts-Dienste fürs Fahrzeug (Ferndiagnose, -steuerung, …) oder auch Fahrzeugabonnements. Schon heute zeigt sich, dass diese und weitere Bereiche bezüglich Ideengenerierung, Unternehmertum und Risikokapital unterrepräsentiert sind. Es werden sich also auch in Zukunft vielfältige Möglichkeiten für Neugründungen ergeben.
Eine aus Sicht der deutschen Automobilindustrie erfreuliche Tendenz ist die steigende Bereitschaft im deutschsprachigen Raum, neue, digitale Geschäftsmodelle mit Hilfe von Risikokapital aufzubauen bzw. zu unterstützen. In den vergangenen drei Jahren sind mehr als 30 Start-ups in der DACH Region entstanden, die innovative Mobilitätslösungen anbieten. Zwar haben Berlin und München noch lange nicht den Status des Silicon Valleys oder Tel Avivs erreicht, doch immer häufiger entstehen junge (Automobilitäts-)Firmen auch in Deutschland. Zudem haben alle deutschen Automobilhersteller sowie die großen Zulieferer (wie Bosch, ZF, Conti oder Mahle) erkannt, dass sie über Risikokapital Zugang zu technologischen Innovationen erhalten. Zudem investieren auch andere deutsche DAX-Unternehmen, wie Allianz oder Siemens in Mobilitäts-Start-ups. War im Jahr 2017 noch Daimler der aktivste Investor/ Käufer bei Start-ups, so war es 2018 BMW. Die BMW Group und BMW iVenture haben sich ihre Beteiligungen/ Übernahmen von Parkmobile, DriveNow, Moovit, Fair.com, May Mobility, Caroobi, Lunewave, Critical TechWorks oder Graphcore einiges kosten lassen – sie waren an Finanzierungen von über Euro 300 Millionen mitbeteiligt.
Der Hype um weitere Einhörner ist noch lange nicht beendet, und dass diese auch aus Deutschland kommen können, zeigt das Beispiel AUTO1.com aus dem Jahr 2018. Als europaweit führender Online-Marktplatz mit einem eigenen Bestand an Fahrzeugen hat sich AUTO1.com auf gewerbliche Automobil-Großhändler konzentriert. Zudem betreibt die Gruppe auch die Internetplattform „WirKaufenDeinAuto“ für den Aufkauf von privaten Fahrzeugen. Für einen 20 Prozent Anteil an AUTO1.com hat der sehr umtriebige japanische Investor SoftBank Euro 460 Millionen bezahlt. Damit ist das Berliner Start-up mit einem Bewertung von Euro 2,3 Milliarden ein waschechtes Einhorn.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
DACH Automobilindustrie
urch die Automobilzulieferlandschaft zieht sich ein Riss, und er wird immer breiter: Konzerne versus Mittelstand, Verbrenner versus CASE, Triade versus China, Etablierte versus Start-Ups. Die Dynamik, mit der die Transformation zahlreicher Unternehmen und der gesamten Industrie vorangetrieben wird, ist atemberaubend.
Bosch hat das Turbolader- (BMTS, 2017) und Starter-Generatoren-Geschäft (SEG Automotive, 2018) verkauft. Honeywell bringt seine Turboladereinheit Garrett Motion an die Börse (2018). Die an den Finanzinvestor Melrose verkaufte GKN (2018) trennt sich Schritt für Schritt von einzelnen Einheiten (Pulvermetallurgie, 2019). Delphi wurde in zwei Unternehmen, Aptiv (Automobilelektronik und „advanced safety technology“) sowie Delphi Technologies (Elektrofahrzeuge und Verbrennungsmotoren) aufgeteilt (2018). Continental plant für Mitte 2019 die Ausgliederung und den Verkauf der „Powertrain“-Sparte. FCA hat sich als OEM komplett aus dem Zuliefergeschäft durch den Verkauf von Magneti Marelli an Calsonic Kansei (2019) zurückgezogen. Nach dem Verkauf von Federal Mogul an Tenneco erfolgt die Aufteilung in zwei Einheiten: „Aftermarket /Ride Performance“ sowie „Powertrain Technology“. Johnson Controls hat nach dem Verkauf der Interiorsparte (Yangfeng Automotive Solutions, 2015) und der Ausgründung von Adient (2016) nun auch das letzte Automotive-Segment, die Power Solutions (2018), veräußert. Fast jeder zehnte Zulieferer aus den Top 100 (bezogen auf den Umsatz) hat in den vergangenen zwei Jahren einen dramatischen Wandel durchlaufen. Was steckt hinter diesen Zerschlagungen, Carve-Outs, Spin-Offs, Aufspaltungen und IPOs?
Der sogenannte „Tipping Point“, ab dem es für die Produktion von Komponenten für Verbrennungsmotoren kein Wachstum mehr geben wird, rückt näher. Zwischen 2023 und 2025 wird die Spitze erreicht sein. Heute können sich die großen Automobilzulieferer noch von ihren (Verbrennungs-)Motoren- und Getriebegeschäften trennen und erhalten einen soliden Preis dafür. Die bislang erzielten Verkaufspreise liegen derzeit bei einem EBIT-Multiple von 5 bis 6 (zum Vergleich: Automobilzulieferer ohne Verbrennungsmotorengeschäft liegen bei einem EBIT-Multiple von 10 bis 12, also doppelt so hoch). Die Trennung vom Verbrennergeschäft ist fast vergleichbar mit der Ausgründung von „Bad Banks“, die von einigen Banken nach der Finanzkrise praktiziert wurde: „toxische“ Geschäftsbereiche werden herausgelöst und können somit den verbleibenden Rest des Unternehmens nicht mehr schaden. Sollte der totale Ausstieg aus dem Verbrenner bis 2050, wie von vielen nationalen Regierungen angekündigt, tatsächlich stattfinden, könnten sich Conti, Bosch, Magneti Marelli und Co. sukzessiv von diesem risikobehafteten Geschäft trennen. Sollte der Verbrenner aber auch in ferner Zukunft weiterhin eine Rolle spielen, kann sich dieser für heutige Investoren doch noch zu einem attraktiven Investment entwickeln. In diesem Fall gilt für den „last man standing“ des Verbrennergeschäfts eine ähnliche Regel wie in manchen digitalen Geschäftsmodellen: The winner takes it all.
