Berylls by AlixPartners TOP 100 Zuliefererstudie 2024

München, August 2024

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Berylls by AlixPartners TOP 100 Zuliefererstudie 2024

München, August 2024
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is 2020 war die Zuliefererindustrie ein Garant für stabile Marktentwicklungen und stetiges Wachstum. 

Seit 2020 hat sich das Blatt gewendet. Langfristig sicher geglaubte Trends müssen kurzfristig überdacht werden und durch neue Veränderungen ersetzt werden. Diese Ungewissheit ist bis heute, und wird voraussichtlich auch für die unvorhersehbare Zukunft, das neue Normal sein, mit der sich Geschäftsführer und Entscheider arrangieren müssen. Dies scheint den Zulieferern immer besser zu gelingen. 

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Berylls Insight
TOP 100 Zuliefererstudie 2024
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Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Dr. Alexander Timmer

Partner

Dr. Jürgen Simon

Associate Partner

Hintergründe für den Erfolg chinesischer Hersteller

München, August 2024

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Hintergründe für den Erfolg chinesischer Hersteller

München, August 2024
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023 war ein erfolgreiches Jahr für den Automarkt China. Insgesamt wurden in 2023 21,9 Millionen Einheiten PKW abgesetzt (nur Inlandsverkäufe ohne Export), eine Zunahme von 4,3 % gegenüber 2022.

Wie in den letzten Jahren verdrängten EV (in China als NEV bezeichnet, äquivalent zu xEV) Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – und ihr Anteil wuchs weiter auf ca. 36 % des Gesamtmarktes, eine Steigerung von 33 % YoY (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die Zahl der NEVs steigt seit geraumer Zeit

Quelle: Berylls by AlixPartners, CAAM, CPCA

Beim Blick auf den heimischen Markt wird deutlich, dass die chinesischen Spieler wie in den letzten Jahren weiterhin dominieren. Besonders für batterieelektrische Fahrzeuge (EV), hervorzuheben sind BYD (2,7 Millionen verkaufte Einheiten), GAC Aion (483.000 verkaufte Einheiten), Geely (469.000 verkaufte Einheiten), Chang’An (385.000 verkaufte Einheiten), Li Auto (376.000 verkaufte Einheiten) und NIO (160.000 verkaufte Einheiten). Unter den Top 10 der bestverkauften EV-Marken finden sich nur chinesische Hersteller, mit einer Ausnahme: Tesla mit 604.000 verkauften Einheiten in 2023 (Abbildung 2).

Abbildung 2: Der chinesischer NEV-Markt wird überwiegend von lokalen Anbietern beherrscht

Quelle: Berylls by AlixPartners, CPCA

Gleichzeitig lässt sich der Erfolg chinesischer OEMs auch im Ausland sehen. Das Exportvolumen der chinesischen OEMs hat in den letzten Jahren für beide Antriebsarten massiv zugenommen. Das gesamte Exportvolumen ist seit 2020 um > 400 % gestiegen und hatte im Jahr 2023 ein sehr starkes Wachstum von 65,3 % YoY. Während der Trend in beiden Segmenten zu sehen ist, ist das Exportvolumen für Elektrofahrzeuge noch stärker gewachsen als für konventionelle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – so hat sich zum Beispiel der Absatz von Elektrofahrzeugen in China seit 2018 mehr als verzehnfacht (2018: 140.000, 2023: 1,68 Millionen, in verkauften Einheiten). Obwohl sich die chinesischen Hersteller in den etablierten westlichen Märkten wie Westeuropa noch nicht durchgesetzt haben, zeigen sich die chinesischen OEMs aber dazu entschlossen. Es ist daher zu erwarten, dass man in Zukunft mehr Aktivitäten der chinesischen OEMs in solchen Märkten sehen wird (Abbildung 3).

Abbildung 3: Gleichzeitig haben die Aktivitäten in Übersee massiv zugenommen

Quelle: Berylls by AlixPartners, CPCA, Press

Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Der erste Grund ist die Akzeptanz von EV bei chinesischen Konsumenten. Trotz der Abwesenheit von Käufer-Incentivierung beziehungsweise „Geld im Kofferraum“ vom Staat greift ein Großteil der chinesischen Konsumenten zu EV. Eine Berylls Untersuchung (mit über 1.000 Probanden) zeigt, dass 56 % der Fahrzeugbesitzer beziehungsweise 42 % der first-time buyer bei der Wahl des nächsten Autos zu einem EV greifen würden. Gleichzeitig fällt die Wahl überwiegend auf chinesische Marken (bezogen auf EV), mit jeweils 46 % bei den car owner und 61 % bei den first-time buyer. Im direkten Vergleich würden sich nur 32 % (car owner) beziehungsweise 23 % (first-time buyer) für EV deutscher Marken entscheiden!

Dies hängt mit Grund 2 zusammen: Die Anzahl der chinesischen Marken hat in den letzten Jahren stark zugenommen und gleichzeitig sind chinesische Fabrikate vergleichsweise „besser“ als ihre ausländischen JV-Wettbewerber. „Besser“ heißt hier: Der Kunde bekommt mehr (Funktionen und Technik) für weniger Geld.

Und ein geringerer Preis ist der dritte Grund. In 2024 fand eine beispiellose Rabattschlacht statt. Angetrieben von Preissenkungen von Tesla beim Model 3 und Model Y, senkten chinesische OEMs ihre Preise deutlich. Auch ausländische OEMs/JV zogen nach, wie man am Beispiel des ID.3 von SAIC-VW deutlich sehen kann. Auch ICE sind hiervon betroffen, so startet der FAW-Audi A4L bereits bei weniger als 30.000 EUR.

Abbildung 4: Preiserosionen werden auch 2024 das beherrschende Thema sein

Quelle: Berylls by AlixPartners

Die Schlüsselerkenntnis ist hier, dass sich die Preise massiv nach unten verschoben haben, es aber auch keine Erholung von Preissenkungen geben wird und die Autos auch nicht plötzlich teurer werden, nur weil sie besser ausgestattet sind.

Ganz im Gegenteil, es findet ein „Tech Overload“ statt – Ausstattungen, die in Deutschland nur im Premium-Segment zu finden sind, werden beziehungsweise sind bereits Standardausstattung von Volumina-Fahrzeugen in China. Dies betrifft insbesondere Smart Cockpit (ein Sammelbegriff für Connectivity beziehungsweise Infotainment) und AD/ADAS. Es ist ein Rennen um KPIs, bei dem sich OEMs bei Dingen überbieten wie: E-Reichweite, Ladedauer, Anzahl und Auflösung von Kameras (Stichwort: LiDAR, Millimeter-wave-Kameras), Rechenperformance („TOPS“), Chips (zum Beispiel Nvidia Orin X, Qualcomm Snapdragon 8295), ADAS-Funktionen (Stichwort: NOA, NGP) und mehr. Allerdings hören chinesische OEMs nicht bei „Funktionen“ auf, sondern nehmen nun auch die Fahreigenschaften in den Fokus. Um den Kunden einen Mehrwert für ihr Geld zu bieten, finden auch Dinge wie CDC und Rear Wheel Steering langsame Verbreitung in Standardfahrzeugen.

Abbildung 5: Die Ausgangsbasis hat sich verschoben

Quelle: Berylls by AlixPartners

  • Während Preise nach unten fallen, ist ein “Rennen um Funktionen” entbrannt, insb. Im Premium Segment
  • Chinesische OEMs packen ihre Fahrzeuge voll mit Tech auf HW- und SW-Seite und wetteifern um “KPIs”

 

Typische KPIs sind:

  • Smart Cockpit – Anzahl und Aufbau von Displays (z.B. drehbar), Intelligenz von KI-Assistenten, z.B. 4 Zonen Voice Control, OTA …
  • E-Antriebsstrang – E-Reichweite (geht in Richtung >1,000 km), Ladegeschwindigkeiten, Energiegehalt Batterie, Leistung E-Motor…
  • AD/ADAS – AD Level, ADAS Funktionen, z.B. NOA, NGP, Anzahl und Spec von Sensoren, z.B. LiDAR, Millimeterwelle Radar, 360° Kamera, Anzahl Megapixeln, Rechenleistung (gerechnet in TOPS) …
  • Interieur und Komfort – „Null-Gravitation“ Sitze, „Wohnzimmer“ Elemente, z.b. Kühlschrank, Fahrwerkkomponenten, z.B. CDC, Hinterradlenkung

Zusammengefasst: Autos in China bekommen immer mehr Funktionen, während sie immer billiger werden. Mehr Funktionen und günstigerer Preis –  zwei Entwicklungen, die in China Hand in Hand gehen.