Der vermeintliche Niedergang des Verbrennungsmotors wird durch die totale Fokussierung auf die CASE-Technologien verschärft. Traditionelle Innovationsfelder im Interieur, im Exterieur, dem Antriebsstrang oder der Karosserie verschwinden aus der öffentlichen Diskussion. Was nicht mit den Attributen Künstliche Intelligenz, Cyber Security, Big Data, autonom, Blockchain und Co, versehen ist, wird kaum noch wahrgenommen. Nur mit Hilfe digitaler Lösungen, so scheint es, ist noch eine Entwicklung und Überleben der Automobilindustrie möglich. Dabei sind es gerade die „traditionellen“ Zulieferer, die eine reibungslose Integration ins Fahrzeug am besten sicherstellen können und viele Weiterentwicklungen in klassischen Anwendungsbereichen vorantreiben, aus denen sich mancher der OEMs bereits zurückgezogen hat. Wie groß inzwischen der Unterschied zwischen „digital“ und „traditionell“ geworden ist zeigt der folgende Vergleich. In den Jahren 2017/18 konnte das Startup WayRay, ein Hersteller von holographischen Augmented Reality-Technologien und -Benutzeroberflächen, insgesamt Risikokapital in Höhe von US Dollar 98 Millionen einsammeln – aktuell beschäftigt das Unternehmen 50 Mitarbeiter und setzt US Dollar 3,5 Millionen um. Im letzten Jahr wurde der Zulieferer Proseat (Sitzkissen, Umsatz Euro 291 Millionen und 2.100 Beschäftigte) an einen japanischen Mitbewerber verkauft und mit zirka Euro 45 Millionen bewertet. Bezogen auf das Umsatz-Multiple ist WayRay um den Faktor 180 höher bewertet worden als Proseat. Die Kluft zwischen CASE bzw. Startups und traditionellen Modulen bzw. Zulieferern kann kaum größer sein.
Seit Jahren schon erwirtschaften die Zulieferkonzerne höhere Renditen als der Mittelstand (8 Prozent EBIT-Marge im Vergleich zu zirka 6 Prozent) und wachsen auch stärker. Der Konzentrationsprozess für die gesamte Automobilzulieferindustrie geht weiter. Bis zum Jahr 2025 rechnet Berylls in seiner Global-Top-100-Studie mit einem Anteil von 60 Prozent des Gesamtumsatzes, der auf die 100 größten Zulieferer fällt; heute sind es knapp über 50 Prozent. Die großen Zulieferkonzerne sind globaler aufgestellt, verfügen über einen leichteren Zugang zu den Kapitalmärkten, haben durch Best-Cost-Country Standorte wettbewerbsfähigere Kostenstrukturen, stecken hohe Summen in die Entwicklung von CASE-Technologien oder kaufen sich notwendige Kompetenzen durch die Übernahme von Unternehmen einfach zu. Dem Mittelstand bleibt seine Agilität und sein Unternehmertum, die Spezialisierung auf Nischen und das Kostenbewusstsein, um sich weiterhin als Zulieferer behaupten zu können.
Wird die Zwei-Klassen-Gesellschaft in den kommenden Jahren weiter zementiert, steigen die Unterschiede sogar noch weiter? Nach heutigem Kenntnisstand bewegen sich traditionelle und digitale Geschäftsmodelle mit zunehmender Geschwindigkeit voneinander weg. Dies bedeutet jedoch nicht, dass traditionelle Geschäftsmodelle dem sofortigen Untergang geweiht sind. Vielmehr entstehen für die verbleibenden Marktteilnehmer in traditionellen Bereichen auch neue Chancen: Einerseits dadurch, dass sich die Anzahl der Wettbewerber durch Marktaustritte reduziert und der kleiner werdende Kuchen damit auf weniger Köpfe verteilt werden muss. Andererseits durch mittel- bis langfristig weiterhin hohe Stückzahlen des Verbrennungsmotors: Totgesagte leben vielleicht doch länger als vermutet.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
DACH Automobilindustrie
ie zehn Jahre währende Periode kontinuierlichen Wachstums mit Rekordergebnissen der Automobilzulieferindustrie ist vorbei. Digitale Revolution, Kundenzentrierung von OEMs, Ausdehnung der automobilen Wertschöpfungskette um Infrastrukturbereitstellung und Mobility Operations verändern das Wirtschaftssystem für Zulieferer dramatisch. In diesem Umfeld sieht Berylls acht Herausforderungen, zu denen jeder CEO eines Automobilzulieferers Antworten liefern muss.Um eins vorweg zu nehmen, auch 2019 wurde wieder kräftig geshoppt und es gab erneut fast 300 Transaktionen entlang der Mobilitätswertschöpfungskette über das Jahr verteilt.
Die Automobilindustrie stand für höchste Disziplin in seinem Wertschöpfungssystem: Klare Strukturen entlang der gesamten Lieferkette, gute Planbarkeit und solide Prognosen sowie verlässliche Beziehungen. VUCA ist der Gegenpol, der zu massiven Störungen in diesem System führt. Volatility (Schwankungen), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) nehmen deutlich zu, Vorhersagen werden dadurch schwieriger oder gar unmöglich. Eine auf Erfahrungswerten, Stabilität und Sicherheit basierte Führung wird erschwert. Kleine, ungeplante Abweichungen schlagen mit großer Wirkung bei den Zulieferern zu Buche und führen zu einer Kettenreaktion entlang der Wertschöpfung.
CEOs müssen ein Organisations- und Führungsmodell (er)schaffen, mit dem sie ihr Unternehmen vor dem Hintergrund von VUCA sicher steuern können.
2010 bis 2018 waren für die Automobil(zuliefer)industrie fette Jahre, geprägt durch permanentes Wachstum, weitgehende Kostenkontrolle, Stärkung der Eigenkapitalstrukturen, solide Finanzen, verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. Die kommenden fünf Jahre werden deutlich schwieriger werden: Überproportional gestiegene und steigende Kosten (Lohnsteigerung im Osten, hohe Abschlüsse im Westen, steigende Rohstoffpreise, geringe Materialkostenreduzierungen, steigende Finanzierungskosten, …); erschwerte Finanzierung (steigende Zinsen, Automobil als „Krisenindustrie“ aus Sicht von Banken, …); sinkende Produktivitätsverbesserungen; steigende Komplexität auf Kundenseite; Limitationen der Globalisierung (steigende Logistikkosten, …); hohe Investitionen für Innovation; … Die durchschnittliche EBIT Marge von 8 Prozent bei Zulieferkonzernen und 6-7 Prozent bei Mittelständlern wird bis 2025 auf zirka 5 Prozent sinken.
CEOs müssen in den „Sanierungsdauermodus“ schalten, um permanent die Wirtschaftlichkeit ihres hochkomplexen Wertschöpfungssystems in einer sich ständig wandelnden Welt zu sichern.
Die CASE-Technologien stehen im Zentrum der Veränderung von Mobilitätsleistungen. Durch ihre systemische Verknüpfung, die starke funktionale Verbesserung des Produktes „Mobilität“ und den gravierenden Eingriff in vorhandene Lösungen ist deren Entwicklung, Herstellung und Einführung aufwändig und langwierig: CASE kostet viel und liefert bislang kaum einen oder häufig gar keinen wirtschaftlichen Beitrag für Unternehmen der Automobilindustrie. Das wird sich auch im nächsten Jahrzehnt nicht ändern; die Investitionen zur Entwicklung von CASE-Technologien liegen im zweistelligen Milliardenbereich. Gleichzeitig fließt Wert aus den traditionellen Modulen ab, allen voran dem Verbrennungsmotor (ICE). Neuentwicklungen werden eingestellt, Investitionen finden nicht statt, Finanzmittel werden knapp. Der Spagat zwischen jahrelangen verlustreichen Investitionen in CASE-Technologien und ausbleibenden Gewinnen aus dem traditionellen Geschäft ist nicht mehr zu meistern. Die Verlierer dieser Entwicklung sind die ICE-abhängigen Unternehmen (die immerhin für 25 bis 30 Prozent der Wertschöpfung in der Automobilindustrie stehen), traditionellen Low-Tech-Lieferanten sowie der klassische Mittelstand, der sich die hohen und riskanten Geschäfte nicht mehr leisten kann. Auf der anderen Seite stehen als Gewinner die großen Konzerne (Bosch, Conti, ZF, …), Automobilzulieferer im CASE-Umfeld, die neuen Mobilitäts-Startups sowie Nischenspezialisten.
CEOs müssen sich von „Altlasten“ trennen, neue Geschäftsmodelle zur Partizipation am von CASE initiierten Wandel der Automobilindustrie entwickeln und gleichzeitig hohe Basisinnovationen mit langen Amortisationszeiten bei einem wegbrechenden Kerngeschäft stemmen.
Der Wettbewerb in der Zulieferindustrie war schon seither gnadenlos. Dem Darwin‘schen Gesetz des „Survival of the Fittest“ folgend werden schwache Zulieferer schnell aussortiert. Doch dies geschah innerhalb eines stabilen Wirtschaftssystems. Eine permanente und kontinuierliche Weiterentwicklung über technologische Neuerungen hat die Automobilindustrie und ihre Zulieferer auf ein hohes Innovationslevel gehoben. Das System sah vor, dass sich aller Wandel aus dem System selbst heraus finanziert, dass in kleinen Schritten Innovationen in den Markt eingeführt werden und dass Kompetenzen schrittweise aufgebaut werden. Eine aktuelle Berylls-Studie zu 1.000 Mobilitäts-Startups zeigt, dass in den vergangenen fünf Jahren über Euro 180 Milliarden in Mobilitäts-Wagniskapital gesteckt wurde. Im gleichen Zeitraum wurde für Investitionen in Forschung und Vorentwicklung bei den traditionellen Automobilplayern nur etwa die Hälfte ausgegeben! Startups suchen zudem eher disruptive Innovationen als revolutionäre Entwicklungen: Ein komplettes Auto aus dem 3D-Drucker, Autos, die über dem Boden schweben, fliegende Fahrzeuge, das Null-Unfall-Automobil etc. Diese visionären Geschäftsmodelle gepaart mit schier „unendlichen“ finanziellen und auch intellektuellen Ressourcen treffen nun im Wettbewerb um die beste Mobilitätslösung der Zukunft aufeinander … ein „Clash of Cultures“.
CEOs müssen die Risiken durch Tech-Startups mit disruptiven Ansätzen auf ihr Geschäftsmodell bewerten sowie Chancen daraus identifizieren, von denen sie profitieren können.
Gerade in westlichen Gesellschaften werden die Nachteile individueller Mobilität immer stärker sichtbar: Ressourcenverbrauch, Verkehrsunfälle, Zeitverlust durch Staus, Emissionen (Luft, Lärm, Wasser) etc. Das Auto wird zunehmend zum Buhmann der Gesellschaft. Junge Menschen wenden sich ab. Andere Branchen und Berufe – und damit auch deren Unternehmen – gewinnen an gesellschaftlichem Ansehen und ziehen Talente an sich, weg von der einstigen Vorzeigeindustrie Automobil.
CEOs müssen ihr Unternehmen und die gesamte Automobilbranche wieder attraktiv machen, um weiterhin die besten Talente zu gewinnen.
Die Zusammenarbeit zwischen OEM und Zulieferern war noch in den vergangenen 30 Jahren nie partnerschaftlich und immer von Kostendruck, Lieferanten-Kunden-Beziehung und Generierung von Wettbewerb geprägt. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Ausnahme sind systemrelevante Player in spezifischen und für OEMs kritischen Bereichen. Durch VUCA und die enormen Umbrüche ist es den OEMs kaum noch möglich, verlässliche und stabile Beziehungen zu ihren Lieferanten aufrecht zu erhalten. Die ehemals klare und in gewissen Umfängen vorhersehbare Zukunft löst sich auf, die Verlässlichkeit nimmt rapide ab. Die Folge: Anläufe werden verschoben, Fahrzeugprojekte plötzlich gestrichen, Stückzahlen bleiben deutlich unter der Planung oder steigen stark an, Spezifikationen werden in letzter Minute geändert, kommerzielle Vereinbarungen werden gebrochen. Parallel dazu entstehen komplett „neue“ Kundenbeziehungen mit Tech-Startups oder asiatischen Startup-OEMs, die wenig oder keine Kenntnisse von den Mechanismen der Automobilindustrie haben (und dies ggf. auch nicht wollen). Die tektonischen Verschiebungen haben längst begonnen; asiatische und hier insbesondere chinesische OEMs, kombiniert mit dem durch seine Größe an Bedeutung gewinnenden chinesischen Automobilmarkt führen zu einer Veränderung der Kräfteverhältnisse. China ist für die Automobilindustrie das Maß aller Dinge und nicht mehr Europa, Japan oder die USA. Sind Daimler, BMW oder Audi die Telefunken, Grundigs und DUALs der 2020-ger Jahre?