Ausblick

In 2024 geht die Pricing-Schlacht mit unverminderter Härte weiter. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wird kein OEM in 2024 profitabel sein. Es ist davon auszugehen, dass einige einheimische OEMs dieses Jahr „verschwinden“ werden, auch die aktuellen Platzhirsche sind nicht gegen diese Gefahr gefeit. Jedoch ist das kein Grund zum Jubeln für ausländische/JV OEMs. Volumina, die mit einem lokalen OEM verschwinden, tauchen bei einem anderen lokalen OEM wieder auf. Gleichzeitig gewinnen lokale OEMs sukzessiv Marktanteile von ausländischen/JV OEMs, eine Entwicklung, die in nahezu allen Segmenten zu beobachten ist.

Implikation für deutsche Zulieferer

Um diese abzuleiten, müssen wir zuerst die Strategien der Hersteller verstehen. Diese werden viel stringenter auf Kosten achten, sehr zu Lasten von Zulieferern, wobei die Härte der ausländischen/JV OEMs sicherlich nicht mit der der lokalen chinesischen OEMs verglichen werden kann. Zusätzlich werden ausländische/JV OEMs mehr und mehr ihre Entwicklungsaktivitäten nach China verlagern. Gleichzeitig entsteht gerade eine große chinesische Zuliefererlandschaft, insbesondere in den Bereichen E-Powertrain, Smart Cockpit und AD/ADAS.

Für deutsche Zulieferer bedeutet das:

1. Profitabilitäts- und Cashflow-Druck, weil alle OEMs ihre eigenen Kosten optimieren werden, das heißt, alle OEMs, egal welcher Herkunft, werden sukzessiv mehr rein chinesische Zulieferer onboarden. Zum Vergleich: Lokale Spieler haben teilweise 80 % bis 90 % rein chinesische Komponenten.

2. Investitionsdruck, da die Verlagerung von OEM-Entwicklungsaktivitäten (westlicher OEMs/JV) nach China einen Nachzug auf Zuliefererseite bedeutet. Es müssen lokale Kapazitäten und Fähigkeiten aufgebaut werden.

3. Marktanteilsdruck, da chinesische Zulieferer diverse Domänen bereits dominieren, unter anderem Smart Cockpit, Batterie und AD/ADAS, und in anderen Bereichen stark expandieren. Wie schon in a) angedeutet, gibt es wenige Domänen, die noch von deutschen Zulieferern beherrscht werden, man denke an Chassis. Auch in diesen Domänen greifen chinesische Zulieferer an, zum Beispiel durch aggressives Pricing, jedoch bei vergleichbarer Qualität und vergleichbaren Funktionen.

Strategische Leitplanken für deutsche Zulieferer

Die Kernaktivität deutscher Zulieferer muss Kostenkontrolle sein. Es geht darum, die eigenen Supply-Chain- (inkl. Materialkosten) sowie Overhead Kosten anteilig zu verringern. Anteilig deswegen, da Zulieferer investieren müssen, um den gesteigerten lokalen Kundenanforderungen zu entsprechen. Hierzu gehören Dinge wie: strenge Kosten und insbesondere Cash-Disziplin, Auswahl neuer Sublieferanten und vor allem Kostenbeherrschung im Produktentstehungsprozess.

Gleichzeitig gilt es weiterhin innovativ zu bleiben, das heißt, Produkte zu günstigeren Preisen anzubieten. Ohne Innovationen und die daraus entstehenden differenzierenden Vorteile (wohlgemerkt: bei ähnlichem Pricing Level) greifen OEMs direkt zu chinesischen Lieferanten. Wie bereits dargestellt, müssen sich OEMs im Bereich Technologie übertrumpfen, um am Markt bestehen zu können – somit müssten alle Zulieferer mitziehen.

Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Zulieferer agil bleiben müssen, vor allem aufgrund sich verändernden OEM-Anforderungen. Ein exemplarisches Beispiel macht dies deutlich: XPeng P5 war der Startschuss von LiDAR bei seinem Launch 2021. Stand heute haben sämtliche chinesische OEMs bei LiDAR nachgezogen, unter anderem NIO, Li Auto, AITO, Luxeed, AVATR etc. – der LiDAR „Knubbel“ oberhalb der Frontschutzscheibe ist mittlerweile Standard. Eine sehr rigide Technologie Roadmap würde solch raschen Änderungen nicht erlauben, denn diese Agilität auf OEM-Seite muss auf Zulieferer widergespiegelt werden können.

Zuletzt sollten westliche Zulieferer M&A in Betracht ziehen und Teilverkäufe ins Auge fassen. Insbesondere gilt es Bereiche zu eliminieren, die wenig wettbewerbsfähig sind, oder der Wettbewerb so intensiv ist, dass ein Weiterbetrieb nicht weiter sinnvoll erscheint. Darüber hinaus könnten Kooperationen mit chinesischen Unternehmen eingegangen werden, um das Wissen über Themen, wie Connectivity, zu teilen. Die Entscheidung gilt aber individuell je Unternehmen zu bewerten und zu treffen.

Autor
Willy Wang

Associate Partner

Willy Wang

Willy Lu Wang (1981) verstärkt seit 2017 das Berylls-Team. Er begann seine berufliche Laufbahn im Traineeprogramm von Audi, mit Fokus auf Produktionsplanung. Nach anschließenden Stationen bei einer großen Strategieberatung und als Leiter Strategie bei einem deutschen Tier-1 Zulieferer, leitet er nun das China Geschäft bei Berylls. Sein Beratungsfokus liegt auf der Unterstützung aller Kunden in China, seien es JVs, WOFE oder rein lokale Spieler. Zusätzlich leitet er die Entwicklung von AI und Big Data Produkten für den chinesischen Markt, um so die Berylls End-to-End Strategie- und Produktentwicklungsfähigkeiten weiter zu stärken.

Die Stimmung trübt sich ein – Zulieferer verlieren ihren Optimismus bezüglich Elektromobilität

München, Juli 2024

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Die Stimmung trübt sich ein - Zulieferer verlieren ihren Optimismus bezüglich Elektromobilität

München, Juli 2024
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lickt man aktuell auf die Schlagzeilen rund um die Elektromobilität, sind diese vor allem negativ geprägt: Autovermieter wie Sixt und Hertz reduzieren den Anteil an Elektrofahrzeugen in ihren Flotten, Audi will weniger Elektromodelle auf den Markt bringen, Mercedes stoppt eine komplette E-Plattform.

Wo man auch hinsieht, die Euphorie bei der Elektromobilität klingt ab. Denn es gibt noch zu viele Hürden, als dass sich die Elektromobilität in der Breite durchsetzen kann. Dazu zählen unter anderem unsichere Restwerte, eine teils unzureichende Ladeinfrastruktur und vergleichsweise hohe Preise beziehungsweise Aufschläge im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Diese Ernüchterung ist zwar keine Abkehr vom eingeschlagenen Kurs in Richtung Elektromobilität, jedoch zumindest eine weitere Abschwächung der Geschwindigkeit und damit eine Verschiebung auf der Zeitachse.

Für die Zulieferer, die ohnehin schon mit vielfältigen Herausforderungen (zum Beispiel geringen Volumina, schnellen Innovationszyklen, niedrigen Margen) kämpfen, kommt diese Entwicklung zur Unzeit. Denn war die Stimmung bei den Zulieferern in Bezug auf die Elektromobilität im letzten Jahr noch sehr optimistisch (wenn nicht zu optimistisch), so hat sich diese gemäß diesjährigem Berylls Supplier Executive E-Mobility Survey 2024 merklich abgekühlt.

Zulieferer blicken weniger optimistisch in die elektrische Zukunft

Dass der eingeschlagene Kurs der Elektromobilität weiterhin Bestand hat, zeigt sich auch in den Befragungsergebnissen. Hängen heute noch 70 % der Zulieferer mindestens zu einem Viertel ihres Umsatzes vom Verbrenner ab, erwarten dies in fünf Jahren nur noch 55 %. Dabei sieht mit 69 % die große Mehrheit der Befragten die Elektromobilität als Chance für ihr Unternehmen – verglichen mit dem Vorjahreswert von 77 % zeigt sich aber eine deutlich trübere Stimmung. Dies ist nicht weiter verwunderlich angesichts verschärfter Marktbedingungen, die sich auch in der Erwartung zum Einfluss auf den Umsatz in den nächsten fünf Jahren zeigt. Gingen im letzten Jahr noch 75 % von einer Verbesserung aus, sind es in diesem Jahr nur noch 55 %. Dasselbe gilt auch für die Marge: Hier haben im letzten Jahr noch 43 % mit einem positiven Einfluss in fünf Jahren durch die Elektromobilität gerechnet, wohingegen 2024 nur noch 25 % höhere Margen erwarten.