CEOs müssen ihr Unternehmen beim Umgang mit ihren Kunden an die neuen globalen Machtverhältnisse anpassen.
Die gesamte Machtbalance in der Mobilitätsbranche verschiebt sich nach China/Asien. Jedes dritte Auto wird in China produziert. Auch zukünftig wird China doppelt so stark wachsen wie die anderen Kernmärkte. Bei der Zukunftstechnologie E-Mobilität sind Wachstum und Marktdurchdringung in China höher als im Rest der Welt. Es existiert eine hohe Bereitschaft, in neue OEM-Marken und Mobilitäts-Startups in China zu investieren. „China“ kauft weiterhin in High-Tech-Ländern Zulieferer zu; die Übernahme von westlichen OEMs ist nicht ausgeschlossen. Die staatliche Wirtschaftspolitik hat die Mobilitätsbranche als Schlüsselbranche definiert und unterstützt deren Aufstieg. Insgesamt wird China für die OEMs zum „North Star“ der Absatzmärkte. Für die traditionelle Automobilindustrie bedeutet es, dass sie chinesischer werden muss. Das gilt für alle Aspekte des eigenen Geschäftsmodells.
CEOs müssen den Spagat zwischen Aufbau von Kompetenzen in China und der Sicherung dieser im „Westen“ schaffen.
Das gesamte automobile Wertschöpfungssystem erwartet immer reibungslosere und effizientere Prozesse: Null PPMs, JIT-/JIS-Lieferungen, Simultaneous Engineering, 24/7, … Und dieses System muss global funktionieren. Zielpreise für Komponenten werden auf Basis „perfekter“ Organisationen ermittelt. Die Realität sieht anders aus: Anlaufprobleme, Qualitätskosten, Mehrarbeit durch Schnittstellenprobleme, hohe Personalfluktuation in BCC-Ländern, … Die Mehrzahl der Automobilzulieferer hat in ihrem Geschäftssystem klare Defizite; es läuft überwiegend NICHT reibungslos.
CEOs müssen eine High-Performance-Organisation formen, die einerseits alle Kundenanforderungen best-in-class erfüllt, andererseits dabei maximale Profitabilität erzeugt.
Unser Ausblick: Die vergangenen 10 Jahre waren ein Klacks gegenüber der zu bewältigenden Agenda der kommenden 10 Jahre.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
Pressemitteilung
ULIEFERER EILEN VON REKORD ZU REKORD UND WACHSEN SCHNELLER ALS HERSTELLER
München, 01.06.2018 – Zum siebten Mal hat Berylls Strategy Advisors die 100 weltweit größten Automobilzulieferer im Rahmen der „Top 100-Zuliefererstudie 2017“ untersucht. Zutritt zu diesem Club erhalten 2017 Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 2,6 Milliarden Euro. Der Gesamtumsatz der Top 100 ist um 9,3 Milliarden auf ein neues Rekordniveau von 834,6 Milliarden Euro gestiegen. Vor allem die Gruppe der 18 deutschen Unternehmen liefert 2017 ein sehr positives Bild ab: Sie können insgesamt um 7,5 Prozent im Umsatz zulegen und weisen mit durchschnittlich 9,8 Prozent eine leicht höhere Profitabilität als im Vorjahr auf. Lediglich die amerikanischen Unternehmen liegen mit 10,2 Prozent Profitabilität noch vor den deutschen. Am anderen Ende der Skala bewegen sich die südkoreanischen Zulieferer, bei denen mehr als die Hälfte im vergangenen Jahr Umsatzrückgänge verzeichnen musste. Wechselkurseffekte spielten 2017 aufgrund eines starken Euro eine wesentlich größere Rolle als in den Vorjahren. Umgerechnet in Euro, erzielten die Top 100 lediglich ein Gesamtwachstum von 1,1 Prozent und lagen damit unter dem Wachstum der Vorjahre. Berechnet in lokalen Währungen liegt das Umsatzplus im Schnitt jedoch bei deutlich höheren 9,0 Prozent.
Unangefochten liegt Bosch mit 47,4 Milliarden Euro Umsatz (Unternehmensbereich Mobility Solutions) auf Platz eins der Berylls Top 100-Zuliefererstudie 2017, gefolgt von Continental (44 Milliarden Euro) und Denso (umgerechnet 36,4 Milliarden Euro). Das Spitzentrio verteidigt damit seine Positionen aus den beiden Vorjahren. ZF Friedrichshafen (33,5 Milliarden Euro) konnte sich um eine Position auf Platz 4 verbessern und verdrängt Magna (umgerechnet 32,5 Milliarden Euro).
Signifikante Wechselkurseffekte beeinflussen in der diesjährigen Studie der Top 100 das Bild: Der Euro hat gegenüber allen anderen Währungen zum Stichtag 31.12.2017 deutlich an Wert gewonnen. So legt der Euro beispielsweise gegenüber dem US-Dollar im Jahresverlauf 2017 um zwölf Prozent und gegenüber dem japanischen YEN um neun Prozent zu. Da die Berylls Top 100-Zuliefererstudie die Umsätze der Unternehmen in Euro umrechnet, überlagern diese Wechselkurseffekte also teilweise vorhandene Umsatzsteigerungen der Unternehmen in lokaler Währung.
Dennoch ist 2017 ein Spitzenjahr. Der Gesamtumsatz der Top 100 Zulieferer liegt mit 834,6 Milliarden Euro über der Marke von 2016 mit 825,3 Milliarden Euro. Die Automobilkonjunktur brummt, weltweit wurden mit 94,5 Millionen so viele Autos produziert wie noch nie zuvor (2016: 92,2 Millionen, 2015: 88,2 Millionen). Die Zulieferer können vom boomenden Gesamtmarkt sogar besser profitieren als die Automobilhersteller: Während der Umsatz der 100 größten Zulieferer zwischen 2015 und 2017 um 5,8 Prozent gewachsen ist, konnten die zehn größten OEMs im gleichen Zeitraum nur um 2 Prozent zulegen.
Die Zahlen der deutschen Automobilzulieferer fallen sogar noch positiver aus. Sie konnten ihre durchschnittliche Profitabilität von 9,5 Prozent (2016) auf 9,8 Prozent in 2017 auf einem bereits hohen Niveau sogar noch weiter steigern, der Umsatz wuchs über alle 18 Unternehmen um insgesamt 7,5 Prozent. Insgesamt rücken die deutschen Zulieferer damit im Top 100-Ranking um durchschnittlich sechs Plätze nach oben. Sie generieren 2017 einen Gesamtumsatz von 204,1 Milliarden Euro und tragen damit mehrheitlich zum europäischen Gesamtumsatz von 370,5 Milliarden Euro bei.
Die anderen europäischen Zulieferer zeichnen ein ähnliches Bild wie die deutschen. Umsatzsteigerungen und Verbesserungen im Top 100-Ranking sind die Regel – mit zwei Ausnahmen. Die International Automotive Components Group (IAC), ein amerikanischer Hersteller für Interieurkomponenten mit Firmensitz in Luxemburg, verliert 21 Plätze, nachdem erhebliche Umfänge des Unternehmens – knapp jeder vierte Standort – in ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner eingebracht werden. Die Grupo Antolin muss nach einem Umsatzsprung in 2016 (nach Übernahme des Interior Business von Magna) einen leichten Rückgang 2017 hinnehmen und verliert eine Position im Ranking.
Die Gruppe der amerikanischen Zulieferer (Gesamtumsatz umgerechnet 117,8 Milliarden Euro) liegt mit durchschnittlich 10,2 Prozent in der Profitabilität ganz vorn. Viele US-Unternehmen stellen mit großem Nachdruck die Weichen in Richtung Mobilität der Zukunft und trennen sich von herkömmlichen Geschäftsbereichen. Delphi steht dabei repräsentativ für die strategische Ausrichtung vieler US-amerikanischen Zulieferer: Das Unternehmen hat sich in Aptiv (Fokus auf die „neue Automobilwelt“ rund um Connectivity und Autonomes Fahren) und Delphi Technologies aufgespalten und wurde dadurch im Ranking nach unten durchgereicht. Ähnlich verhält es sich mit Visteon: Vor fünf Jahren noch auf Rang 39, schafft das Unternehmen nach einem fortlaufenden Schrumpfungsprozess und einer weitgehenden Fokussierung auf Anzeige- und Bedieninstrumente gerade eben noch den Sprung in die Top 100.
Es folgen jedoch nicht alle amerikanischen Zulieferer dem Ausgliederungstrend. Unter den Wachstumschampions 2017 ist immerhin ein US-Unternehmen vertreten: American Axle. Der Hersteller von Fahrwerkskomponenten legt durch die Übernahme von Metaldyne (Motor- und Antriebskomponenten) um rekordverdächtige 39 Prozent im Umsatz zu, vergrößert seine Kompetenz auf dem Gebiet der klassischen Antriebstechnologie und klettert im Top 100-Ranking um 14 Plätze nach oben.
Auf ein noch stärkeres Wachstum blicken 2017 nur zwei Unternehmen: Freudenberg und Weichai Power. Freudenberg steigt durch die vollständige Konsolidierung von Vibracoustics auf (Umsatzwachstum: 40 Prozent, plus 23 Plätze im Ranking) und wird dabei nur von Weichai Power übertrumpft. Der chinesische Anbieter von Dieselmotoren konnte u.a. von einem starken chinesischen Binnenmarkt und staatlichen Förderprogrammen profitieren und klettert mit einem Umsatzplus von umgerechnet 68 Prozent im Top 100 Ranking um 15 Plätze auf die Position 17.
Hinter den südkoreanischen Zulieferern liegt ein herausforderndes Jahr 2017. Sie repräsentieren mit insgesamt 6 Unternehmen im vergangenen Jahr einen Gesamtumsatz von umgerechnet 49,3 Milliarden Euro (-2,6 Milliarden Euro gegenüber Vorjahr). Nicht nur rückläufige Umsätze machten den Südkoreanern im vergangenen Jahr zu schaffen, sondern zeitgleich auch schrumpfende Renditen. So zeigen fünf der sechs Koreaner in der Top 100-Zuliefererstudie 2017 von Berylls eine rückläufige Profitabilität. Die große Ausnahme ist LG Electronics. Der Elektronik-Gigant aus Seoul möchte ein größeres Wort in der Mobilität der Zukunft mitreden und verstärkt seine Vehicle Components Division mit zusätzlicher Kompetenz auf dem Feld der Lichtsysteme und elektronischer Baugruppen. Ein wichtiger Meilenstein stellt die Übernahme des österreichischen Anbieters ZKW dar, die im April 2018 offiziell bekanntgegeben wurde. Es ist davon auszugehen, dass LG durch die Konsolidierung von ZKW im Ranking des nächsten Jahres weiter nach vorne marschieren wird.
Die 27 japanischen Zulieferer unter den Top 100 können hingegen positiv auf das Jahr 2017 zurückblicken. Umgerechnet in Euro, der gegenüber dem japanischen Yen 2017 um 9 Prozent an Wert gewonnen hat, geben sie mit einem Umsatzrückgang von 2,2 Prozent zwar ein schwaches Bild ab. In lokaler Währung mussten allerdings nur zwei der im Ranking vertretenen Unternehmen Umsatzrückgänge hinnehmen (Yazaki: -1,4 Prozent, Calsonic: -6,9 Prozent). Die Profitabilität der japanischen Unternehmen liegt mit 7,2 Prozent (EBIT oder Operating Income) im Schnitt auf einem vergleichbaren Niveau wie 2016.
Mit Bridgestone-Firestone ist sogar ein japanisches Unternehmen unter den Top 10 der Profitabilitätschampions vertreten, die ansonsten von amerikanischen und europäischen Unternehmen dominiert wird. Bridgestone-Firestone realisiert 2017 12,8 Prozent EBIT und liegt damit deutlich über dem japanischen Durchschnitt. Zu verdanken ist dies dem traditionell hohen Aftermarket-Anteil der Reifenhersteller, der deutlich profitabler als das Erstausrüstungsgeschäft ist. Unter den zehn profitabelsten Zulieferern sind daher insgesamt drei Reifenhersteller vertreten: Neben Bridgestone-Firestone auch Pirelli aus Italien und Michelin aus Frankreich.