Ausgewählte Ergebnisse E-Mobility Supplier Survey 2023 & 2024

Quelle: Berylls by AlixPartners

Strategische Pattsituation

Zulieferer sind dabei oftmals in einer schwierigen Situation. Wollen sie Marktanteile halten oder erobern, so fühlen sie sich gezwungen, das zügige Tempo der technologischen Entwicklung mitzugehen oder gar anzutreiben. Dabei zahlt sich die Innovation jedoch häufig nicht über hohe Margen aus. Schließlich sorgen zahlreiche Wettbewerber für einen enorm umkämpften Markt mit niedrigem Preis- respektive Margenniveau. Die Zulieferer sind dabei in einem gefährlichen Teufelskreis gefangen. Nur wenn sie mehr verkaufen, gibt es eine Chance auf Rentabilität durch Skaleneffekte. Gleichzeitig bedeutet ein Mehrverkauf der häufig defizitären Komponenten für die Elektromobilität eine Verschlechterung der Gesamtmarge beziehungsweise das Erfordernis von Subvention durch das übrige Geschäft.

Divestment oder fokussiertes Wachstum

Auch wenn die überwältigende Mehrheit der befragten Zulieferer (86 %) zufrieden ist mit ihrer Elektromobilitätsstrategie, so lässt sich auch hier ein eher zu optimistischer Blick vermuten angesichts der beschriebenen weiteren Verschärfungen der Situation. In jedem Fall gilt es für die Zulieferer, das Elektromobilitätsgeschäft kritisch zu beleuchten und in vielen Fällen auch gezielt das ökonomische Rational auf den Prüfstand zu stellen. Hierbei sollte es auch keine Tabus geben respektive sollten Divestments auch eine Option sein, die bewertet werden kann oder in vielen Fällen gar muss. Große Tier-1-Zulieferer haben es zuletzt vorgemacht und sich aus Komponenten wie Batteriepacks, Elektromotoren, Leistungselektronik oder Batterie-Management-Systemen zurückgezogen. Dabei konnte trotz vermeintlich attraktiver Marktgröße und -wachstum auf absehbare Zeit kein positives Ergebnis erwartet werden, womit Renditeansprüche nicht zu erfüllen und Kapitalallokationen nicht zu rechtfertigen waren.

Stehen die Zeichen auf Verbleib, so muss die Innovationsstrategie vor dem Hintergrund kürzer Innovationszyklen mit oftmals fehlender Rentabilität grundlegend hinterfragt werden. Ferner gilt es, Anläufe effizient und fehlerfrei zu organisieren, fehlende Abrufe unmittelbar bei den OEMs zu „claimen“ und eine gut durchdachte Wettbewerbspositionierung zu definieren. Auch eine hohe Flexibilität und teilweise Technologieoffenheit sollten elementare Themen in der Strategie sein. Schließlich schwenken zahlreiche OEMs aktuell auf das Modell der Technologieoffenheit um, analog zu BMW. Damit einhergehend werden beispielsweise Motorenprogramme verlängert, was wiederum denjenigen Zulieferern zugutekommt, die in diesen Bereichen noch aktiv sind. Hier merken OEMs bereits, dass ihre ehemalige Lieferantenbasis in den verbrennerabhängigen Komponenten geschrumpft ist und Zugeständnisse bei Preisen gemacht werden müssen.

Fest steht: Das Elektromobilitätsgeschäft ist und bleibt anspruchsvoll und braucht vielfach noch Subvention von anderen Geschäftsbereichen, ehe es langfristig zu einem attraktiven Geschäft werden wird. Zulieferer müssen sich aktuell mehr denn je die Frage stellen, wie sie sich zu und in diesem hart umkämpften Markt positionieren wollen.

Autor
Dr. Jürgen Simon

Associate Partner

Dr. Jürgen Simon

Dr. Jürgen Simon (1986) ist als Associate Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Vertriebs- und Unternehmensstrategien sowie M&A und kann auf eine langjährige Beratungserfahrung zurückschauen. Er berät seit 2011 Automobilhersteller und -zulieferer und verfügt über fundiertes Expertenwissen in den Bereichen ganzheitliche Strategieentwicklung, Geschäftsmodelle und Commercial Due Diligence. Weitere Schwerpunkte liegen in Markteintrittsstrategien sowie Themen rund um das „Software Defined Vehicle“. Als diplomierter Ökonom der Universität Hohenheim hat er vor seinem Einstieg bei Berylls am Institut für Unternehmensführung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) promoviert.

Navigating online automotive sales – Key insights from consumers around the globe

Munich, July 2024

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Navigating online automotive sales - key insights from consumers around the globe

Munich, July 2024
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espite heavy investments, OEMs are facing the challenge to sell cars online mainly due to low customer awareness.

As a result, online vehicle sales fall short for many OEMs. Our latest research, „Navigating Online Automotive Sales – Key Insights from Consumers Around the Globe,“ tackles this issue head-on. We explored what customers in Germany, China, the USA, and Korea mean by „buying cars online,“ which steps they prefer to complete online versus offline, the role of dealers, and what encourages online car purchases.

Here are some of our Key Insights:

  1. HERE TO STAY: Post covid hype – where vehicle availability was limited & willingness to pay was high – is over! Yet, Digital Automotive Commerce is here to stay, as some customers (especially EV customers) prefer digital over physical touchpoints. OEMs must create a decisive and clear USP (over offline retail) for customers when deciding to drive online sales.
  2. POWER OF CHOICE: In parallel, OEMs need to enable the customer to switch between online & offline (a.k.a. “true omnichannel”) – Especially for more complex steps such as trade-in and financing and price negotiations, OEMs must create digital journeys forwarding hot leads to the dealer to be converted for the neuralgic sales steps
  3. ROLE OF THE DEALER: Speaking of offline: The dealer role is and will remain critical, especially for digital sales as retail is “part of the system” – also the customer requests advice primarily in person, which can also be enabled using digital channels (e.g. via virtual consultation)

 

Download the full report to explore all insights and strategies for enhancing online vehicle sales.

In our latest Webinar in cooperation with Civey, our experts show what is important to automotive customers along the entire process of buying cars online – Enjoy watching!

Berylls Insight
Navigating online automotive sales - Key insights from consumers around the globe
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Authors
Henry Lundt

Principal

Philipp Purrucker

Senior Associate

Julian Krugmann

Associate

Pia Wurst

Consultant

Henry Lundt

Henry Lundt (1984) is a Principal at Berylls Mad Media (part of Berylls Group), the experts for transforming sales & marketing in the automotive industry. He is an expert in digital automotive commerce as well organizational transformation and can look back on many years of consulting experience in various roles.

Henry Lundt has been digitizing automotive sales & marketing for manufacturers and suppliers since 2009 and has experience in the areas of holistic strategy development, digital product development & applying and optimizing agile working models. Beyond this, Henry Lundt built expertise in digital automotive commerce, consulting our clients to build and optimize transaction journeys. Prior to joining Berylls Mad Media, he set up Berylls Digital Ventures as first Berylls Group entity – prior to joining Berylls, Henry Lundt was Head of Automotive at TD Reply, a marketing & innovation consulting firm, focused on digital business.

He graduated as business economist from the University of EBC Berlin in marketing & media with a combined studies in Business Management in University of Sunderland & University of Newcastle upon Tyne (UK).

Relevanz von erfolgreichem Claim-Management in Krisenjahren

München, Juli 2024

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Relevanz von erfolgreichem Claim-Management in Krisenjahren

München, Juli 2024
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OVID-19-Pandemie, Lieferengpässe, Ukraine-Krieg und Inflation – die Krisen der letzten Jahre haben auch die Automobilindustrie vor Herausforderungen in Form von steigenden Zinsen, hohen Energiekosten und volatilen Rohstoffpreisen gestellt und tun dies nach wie vor.