Der Erfolg der Japaner wird von einem anderen asiatischen Markt überstrahlt: China. Der „rote Riese“ holt in der Top 100-Zuliefererstudie 2017 von Berylls kräftig auf und erhöht die Zahl der gelisteten Unternehmen von zwei in 2016 (Weichai Power, Yanfeng Automotive) auf vier. Weichai, auf Platz 17 vorgerückt, und Yanfeng, in 2017 auf 32 gelistet, bekommen Verstärkung durch CITIC Dicastal (Gussspezialist, Rang 74) und Ningbo Joyson Electronics (Elektronik und Sicherheitssysteme, Rang 75). Ningbo Joyson wächst durch die Übernahme des insolventen Airbag-Anbieters Takata, der entsprechend nicht mehr in den Top 100 vertreten ist. Neben einem weiterhin kauflustigen Binnenmarkt haben staatliche Förderprogramme den Erfolg der chinesischen Unternehmen weiter befeuert. Einige von ihnen (Wanxiang, Minth, CATL, BYD) stehen nur knapp außerhalb der Berylls Top 100 und sind vielversprechende Kandidaten für die nächsten Jahre.
Auf- und Abwärtsbewegungen gehören ganz selbstverständlich zur Top 100-Zuliefererstudie von Berylls. Seit vielen Jahren sorgen Konsolidierungen, Ausgründungen und Firmenübernahmen für viel Bewegung innerhalb der Top 100. Auch für 2018 deutet sich an, dass die Transformationsgeschwindigkeit in der Automobilindustrie weiter zunehmen wird. Die Kassen vieler Unternehmen sind nach vielen guten konjunkturellen Jahren prall gefüllt und die strategische Notwendigkeit, sich in den Zukunftsthemen der Automobilindustrie zu positionieren, wird insbesondere für Zulieferer mit einem kommerziellen Schwerpunkt in der „alten Welt“ der Automobilindustrie mit jedem Tag größer. Neben Venture Capital-Gesellschaften investieren mehr und mehr der großen Tier 1-Zulieferer in Zukäufe kreativer Start-ups und versprechen sich u.a. daraus wichtige Impulse für das Kerngeschäft. Zunehmend entscheiden Kompetenzen auf den Feldern Connectivity, autonomes Fahren, Big Data, Shared Mobility und der Elektrifizierung der Mobilität über den Erfolg der Autoindustrie. Die Spitzen-Unternehmen der Top 100 haben das längst realisiert und verstanden, dass neben Google, Apple und den anderen Tech-Titans auch die Chinesen in das Rennen um die Budgets der OEMs eingestiegen sind. Und so wie es sich darstellt, sind einige chinesische Zulieferer gut darauf vorbereitet, schon in den nächsten Jahren etablierten Unternehmen die Rücklichter zu zeigen und sie aus den Berylls Top 100 zu verdrängen.
DACH Automobilindustrie
nbeirrt von den Diskussionen um das Ende des Verbrennungsmotors, das Potenzial von autonom fahrenden Taxiflotten und einem in Europa vermeintlich schwindenden Auto-Enthusiasmus, blicken die weltweit 100 größten Zulieferer erneut auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück. Allerdings wächst neue Konkurrenz heran, die vor allem auf den hinteren Rängen für Bewegung sorgen wird.
Um sich einen Überblick über die zehn größten internationalen Automobilzulieferer des vergangenen Geschäftsjahres zu verschaffen, reicht ein Blick in die Top 100 des Jahres 2016: Aufsteiger oder Absteiger aus den Spitzenrängen gab es im vergangenen Jahr keine. Unangefochten liegt Bosch mit 47,4 Milliarden Euro Umsatz (Unternehmensbereich Mobility Solutions) auf Platz eins, gefolgt von Continental (44 Milliarden Euro) und Denso (umgerechnet 36,4 Milliarden Euro). Das Spitzentrio verteidigt seine Positionen hartnäckig und war bereits in den vergangenen beiden Jahren in dieser Reihenfolge im Berylls TOP 100 Zulieferer-Ranking vertreten. Gegenüber dem Vorjahr ist der Abstand auf den Viertplatzierten mit 2,9 Milliarden Euro spürbar gewachsen (2016: 1,7 Milliarden Euro). Den Erfolg der großen Drei sichert die Tatsache, dass weltweit wohl nur sehr wenige Autos produziert werden, die ganz ohne Bauteile der Top-Player von den Bändern laufen – ganz egal ob es sich um Budget-Cars oder Luxus-Limousinen, E-Mobile oder konventionell angetriebene Modelle handelt.
Ein erster Blick auf die TOP 100-Tabelle offenbart ein geteiltes Bild: An vielen Stellen sind Umsatzrückgänge erkennbar. Bei immerhin acht Unternehmen aus den Top 20 zeigen sich negative Umsatzentwicklungen, vor allem asiatische und amerikanische Unternehmen finden sich in dieser Gruppe. Verantwortlich für diesen Eindruck sind allerdings nicht schlechte Geschäfte, sondern besonders heftige Währungskurseffekte im Jahr 2017. Denn gegenüber dem Euro – in dem die Ergebnisse der Berylls TOP 100 einheitlich ausgewiesen werden – haben alle anderen relevanten Währungen zum Teil deutlich an Wert verloren. Besonders hart traf es den Dollar, dessen Wert zum Stichtag 31.12.2017 um mehr als zwölf Prozent gegenüber dem EURO verlor. Einflüsse aus Währungskursentwicklungen hat es bei den Berylls TOP 100 allerdings auch in den vergangenen Jahren gegeben. Dass allerdings alle Wechselkurse gegenüber dem Euro nachgegeben haben, ist die große Ausnahme und ließ sich zuletzt im Jahr 2013 beobachten. In der aktuellen Übersicht haben alle Zulieferer ihren Umsatz im Mittel lediglich um 0,9 Prozent steigern können. In 2016 – einem Jahr mit wesentlich stärkerem Dollar – waren es noch rund sechs Prozent. Blendet man die Währungseffekte aus, kann die Zuliefererindustrie auf einen gemittelten Umsatzzuwachs von 8,6 Prozent zurückblicken – es ging also weiter aufwärts im vergangenen Jahr.
Vor allem für die deutschen Zulieferer lief es rund. 18 deutsche Unternehmen sind unter den TOP 100 zu finden. Auch Knorr-Bremse ist nach einem Umsatzplus von 16 Prozent wieder vertreten (Rang 87). Zu den großen Gewinnern zählt auch Freudenberg durch die Vollkonsolidierung des ehemaligen Joint Ventures Vibracoustics mit einem Sprung von Platz 84 auf die Position 60. Fünf Plätze konnten sich die deutschen Zulieferer im vergangenen Jahr im Schnitt nach vorn arbeiten. Ein Grund hierfür ist, dass die Innovationskraft der Deutschen nach wie vor ungebrochen ist. Als Beispiel dient ein Blick auf die Anzahl der angemeldeten Patente, die in den Jahren 2010 bis 2017 für Technologien zum autonomen Fahren erteilt wurden. Hier liegt Bosch mit 958 Anmeldungen unangefochten an Platz eins, gefolgt von Audi (516 Patente) auf Rang zwei und Continental mit 439 Patenten auf Rang drei. Asiatische oder amerikanische Zulieferer sind unter den zehn Besten in diesem Ranking nicht vertreten.
Blickt man auf die anderen europäischen Zulieferer ergibt sich ebenfalls ein erfreuliches Bild. Mit einer Ausnahme. Ein Sonderfall unter den Europäern ist sicher IAC (International Automotive Components) mit amerikanischen Wurzeln und Firmensitz in Luxemburg. Der Spezialist für Interieurkomponenten gehört zum US-Finanzinvestor Wilbur Ross und stürzte 2017 um 21 Plätze im Ranking auf die Position 66 ab. IAC musste umgerechnet einen Umsatzeinbruch von 35,5 Prozent verkraften. Die Auszeichnung durch GM als Supplier of the Year 2017 ist da kaum tröstlich. Immerhin konnte das Unternehmen im April 2018 den Abschluss einer neuen Finanzierungrunde bekanntgeben und mit Gamut Capital Management einen neuen Minderheitseigner für sich gewinnen. Die Talsohle soll nach eigenen Angaben damit durchschritten sein. Einen leichten Umsatzrückgang musste auch die Grupo Antolin (Rang 52) verzeichnen, die 2016 nach der Übernahme von Magna Interior Business noch einen signifikanten Umsatzsprung verzeichnet hatte.
Bislang generiert die klassische Welt der Automobilindustrie also gute bis sehr gute Umsätze. Schließlich ist der sogenannte Tipping Point bei Verbrennungsmotoren noch nicht erreicht: Weltweit werden Bauteile für konventionelle Antriebe nach wie vor stark nachgefragt. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Umstand nicht über Nacht ändern wird. Selbst wenn sich neben Newcomern wie Byton auch vereinzelt etablierte Marken wie DS, Smart oder Volvo dem E-Antrieb zuwenden, wird die Masse aller Neuwagen selbst 2025 noch mit Verbrenner vom Band rollen. Ein wichtiger Indikator dafür ist die Entwicklung des Volkswagen-Konzerns. Er will 2025 weltweit etwa 13 Millionen Autos absetzen, davon bis zu 30 Prozent mit E-Antrieb. Es werden also weiterhin rund zehn Millionen Modelle mit Benzin-, Diesel- oder Gasmotoren von den Bändern laufen. Ein Trend, der auch für die anderen Massenhersteller Gültigkeit haben dürfte.
Dennoch stellen sich die Zulieferer zunehmend auf die Elektrifizierung der Mobilität ein. Den Großen gelingt dies unter anderem, indem sie ganze Geschäftsbereiche abspalten, die langfristig nicht mehr ins Portfolio passen und dort zukaufen, wo Lücken im künftigen Angebot zu schließen sind. Ein Bespiel ist das Joint Venture von Continental mit Osram, das für innovative Licht- und Lasertechnik für autonome Fahrzeuge stehen soll. Ziel ist die Entwicklung intelligenter Licht- und Sensorsysteme für die Mobilität der Zukunft. Sie sollen die Kommunikation der Robo-Autos (C2C) untereinander, aber auch mit anderen Verkehrsteilnehmern sicherstellen (C2X). Welche Bedeutung Licht – das wichtigste Fahrerassistenzsystem überhaupt – künftig haben wird, zeigt auch die kürzlich erfolgte Übernahme des österreichischen Beleuchtungsspezialisten ZKW für 1,1 Milliarden Euro durch den Elektronikriesen LG . Es handelt sich hierbei um den größten Übernahmedeal des koreanischen Konzerns, von dem mehr als 9.000 Mitarbeiter weltweit betroffen sein werden. Interessanterweise finden aber auch jene Bereiche Käufer, die konventionelle Produkte außerhalb der CASE-Euphorie anbieten und deren Bedeutung gemeinsam mit dem Verbrennungsmotor zurückgehen wird. So hatte Bosch keine Probleme, einen Käufer für die Starter-Generatoren oder den Bereich Bosch Mahle Turbo Systems zu finden. Gekauft wurden diese Unternehmensbereiche von chinesischen Investoren, bzw. Zulieferern.
Chinesische Zulieferer gewinnen nicht zuletzt durch solche Transaktionen an Bedeutung. Ihre Zahl unter den TOP 100 hat sich auf immerhin vier Unternehmen erhöht. Zwei von ihnen finden sich bereits seit Jahren in der Liste: Weichai Power (Rang 17, Hersteller von Dieselmotoren, unter anderem Anteilseigner bei KION und Linde Hydraulics) und Yanfeng Automotive Interieurs (Rang 33, ehemaliges Interior Business von Johnson Controls und Hersteller von Interieur-Komponenten). Sie werden durch Citic Dicastal (Rang 74, Hersteller für Aluminium-Druckgussteile, Alufelgen) und Ningbo Joyson Electronics (Rang 75) ergänzt. Die chinesischen Zulieferer konnten im vergangenen Jahr enorme Wachstumsraten verzeichnen: Weichai legte um 68 Prozent zu, Ningbo blickt auf ein Plus von knapp 31 Prozent zurück – beides absolute Spitzenwerte, die von staatlichen Programmen in China ordentlich befeuert wurden.