Zusätzlich wird vonseiten der Hersteller, durch den zunehmenden Preiswettbewerb, Druck auf die Zulieferer ausgeübt, was zum einen die Umsatz- und Profitabilitätssituation weiter verschärft und zum anderen bei vielen Zulieferern bereits zu massivem Stellenabbau geführt hat. Unter den TOP-100-Zulieferern weltweit lässt sich ein Margenrückgang von 8,3 % im Jahr 2017 auf circa 6 % im Jahr 2023 beobachten.

Zulieferer hatten im Jahr 2023 mit signifikanten Kostensteigerungen zu kämpfen. Das ergab eine Expertenbefragung, an der deutsche Vertreter von mittelständischen bis hin zu den größten globalen Zulieferern teilnahmen. Etwa 76 % der Befragten gaben dabei an, dass die Kosten um mehr als 5 % gestiegen seien (7,9 % im Durchschnitt). Als Gründe dafür wurden hauptsächlich höhere Material-, Lohn- und Energiekosten genannt. Für das Jahr 2024 rechnet die Mehrheit der befragten Experten damit, dass sich die Entwicklung von zuletzt rückläufigen Erzeugerpreisen fortsetzt und zu geringeren Kostenanstiegen als noch im Vorjahr führen wird. So erwarten nur noch knapp 30 % der Experten einen Kostenanstieg von mehr als 5 % bei durchschnittlich 4,2 % im Jahr 2024.

Um dem Anstieg der Kosten und dem in 2024 weiter steigenden Druck der OEMs entgegenzuwirken, reichen Maßnahmen auf der Kostenseite der Zulieferer allein nicht aus. Forderungen aus Kostenanstiegen, Volumenschwankungen etc. müssen systematisch identifiziert und umgesetzt werden. Dieses sogenannte Claim-Management birgt großes Umsatz- und Ergebnispotential.

Tatsächlicher Kostenanstieg 2023 und erwarteter Kostenanstieg 2024 im Vergleich zum Vorjahr

Quelle: Berylls by AlixPartners

Während im Jahr 2023 noch 38 % aller Befragten mehr als 75 % des Kostenanstiegs durch Claims deckten, hat sich der Ausblick und die Zuversicht für das erfolgreiche Management von Kostenanstiegen durch Claims für das Jahr 2024 verschlechtert. So erwarten nur noch 19 % der Zulieferer, mehr als 75 % des Anstiegs durch Claims an die OEMs weitergeben zu können. Die Mehrheit rechnet mit weniger als 50 % erfolgreichen Claims.

Diese Entwicklung verleitet zu einem Gedankenspiel hinsichtlich der Relevanz von erfolgreichem Claim-Management. Unternehmen mit einem herausragenden Claim-Management können nach Berylls Expertenmeinung bis zu 15 % ihres Umsatzes über Claims realisieren. Stellen wir uns nun einen Zulieferer mit einem jährlichen Gesamtumsatz von 1 Milliarde Euro, 6 % Gewinnmarge und einer Claim-Realisation von 100 % vor. Basierend auf diesen Werten werden 150 Millionen Euro seines Umsatzes durch Claims erzielt. Fällt die Claim-Quote nun auf 50 %, entspricht dies einem Umsatzrückgang von 75 Millionen Euro. Bei gleichbleibenden Kosten reduziert sich in diesem Fall die Gewinnmarge auf –1,5 % und ist somit im Verlustbereich. Für das Unternehmensergebnis ist ein wirksames Claim-Management also überaus relevant. Ein von den Experten für 2024 erwarteter Rückgang der Realisierung von Claims kann für den einzelnen Zulieferer dramatische Folgen haben und existenzgefährdend sein.

Hinsichtlich der Claiming-Gründe kann eine Verschiebung festgestellt werden. Waren im Jahr 2023 noch gestiegene Materialkosten der häufigste Claiming-Grund, werden für 2024 Volumenschwankungen als Hauptgrund erwartet. Dies deckt sich mit aktuellen Prognosen, die das Produktionsvolumen in Europa für 2024 zuletzt leicht nach unten korrigierten. Zurückzuführen ist dies maßgeblich auf sinkende Absatzprognosen bei batterieelektrischen Fahrzeugen.

Tatsächliche (2023) und erwartete (2024) Deckung des Kostenanstiegs durch Claims

Quelle: Berylls by AlixPartners

Trotz der verschlechterten Aussicht schätzen die befragten Experten laut der Umfrage ihr Claim-Management im Durchschnitt als positiv ein. Zusammengefasst liegt die Reife des Claim-Managements meist deutlich unter dem optimalen Niveau, woraus sich folgende Handlungsfelder für Zulieferer ergeben:

Transparenz schaffen: Um Claims erfolgreich und schnell abzuwickeln, ist umfassende Transparenz über alle Möglichkeiten für Claims, Verträge mit Kunden, Kostenentwicklung sowie laufende Claim-Prozesse elementar.

Klare Regeln und Prozesse etablieren: Ein erfolgreiches Claim-Management erfordert klare Strukturen, Verantwortlichkeiten und Prozesse. Es ist wichtig, Regeln für die Kommunikation mit Kunden sowie das Einbinden von Managementebenen zu etablieren.

Claims konsequent durchsetzen: Zur Durchsetzung von Claims müssen KPIs zur Steuerung, Kontrolle und Incentivierung verwendet werden. Sie dienen als Auslöser für den Start eines Claim-Prozesses und helfen dabei, die Leistung und Effektivität zu verbessern. Die Einbeziehung von Abteilungs- und Funktionsübergreifender Teams aus Einkauf, Produktion, Vertrieb und Finance sowie externer Experten bei kritischen Verhandlungen ist entscheidend, um Claims erfolgreich durchzusetzen.

Ein abschließender Blick auf die Umfrageergebnisse: Im Jahr 2023 konnten die befragten Experten in Summe ca. 2,7 Milliarden Euro des gesamten Kostenanstiegs nicht durch Claims kompensieren. Da die Realisierung von Claims in 2024 noch schwieriger werden wird, ist es somit für alle Zulieferer zwingend notwendig, ihr Claim-Management weiter zu professionalisieren.

Hauptgründe für Claims

Quelle: Berylls by AlixPartners

Autoren
Dr. Alexander Timmer

Partner

Thorsten Lips

Partner

Philipp Stütz

Associate Partner

Maximilian Deuringer

Consultant

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Philipp Stütz

Philipp M. Stütz (1981) verstärkt seit Anfang 2021 das Berylls Operations Team. Er besitzt über fünfzehn Jahre Erfahrung in der Automobilindustrie. Davon hat er sieben Jahre bei einem internationalen Automobilzulieferer mit Einsätzen in Spanien, den USA und Mexiko und über acht Jahre in der Beratung verbracht. Sein Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich Operations Excellence, insbesondere in großen Transformationsprogrammen, Prozessoptimierungen und der Effizienzsteigerung in der Administration und indirekten Produktionsbereichen. Zu den Klienten, die er betreut, zählen Zulieferer wie OEMs gleichermaßen.
Philipp M. Stütz ist technisch orientierter Diplomkaufmann und hat an den Universitäten Stuttgart und Straßburg studiert.

Thorsten Lips

Thorsten Lips (1972) ist Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors). Er begann seine Karriere 1998 als Unternehmensberater bei PricewaterhouseCoopers Düsseldorf. Nach einem sechsjährigen Aufenthalt am Malik Management Centre in St. Gallen, Schweiz, übernahm er als Partner bei Horváth die branchenübergreifende, globale Verantwortung für Pricing, Sales, Service und Marketing. Bei Berylls liegt sein Schwerpunkt im Bereich Pricing & Revenue Management. Dies umfasst die klassischen Themen wie Neu- und Gebrauchtwagenpreise, Aftersales Pricing und ähnliches. Darüber hinaus ist er Experte für innovative Pricing- und Revenue Management-Ansätze für digitale Produkte und Dienstleistungen sowie im Bereich des datengetriebenen Pricings.

Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Ilmenau und der Technischen Universität Darmstadt.

Zulieferer melden sich zurück – Marge und Umsatz steigen

München, Juli 2024

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Zulieferer melden sich zurück – Marge und Umsatz steigen

München, Juni 2024
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uch im Jahr 2023 konnten die weltweit 100 größten Zulieferer ihren Umsatz steigern. Gesunkene Rohstoff- und Energiekosten trugen zudem zu einer Entspannung bei der im Vorjahr unter Druck geratenen Marge bei.

Die größten Gewinner des vergangenen Jahres kamen erneut aus Asien. Bei den Warengruppen hatten abermals Batterie- und Halbleiterhersteller, trotz rückläufigen Umsatzwachstums, die höchsten Wachstumsraten bei Umsatz und Marge.

Die Automobilindustrie erlebte im Jahr 2023 eine Erholung entlang der gesamten Lieferkette. Sowohl die OEMs als auch die Zulieferer konnten ihre Umsätze und Margen steigern. Nachdem der Umsatz der Zulieferer im Jahr 2022 erstmals die Marke von einer Billion Euro überschritt, konnten die Zulieferer 2023 ihren Umsatz um 6,9% steigern und mit 1.135 Milliarden Euro erneuten einen Spitzenwert erzielen. Die zehn größten Automobilhersteller übertrafen mit einem Umsatzanstieg von 8,1% auf 1.770 Milliarden Euro sogar das Wachstum der Zulieferer. Die OEMs profitierten dabei vor allem von einer gestiegenen Nachfrage in Nordamerika und Europa, die entgegen vielen Prognosen vor allem auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren entfiel.

Bei der Marge konnten die Zulieferer, auch dank einer Entspannung der Rohstoff- und Energiekrise, das größere Wachstum verbuchen. Die umsatzgewichtete Marge der TOP 100 stieg um 0,7 Prozentpunkte auf 5,9%, die TOP 10 OEMs konnten im vergangenen Jahr die umsatzgewichtete Marge um 0,6 Prozentpunkte auf 8,5% verbessern. Damit beendeten die Zulieferer eine dreijährige Periode, in der sich ihre Margen im Vergleich zu den OEMs Jahr für Jahr weiter auseinanderentwickelten. Vor allem die Zulieferer aus Asien konnten 2023 mit hohen Wachstumsraten bei Umsatz und Marge glänzen. Vier der fünf Wachstumschampions, sowohl beim relativen Umsatzwachstum als auch beim Anstieg der Marge, kommen aus Asien.

Im Jahresrückblick haben damit vor allem drei Themen die Entwicklung der Automobilindustrie beeinflusst: erstens das Absatzplus der OEMs, insbesondere bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor; an zweiter Stelle der Rückgang der Erzeugerpreise, der zu einer Erholung der Margen führte; und drittens die erneut starke Performance asiatischer Zulieferer im Vergleich zu ihren Konkurrenten aus Europa und Nordamerika. Vor allem die südkoreanischen Batteriehersteller konnten mit einem hohen Umsatzwachstum herausstechen, während sich die im Vorjahr noch so stark gewachsenen Halbleiterproduzenten in puncto Wachstum den anderen Warengruppen annäherten.

UMSATZ UND MARGE DER TOP 100 ZULIEFERER UND TOP 10 OEMs 2017–2023 (IN MRD. EUR UND % DES UMSATZES)

¹ VW, Toyota, Mercedes-Benz, Ford, GM, Stellantis, Honda, BMW Group, Saic, Hyundai                             
Quelle: Berylls by AlixPartners

Umsatz steigt – dank zunehmendem Fahrzeugabsatz

Dass die Zulieferer und Automobilhersteller im Jahr 2023 ihren Umsatz steigern konnten, lag maßgeblich an dem weltweit um 12% gestiegenen Fahrzeugabsatz. Dabei sorgte bei den TOP 10 OEMs vor allem die gestiegene Nachfrage nach Verbrennermodellen für ein großes Umsatzplus von 85,6 Milliarden Euro. Elektro- und Hybridmodelle zeichneten sich zwar durch hohe Wachstumsraten von 30% bzw. 54% bei den weltweiten Fahrzeugzulassungen aus, doch aufgrund der weiterhin vergleichsweisen geringen Volumina trugen sie absolut gesehen nur zu einem Umsatzplus von 17,7 Milliarden Euro beziehungsweise 29,6 Milliarden Euro bei den TOP10 OEMs bei. Zu den Profiteuren gehören Zulieferer, die einen hohen Anteil an Bauteilen für Verbrennerfahrzeuge im Portfolio haben. Sie verzeichneten 2023 ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum von 9,6% und lagen damit 2,7 Prozentpunkte über dem Wachstum von 6,9% der größten 100 Zulieferer. Auch bei der Marge konnten die Zulieferer mit Fokus auf den Verbrenner einen höheren Anstieg verzeichnen als der Durchschnitt. Stieg die Marge der TOP 100 um durchschnittlich 0,7 Prozentpunkte, lag der Anstieg bei den Unternehmen mit hohem Verbrenneranteil im Produktportfolio bei 1,1 Prozentpunkten. Des Weiteren profitierten 2023 Unternehmen, die Teile für Nutzfahrzeuge herstellten. Mit 16% in Europa und 14% in den USA lag die Wachstumsrate bei den neuzugelassenen Nutzfahrzeugen jeweils 2% über der von neuzugelassenen PKW. In China stieg der Absatz von Nutzfahrzeugen sogar um 22% und übertraf damit die Wachstumsrate der PKW mit 11% deutlich. Der größte Profiteur: Weichai Power, ein chinesischer Spezialist für Verbrennungsmotoren und Nutzfahrzeuge, der 2023 seinen Umsatz um 38,5% und seine Marge um 5,8 Prozentpunkte steigern konnte. Ebenfalls profitierte Nutzfahrzeugzulieferer Knorr-Bremse von diesem Wachstum und konnte infolgedessen seinen Umsatz um 11,5% und die Marge um einen Prozentpunkt steigern.

UMSATZENTWICKLUNG DER TOP 10 OEMs NACH ANTRIEBSART UND REGIONEN (IN MRD. EUR)

Quelle: Berylls by AlixPartners

Marge steigt – dank gesunkener Erzeugerpreise

Neben dem Umsatzwachstum durch die gestiegene Nachfrage hatten auch die gesunkenen Erzeugerpreise und der damit verbundene Anstieg der Marge einen positiven Effekt auf die finanzielle Situation der Hersteller und Zulieferer. Der Margendruck nahm in den vergangenen Jahren durch geopolitische Konflikte wie den Krieg in der Ukraine sowie durch Covid-19 und den Halbleitermangel kontinuierlich zu. Als Folge stiegen Rohstoff- und Energiepreise stark an, während Margen sanken. Vor allem der Standort Deutschland litt im vergangenen Jahr darunter, was zahlreiche Restrukturierungen und Werksschließungen nach sich zog. Mit Bosch kündigte auch der weltweit größte Automobilzulieferer einen Stellenabbau in Deutschland an. Dass der Rückgang der Erzeugerpreise das Ende dieser Sparprogramme einläutet, bleibt dennoch unwahrscheinlich. Zwar sanken die Erzeugerpreise in Deutschland 2023 um –2,4%, maßgeblich verursacht durch um 50% gesunkene Energiekosten, aber im internationalen Vergleich bleibt das Kostenniveau in Deutschland weiterhin hoch. Denn mit –2,7% in den USA und –6,8% in China sanken die Erzeugerpreise in den beiden Ländern nicht nur stärker, sondern waren im Jahr 2022 mit einem Anstieg von 16,3% in den USA und 4,1% in China bereits weniger stark gewachsen als in Deutschland, in dem die Erzeugerpreise im Jahr 2022 um 32,9% zunahmen.

ENTWICKLUNG DER ERZEUGERPREISE IM VERGLEICH ZUM VORJAHR
(IN %)

Quelle: Berylls by AlixPartners

Rennen der Nationen – China auf der Überholspur

Obige Kostenvorteile sind auch ein Grund, warum chinesische Zulieferer zunehmend häufiger im TOP 100 Ranking vertreten sind. Während 2012 Weichai Power der einzige chinesische Zulieferer im Ranking war, waren 2022 bereits acht chinesische Unternehmen unter den 100 weltweit größten Zulieferern vertreten. Vor allem CATL geriet ins Rampenlicht – 2018 zum ersten Mal unter den 100 größten Zulieferern, kletterte der Batteriehersteller innerhalb von fünf Jahren sogar in die Riege der zehn größten Zulieferer. Im Jahr 2023 hat mit dem Reifenhersteller Sailun erneut ein chinesisches Unternehmen den Sprung in die TOP 100 geschafft.