Hinter dem Aufstieg von Ningbo Joyson steckt der Abstieg von Takata. 2016 lag der Spezialist für Passagierschutzsysteme im Ranking mit Platz 51 im soliden Mittelfeld, dann sorgten fehlerhafte Airbags für den größten Rückruf aller Zeiten und für die Insolvenz des Unternehmens. Damit verschwindet der japanische Hersteller aus der Übersicht und Ningbo Joyson betritt die Bühne. Das erst 2004 gegründete chinesische Unternehmen ist seit 2016 der Eigentümer des US-Zulieferers Key Safety Systems (KSS), der wiederum Takata übernommen hat. Joyson selbst produziert Elektronikbauteile wie Steuergeräte für Klimaanlagen aber auch Ladecontroller für E-Autos oder Lenkräder, zu den Kunden gehören unter anderem die deutschen Premiumhersteller. Mit der Übernahme von Takata durch KSS wird Ningbo Joyson nicht nur zu einem globalen Anbieter von Sicherheitstechnik, sondern auch zu einem von vier chinesischen Zulieferern unter den TOP 100.
Dass es bald noch deutlich mehr sein könnten, legt eine Analyse von Berylls Strategy Advisors nahe (siehe Seite XX). Sie betrachtet den chinesischen Zulieferer-Markt, auf dem sich, vielfach unbemerkt, neue Champions entwickeln. Besonders vielversprechend sind das Wanxiang-Konglomerat (Zulieferer für beispielsweise Lenksäulen, Antriebswellen und Frontachsmodule), aber auch die Minth-Gruppe, die bereits heute für internationale Kunden Interieur- und Exterieur-Fahrzeugteile produziert. CATL und BYD stehen als Akkuhersteller ebenfalls auf dem Sprung in die Gruppe der 100 weltweit größten Zulieferer.
Um zu diesem „Club“ dazuzugehören, mussten die Unternehmen in 2017 einen Mindestumsatz von 2,6 Milliarden Euro erzielen, die Schwelle lag nur 100 Millionen und damit nicht wesentlich oberhalb der Größenordnung von 2016. Es bedurfte dennoch eines starken Jahres, um erneut zu den TOP 100 Zulieferern zu gehören und den japanischen Zulieferern ist so ein starkes Jahr gelungen. Sie stellen mit 27 Vertretern erneut die größte Gruppe innerhalb der TOP 100: Allein fünf Unternehmen haben es unter die Top 20 geschafft. Die Profitabilität der Japaner liegt auf Vorjahresniveau, auch wenn die Gruppe einen deutlich schlechteren Eindruck vermittelt: Der um neun Prozent gegenüber dem EURO abgewertete Yen trägt dafür die Hauptverantwortung. Ohne die Berücksichtigung von Wechselkurseffekten verzeichneten lediglich zwei Unternehmen (Yasaki: Rang 19 und Calsonic: Rang 32) einen Umsatzrückgang.
Ganz anders sah es im vergangenen Jahr in Korea aus. Es war ein schwieriges Jahr für die südkoreanischen Zulieferer, schließlich mussten sechs von sieben Unternehmen eine rückläufige Profitabilität melden. Hankook Tires (Rang 50) und Hyundai Mobis (Rang sieben) traf es dabei besonders hart. Immerhin konnte Hankook beim Umsatz leicht zulegen und sich im Gesamtranking sogar um zwei Plätze verbessern. Die Profitabilität war bei den im Ranking vertretenen Reifenherstellern allerdings überwiegend rückläufig. Beim Umsatz bilanziert nach lokaler Währung, sind die Reifenhersteller jedoch alle im Plus.
Der gegenüber dem EURO deutlich schwächere US-Dollar überlagerte im vergangenen Jahr den Erfolg der amerikanischen Zulieferer. Es wurden vereinzelt sogar sehr überdurchschnittliche Umsatzzuwächse erzielt. Besonders erfreulich hat sich das vergangene Jahr für American Axle mit einem Plus von 59 Prozent und einem Sprung im Ranking von Position 65 auf 51 entwickelt. Der Hintergrund für diese Entwicklung ist die Übernahme von Metaldyne (Zulieferer u.a. für Dämpfer, Auspuffteile, Antriebskomponenten) mit 4.000 Mitarbeitern. Viel Bewegung innerhalb der US-Zulieferer beruht auf den weiter laufenden Anpassungen der Portfolios an kommende Herausforderungen. Ein Beispiel dafür ist die Aufspaltung von Delphi in Delphi Technologies (fokussiert auf die Produktion von Bauteilen für den klassischen Antriebsstrang) und Aptiv (Schwerpunkt bei Bauteilen für neue Mobilitätslösungen und Connectivity). Damit fällt Delphi zwar aus den Top 20, auf Rang 21 ist jedoch bereits die Ausgliederung Aptiv zu finden und selbst der kleinere Ableger Delphi Technologies belegt mit 4,0 Milliarden Euro Umsatz noch Rang 62.
Das Rad der Übernahmen und Firmenausgründungen hat sich 2017 erneut schneller gedreht als im Vorjahr und es spricht viel dafür, dass, es in 2018 so weitergehen wird. Gut gefüllte Kassen der großen Spieler und der allgemeine Drang sich noch stärker auf die Digitalisierung der automobilen Welt einzulassen weisen darauf hin, dass auch 2018 wieder von größeren Abspaltungen und Übernahmen gekennzeichnet sein wird. Die Bedeutung kreativer Start-ups, die die zukünftige Mobilität maßgeblich mitprägen wollen, wächst. Ihr Umsatz in Euro mag weit unterhalb der TOP 100-Schwelle von 2,6 Milliarden Euro liegen, ihr Einfluss in der Zulieferer-Industrie nimmt gleichwohl sprunghaft zu. Die Top Ten der Silicon Valley Start-Ups (Smartdrive, Greenroad, lytx, inthinc, nuTonomy, CRUISE, …) für kamerabasierte Systeme, Fahreraufmerksamkeit und automatisiertes Fahren konnten bislang laut aktueller M&A-Studie von Berylls Strategy Advisors über 800 Millionen Euro an Geldern einsammeln. Die Top 15 Start-ups für Carsharing wurden mit rund 700 Millionen Euro gefördert (Quelle: Berylls M&A-Studie).
Unter den Geldgebern befinden sich neben risikoaffinen Venture Capital Gesellschaften zunehmend auch TIER1-Zulieferer, die sich bei Beteiligungen bislang eher zurückhaltend verhalten haben. Aber die Zeiten ändern sich: Die namhaften Automobilzulieferer sind mittlerweile groß in Fahrt auf dem Weg in Richtung automobile Zukunft. Auch weil sie realisiert haben, dass neben den Tech-Titans aus dem Silicon-Valley nun auch noch mehr und mehr Chinesen in das Rennen eingestiegen sind.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.