Ein Ende des rasanten Anstiegs chinesischer Zulieferer in den TOP 100 ist auch weiterhin nicht in Sicht. Laut Berylls-Analyse könnten bis 2030 acht zusätzliche chinesische Lieferanten im TOP 100 Ranking vertreten sein und mit CATL würde auch der größte Zulieferer der Welt 2030 aus China kommen, statt wie aktuell mit Bosch aus Deutschland. Damit hätte China mit 17 Zulieferern im Jahr 2030 Deutschland vom zweiten Platz hinter Japan verdrängt. Aus Deutschland, das aktuell von 17 Unternehmen in den TOP 100 repräsentiert wird, würden 2030 hingegen nur noch 13 Zulieferer kommen. Japan, aktuell mit 23 Unternehmen vertreten, wird weiterhin seine Position an der Spitze der Länder mit den meisten Zulieferern innerhalb der TOP 100 behalten und würde mit voraussichtlich 26 Unternehmen im Jahr 2030 seinen Vorsprung weiter ausbauen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es sich bei diesen chinesischen Zulieferern nicht nur um Batterie- oder Halbleiterhersteller handelt. Ganz im Gegenteil: chinesische Unternehmen gewinnen in altbekannten Warengruppen wie Sitze, Reifen, Beleuchtung oder Bremsen zunehmend Marktanteile. Beispielsweise konnte die chinesische NBHX Group, ein Spezialist für Fahrzeuginnenräume, den Umsatz 2023 um 17,9% auf 3 Milliarden Euro steigern und verpasste so den Einzug in die TOP 100 nur knapp. Auch der chinesische Karosserie- und Interieurzulieferer TUOPU ist mit einem Umsatz von 2,6 Milliarden Euro und einer Wachstumsrate von 23,2% im vergangenen Jahr ein heißer Anwärter auf einen Platz im Ranking der 100 größten Zulieferer. Das starke Wachstum chinesischer Zulieferer ist dabei nur bedingt durch das Aufstreben der chinesischen OEMs verursacht. Vielmehr waren chinesische Zulieferer in der Lage, Marktanteile von der Konkurrenz aus Europa und den USA zu übernehmen. Denn während das Umsatzwachstum in Euro bemessen für die fünf größten chinesischen OEMs im Jahr 2023 seit 2018 nur bei 39% liegt, konnten die fünf größten chinesischen Zulieferer im selben Zeitraum den Umsatz in Euro um 121% steigern.

Dass die Zulieferer aus Europa und den USA nicht zu den großen Gewinnern 2023 zählten, ist ein alarmierendes Signal, wenn man einen Blick auf das regionale Wachstum der OEMs wirft. Denn in Europa und den USA konnten die zehn größten OEMs mit 15,5% und 12,7% zweistellige Wachstumsraten verzeichnen, während in Asien das Umsatzwachstum mit 3,8% deutlich schwächer ausfiel. Für die Zulieferer aus Deutschland gibt es dennoch eine positive Nachricht: Seit 2017 sank der Umsatzanteil der deutschen Zulieferer im TOP 100 Ranking kontinuierlich, ein Trend der 2023 gestoppt werden konnte. Wie auch 2022 belief sich der Anteil Deutschlands am Gesamtumsatz auf 20,6%. An dieser Stelle müssen allerdings auch die Wechselkurseffekte zu Gunsten des Euro im vergangenen Jahr berücksichtigt werden. Denn im Vergleich zu 2022 verlor der chinesische Yuan durchschnittlich um 7,6%, der japanische Yen 9,2% und der koreanische Won 3,8%. Umso beeindruckender, dass Japan, dessen Umsatzanteil von 2018 bis 2022 von 27,7% auf 21,8% sank, auch in der Lage war seinen Umsatzanteil in 2023 zu stabilisieren. Für die chinesischen Zulieferer hatten die Wechselkurseffekte sogar einen, wenn auch leichten, Rückgang des Marktanteils zur Folge: Statt wie 9,3% in 2022, konnten die Zulieferer aus dem Reich der Mitte in 2023 nur 9,1% zum Umsatz der TOP 100 beitragen. Der Gewinner im Rennen der Nation war auch dieses Jahr Südkorea, dass seinen Umsatzanteil, vor allem dank der Batteriehersteller, von 8,8% auf 9,8% steigern konnte.

AUFSTIEG CHINAS INNERHALB DER TOP 100

¹ Umsatzanteil 2030 basiert auf dem bereinigten CAGR von 2019–2023 für die Zulieferer aus dem TOP 100 Ranking und mögliche chinesische Neuzugänge; CAGR angepasst gemäß Berylls Annahmen für Batteriewachstum, Einmaleffekte und Gewichtung der jährlichen Wachstumsraten zwischen 2019 und 2030.

Quelle: Berylls by AlixPartners

China und Korea werden zur Autonation

Der Aufstieg chinesischer Zulieferer ist dabei mehr als nur eine Begleiterscheinung des Wirtschaftswachstums in China. Denn während das nominale BIP Chinas in Euro bemessen seit 2018 um 36% angestiegen ist, nahm der Umsatz der im Ranking vertretenen Zulieferer um 144% zu. Dabei profitierte China auch durch den Zugewinn von drei neuen Unternehmen, die es seit 2018 in das Ranking geschafft haben: die Reifenhersteller ZC Rubber und Sailun sowie der Glashersteller Fuyao. Noch deutlicher fällt der Unterschied in Südkorea aus. Mit einem Umsatzzuwachs von 145% kann Südkorea das Wachstum chinesischer Zulieferer sogar noch übertreffen, und das bei einem nominalem BIP-Wachstum von lediglich 5%. Auch hier konnten Neueinsteiger, die mehrheitlich neue Technologien für die Automobilindustrie produzieren, zum Umsatzwachstum beitragen. Mit SK on, Samsung SDI und LG Energy Solution sind drei der koreanischen Neueinsteiger Batteriehersteller. Dass neue Technologien in der Automobilindustrie in den vergangenen Jahren hohes Wachstum erfuhren, zeigt sich auch eindrucksvoll am Beispiel der Niederlande. Wie schon 2018 ist NXP Semiconductors auch 2023 der einzige niederländische Vertreter im Ranking der 100 größten Zulieferer. Dank der hohen Nachfrage nach Halbleitern in den vergangenen Jahren betrug das Umsatzwachstum des Halbleiterherstellers von 2018 bis 2023 101% und übertrifft damit das nominale BIP-Wachstum von 27% deutlich. Von den etablierten Zulieferernationen – Japan, Deutschland und die USA – konnten lediglich japanische Unternehmen in den TOP 100 stärker wachsen als das nominale BIP, und das, obwohl im Jahr 2023 fünf japanische Unternehmen im TOP 100 Ranking weniger vertreten waren als noch 2018. Doch die verbliebenen Unternehmen waren in der Lage, im Jahr 2023 den gleichen Umsatz zu erwirtschaften wie alle 28 Unternehmen zusammen noch im Jahr 2018. Damit liegt Japan trotz einer Umsatzstagnation über dem nominalen BIP-Wachstum, das seit 2018 um –11% zurückgegangen ist.

ENTWICKLUNG UMSATZ DER TOP 100 UND NOMINALES BRUTTOINLANDSPRODUKT (BIP)
(WACHSTUM ZULIEFERERUMSATZ UND NOMINALES BIP 2018–2023, IN % KUMULIERT)

Quelle: Berylls by AlixPartners, World Bank

Batterie- und Halbleiterproduzenten erneut stark – Reifengeschäft schwach

Auch 2023 gehörten Batteriehersteller wieder zu den Unternehmen mit dem höchsten Umsatzwachstum, und dies trotz eines Einbruchs der Wachstumsrate um 40,8 Prozentpunkte. Denn während 2022 das Umsatzwachstum der Batteriehersteller noch bei 64,5% lag, waren es im vergangenen Jahr nur 23,7%. Vor allem Platzhirsch CATL konnte nicht an die Wachstumsrate aus dem Vorjahr anknüpfen und 2023 den Umsatz in Euro bemessen nur um 11,4% steigern, während 2022 das Umsatzplus noch bei 84,5% lag. Für die koreanischen Batterielieferanten lief es dagegen deutlich besser: Mit einem Umsatzwachstum von 62,8% verzeichnete SK on das größte Wachstum aller Zulieferer in den TOP 100, gefolgt von LG Energy Solution mit 40,1%. Auch Samsung SDI, der Letzte der drei koreanischen Batteriehersteller im Ranking, konnte sich mit 34,6% einen Platz unter den fünf Wachstumschampions sichern.

Es scheint jedoch, dass sich die Zeiten des rapiden Wachstums vorerst dem Ende neigen. Im vierten Quartal hatten die im Ranking vertretenen Batteriehersteller alle mit einer schwachen Nachfrage zu kämpfen. So musste CATL im letzten Quartal einen Umsatzrückgang von 10,6% gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnen. Aber auch alle anderen Batteriehersteller, die es in die diesjährigen TOP 100 geschafft haben, erlebten im letzten Quartal 2023 einen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Für die Batteriehersteller ist die sinkende Wachstumsrate ein Alarmsignal, denn getrieben durch hohe Fördersummen haben die Hersteller in den vergangenen Jahren ihre Kapazitäten so stark erweitert, dass die weltweite Nachfrage 2023 zu 268% gedeckt war und die Werke der Batteriehersteller theoretisch nur zu 37% ausgelastet waren. Die Folge der Überkapazitäten ist ein Preiskampf der Hersteller, der sich bereits auf die Margen auswirkt. Beispielsweise sank die Marge von LG Energy Solutions von 6% im dritten Quartal 2023 auf 0% im vierten Quartal 2023 und ist damit gefährlich nahe an der Verlustzone. Und auch für die kommenden Jahre ist zu erwarten, dass die Margen der Batteriehersteller weiter unter Druck stehen, denn trotz der bestehenden Überkapazitäten werden weiterhin hohe Subventionen für den Aufbau von Batterieproduktionen geleistet. Es ist daher damit zu rechnen, dass erst 2040 der Bedarf so zu den Kapazitäten aufgeschlossen hat, dass die Hersteller ihre Zielauslastung von 80% zumindest annähernd erreichen.     

PROGNOSE REGIONALE BATTERIENACHFRAGE UND PRODUKTIONSKAPAZITÄT(IN GWH)

Annahmen: 80% der Gesamtkapazität wird für EV genutzt; CAGR-Produktionskapazität 8% ab 2030, basierend auf Wachstum 2027–2030

Quelle: Berylls by AlixPartners

Neben den Batterieherstellern sahen auch die Halbleiterhersteller erneut überdurchschnittliches Umsatzwachstum. ST Micro, Onsemi und Infineon verzeichneten allesamt über 15% Wachstum. Zusätzlich konnten die Halbleiterhersteller ihre umsatzgewichtete Marge um 3,6 Prozentpunkte auf 31% steigern. Damit verzeichneten die Halbleiterhersteller auch dieses Jahr den höchsten absoluten Margenzuwachs, und dies, obwohl ihre umsatzgewichtete Marge bereits im Jahr 2022 mit 27,4% deutlich über dem Durchschnitt der TOP 100 mit 5,2% lag. Das Durchschnittswachstum der Halbleiterhersteller im TOP 100 Ranking sank allerdings deutlich von 48,7% im Jahr 2022 auf 13% im Jahr 2023. Dieser Wachstumsrückgang ist auf drei wesentliche Gründe zurückzuführen.

Erstens haben die Automobilhersteller aus Angst vor weiteren Engpässen bereits 2022 ein hohes Inventar an Chips aufgebaut und so die Nachfrage im Jahr 2022 deutlich angekurbelt. Zweitens haben auch andere Halbleiterhersteller, die vorrangig für die Konsumgüterindustrie produzierten, die hohe Nachfrage nach Halbleitern in der Automobilindustrie zur Kenntnis genommen und sich mittlerweile zu ernsthaften Konkurrenten der in den TOP 100 vertretenen Zulieferer entwickelt. Qualcomm, der amerikanische Branchen-Gigant für Smartphone-Chips, konnte im vergangenen Geschäftsjahr seinen Umsatz im Automobilsektor um 24,1% auf 1,73 Milliarden Euro steigern. Bei gleichbleibendem Wachstum würde Qualcomm, das theoretisch heute auf Platz 133 der Rangliste liegt, damit innerhalb der nächsten drei Jahre den Aufstieg in die 100 größten Automobilzulieferer schaffen. Zuletzt sorgte die hinter den Erwartungen zurückgebliebene Nachfrage nach Elektrofahrzeugen für den Rückgang der Wachstumsrate, denn Fahrzeuge mit Elektroantrieb enthalten bis zu drei Mal so viele Halbleiter wie traditionelle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

Die einzige Warengruppe, die nicht vom gestiegenen Fahrzeugabsatz profitieren konnte, sind Reifen. Reifenhersteller hatten 2023 aufgrund eines Einbruchs im Reifenersatzgeschäft einen Umsatzrückgang von 1,9% zu verbuchen, die umsatzgewichtete Marge stieg im Durchschnitt um 0,2 Prozentpunkte und damit deutlich schwächer als die umsatzgewichtete Marge der TOP 100. Der Einbruch des Ersatzreifenmarkts, der für etwa 80% des Umsatzes der Reifenhersteller verantwortlich ist, plagte vor allem europäische und amerikanische Reifenhersteller. In den USA sank dieser um 8%, in Europa sogar um 12%. Goodyear verlor 5,3% an Umsatz, Michelin verlor 0,9%. Obwohl Continental seinen gesamten Automobilumsatz um über 5% steigern konnte, sank der Umsatz im Reifengeschäft um 0,3%. Der einzige europäische Reifenhersteller, der keinen Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, ist damit Pirelli mit einem Umsatzwachstum von 0,5%. Pirelli ist auch der Einzige der vier genannten Reifenhersteller mit einem Zuwachs bei der Marge. Der einzige asiatische Reifenhersteller, dem es nicht gelang, die Marge zu steigern, ist Bridgestone. Die restlichen fünf asiatischen Reifenhersteller konnten alle ihre Marge deutlich steigern. Den größten Zuwachs verzeichnete Hankook Tires mit einem Anstieg von 6,4 Prozentpunkten im Vergleich zu 2022. Durch den verdichtenden Wettbewerb, vor allem aus Asien, sind europäische und amerikanische Reifenhersteller gezwungen, ihre Kosten weiterhin zu minimieren. Dabei leidet vor allem der Industriestandort Deutschland: 2023 wurden vier Schließungen von Michelin und Goodyear bekanntgegeben – ein Drittel aller existierenden Reifenwerke in Deutschland.

Ausblick

In der dynamischen Welt der Automobilindustrie stehen Zulieferer vor wegweisenden Herausforderungen. Eine klare Marktstrategie für den Umgang mit China ist unerlässlich, da die Konkurrenz aus dem Reich der Mitte in allen Warengruppen spürbar zunimmt. Doch bietet der chinesische Markt nicht nur Wettbewerb, sondern auch bedeutende Chancen, da die Nachfrage nach Zulieferprodukten dort mit dem Aufstieg chinesischer OEMs drastisch zunehmen wird.

Zudem ist eine kritische Überprüfung der Portfoliostrategie gefordert. Trotz der unbestrittenen Bedeutung der Elektromobilität als Zukunftstechnologie ist der optimale Zeitpunkt für eine vollständige Umstellung immer noch unklar. Sollten die Wachstumsraten für E-Fahrzeuge weiterhin sinken, müssen Investitionen in elektrifizierte Portfolios sorgfältig abgewogen und gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen werden. Darüber hinaus müssen die Zulieferer Flexibilität zeigen, um auf kurzfristige Volumenänderungen der Hersteller zwischen Elektro- und Verbrennerfahrzeugen reagieren zu können.

Autoren
Dr. Alexander Timmer

Partner

Dr. Jürgen Simon

Associate Partner

Gereon Heitmann

Senior Consultant

Simon Flierl

Consultant

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Dr. Jürgen Simon

Dr. Jürgen Simon (1986) ist als Associate Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Vertriebs- und Unternehmensstrategien sowie M&A und kann auf eine langjährige Beratungserfahrung zurückschauen. Er berät seit 2011 Automobilhersteller und -zulieferer und verfügt über fundiertes Expertenwissen in den Bereichen ganzheitliche Strategieentwicklung, Geschäftsmodelle und Commercial Due Diligence. Weitere Schwerpunkte liegen in Markteintrittsstrategien sowie Themen rund um das „Software Defined Vehicle“. Als diplomierter Ökonom der Universität Hohenheim hat er vor seinem Einstieg bei Berylls am Institut für Unternehmensführung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) promoviert.

KI ist überall – doch wie setzt man sie bestmöglich ein? Ein kurzer Ratgeber für Zulieferer

München, Juli 2024

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KI ist überall – doch wie setzt man sie bestmöglich ein? Ein kurzer Ratgeber für Zulieferer.

München, Juli 2024
Z

ulieferer müssen Chancen durch KI kurzfristig nutzen und dabei den Mehrwert zugleich realistisch und langfristig bewerten

Die Begeisterung für künstliche Intelligenz (KI) in der Automobilindustrie ist medial ungebrochen, die Management-Erwartungen an Potenziale zur Kostensenkung und damit auch an Ergebnissteigerung durch KI sind hoch – berechtigterweise. Das ist auch bei den 100 weltweit besten Automobilzulieferunternehmen so: Die meisten beziehen zu KI öffentlich Stellung – bei den medial aktivsten Unternehmen ist künstliche Intelligenz in über 5 % der gesamten Berichterstattung ein Thema (s. Grafik 1). Spitzenreiter Harman erwähnt den Themenbereich KI sogar in mehr als 10 % aller relevanten Berichterstattungen.

Die Dynamik der letzten Jahre zeigt allerdings auch: In Zeiten der wirtschaftlichen Herausforderungen stehen Investitionen in das „Zukunftsthema KI“ auch immer Risiken gegenüber – auf der einen Seite das Risiko, die Wichtigkeit von KI zu unterschätzen; gravierender ist jedoch das Risiko einer falschen Zurückhaltung in diesem Bereich. Dieser Artikel hilft als kompakter Ratgeber dabei, anhand weniger einfacher Fragen den Einsatz von KI in der Zulieferbranche erfolgreich zu navigieren: Was gilt es zu tun, was zu lassen? Wo lohnt es sich, Akzente für die langfristig erfolgreiche Wettbewerbsposition zu setzen, und wo ist technologische Innovation „einfach nur Pflicht“?

Kernfrage: Was gilt es zu tun?

Unsere Erfahrung zeigt: Die in der Nutzung von KI führenden Automobilunternehmen haben kurzfristig gehandelt und sind entschlossen gewesen, Geschäftsabläufe durch KI zu optimieren und aktiv Chancen wahrzunehmen. Im Fokus dieser Bemühungen stehen Effizienzsteigerungen „entlang des Prozesses“ und „im Produkt“.

Entlang des Prozesses“ umfasst die Optimierung an allen Stellen, die sich aufgrund von Menge, Dauer und Aufwand bzw. Komplexität für die maschinelle Optimierung eignen. Dies sind zum einen „erwartbare“ Aufgaben, wie die typischerweise manuell aufwändige Erstellung und Kontrolle von Lastenheften durch KI – Vervollständigung, Muster- und Fehlererkennung oder Übersetzung können Qualität und Geschwindigkeit steigern. Zum anderen kann sich KI allerdings auch für „unerwartete“ Anwendungsfälle eignen, wie die KI-gestützte Senkung von Elektrizitätskosten in der Produktion durch Leckage-Detektion in Druckluftleitungen. Das Spektrum ist also sehr breit und eine auf die individuelle Unternehmensposition abgestimmte Priorisierung des richtigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses ist erfolgsentscheidend.

Wenngleich man künstliche Intelligenz „im Produkt“ meist mit Personalisierung im Fahrzeug verbindet, hat sie auch in der individualisierten Kundeninteraktion zwischen bzw. mit Zulieferunternehmen ihre Daseinsberechtigung. Diskussionen mit Branchenteilnehmern zeigen hier, dass der Fokus darauf liegt, initial Informationen für die Kunden bereitzustellen. Dies geschieht beispielsweise durch kontextsensitive digitale Agenten und Chatbots. Aus Zulieferersicht mag das vermeintlich nur eine untergeordnete Rolle spielen, doch genau hier können unentdeckte Chancen liegen: Der niederschwellige Zugang zu Produkt- und Auftragsinformationen durch einen intelligenten Chatbot-Agenten kann im Vertrieb insbesondere Neukunden helfen und dabei gleichzeitig sehr effizient skalieren, ohne dass ein Personalzuwachs nötig ist. Hinzu kommt: KI-gestützte Vertriebswerkzeuge können idealerweise aufwandsarm auf bereits vorhandenen Produktdaten aufsetzen und mittels der Auswertung der gestellten Anfragen Transparenz über Nutzerverhalten schaffen. Dies ermöglicht wiederum fundiertere Entscheidungsgrundlagen für inkrementelle Verbesserung. Somit kann sich KI-Investition „im Produkt“ auch für vermeintlich nicht digitale Produktportfolios mittelfristig lohnen.

Anteil der Artikel, in den KI erwähnt wird – Zeitraum: 2023 (letzten 18 Monate)

Basis Datenquelle: mehr als 100 Quellen, darunter InvestorPlace, Zacks Investment Research, Seeking Alpha, Reuters, CNBC, Market Watch, Forbes, Bloomberg Technology, Yahoo etc.

Folgefrage: Was gilt es zu lassen?

Der Einsatz von KI geht eigentlich immer auch mit der Diskussion um Risiken einher. Vorbehalte zum sicheren Umgang mit vertraulichen und wettbewerbsrelevanten Daten, kommerzielle Bedenken um Initialentwicklungskosten und langfristige „Lock-in“-Effekte, aber auch Ethik und Bias spielen berechtigterweise eine große Rolle. Denn die Natur von (generativer) KI macht es mitunter schwerer, Ergebnisfehler oder unbewusste Vorurteile und ungewolltes Verhalten eines KI-Modells aufzudecken. Automobilzulieferer dürfen sich dadurch jedoch nicht lähmen lassen.

Wichtig ist, den Technologieeinsatz auf ein solides Fundament aufzusetzen. Ein zentraler Eckpfeiler dieses Fundaments ist es, den richtigen Mix an KI-Partnern zu wählen, die – zusätzlich zu eigenen Experten – bei der Implementierung von KI-Lösungen eine wichtige und effiziente Rolle einnehmen können. So hilft ein kompetenter Technologiepartner nämlich dabei, die zuvor genannten grundlegenden Risiken direkt zu adressieren. Denn gerade im Bereich der digitalen Agenten beruht das Geschäftsmodell des Technologiepartners oftmals darauf, dass der Kunde die KI erfolgreich einsetzen kann. Somit sind eine hohe Ergebnisqualität und Datensicherheit sowie die damit einhergehende langfristige Nutzung eines digitalen Agenten im direkten Interesse des Technologiepartners.

Mit Blick auf den Markt zeigt sich, dass diese Rechnung aufgeht: Aufgrund der hohen technologischen Entwicklungsgeschwindigkeit sind Zulieferer zunehmend bereit, „schnelldrehende Start-ups“ auszuprobieren, anstatt lediglich etablierte Technologiedienstleister zu bemühen. Denn vor allem in Einsatzszenarien, die einen schnellen ROI erfordern, können solche Start-up-Lösungen für die Automobilzulieferer eine lohnende Alternative sein.

Abschlussfrage: Wo sollten Automobilzulieferer mit KI bewusst Akzente für eine langfristig bessere Wettbewerbsposition setzen?

Trotz der derzeitigen Herausforderungen für die gesamte Automobilbranche wird der konstante Kampf um die beste Wettbewerbsposition auch mit KI nicht im Sprint, sondern im Ausdauerlauf entschieden. Dazu ist das richtige Talent essentiell. Automobilzulieferer müssen daher nicht nur die Relevanz von KI im eigenen Unternehmen überprüfen. Vielmehr gilt es, die eigenen Fähigkeiten zur Bewertung, Entwicklung und Skalierung von KI-Lösungen auszubauen und damit ein attraktives Umfeld für KI-Pioniere und ‑Begeisterte zu schaffen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass KI-Lösungen von der eigenen Belegschaft als attraktiver empfunden und stärker genutzt werden. Erst wenn das gelingt, lassen sich die erhofften Potentiale zur Kostensenkung und damit auch für eine Ergebnissteigerung aktivieren.

Auch hier erlaubt der Blick auf den Markt ein zuversichtliches Resümee: Unsere Analyse zeigt, dass die Automobilzulieferer, die sich in den letzten 18 Monaten verstärkt mit (generativer) KI befasst haben , konsequenterweise auch einen signifikanten Zuwachs an KI-Expertise erfahren haben. So besitzen die jeweils letzten 100 hinzugewonnenen Mitarbeiter der größten/KI-fokussiertesten Automobilzulieferer Branchenwissen aus einschlägigen Unternehmen. Insbesondere aus Sicht dieser Zulieferer sollte der Akzentsetzung somit nichts im Wege stehen.

Transfer von technischem Personal – Sankey-Diagramm mit reinen Technologieunternehmen, ohneTechnologieberatungsunternehmen

Quelle: Berylls by AlixPartners

Autoren
Malte Broxtermann

Partner

Clinton Charles

Senior Data Scientist

Malte Broxtermann

Malte ist Experte in der Entwicklung & Umsetzung automobiler Digitalisierungsstrategien. Sein Fokus liegt auf der Skalierung neuer Technologien zur Ergebnisverbesserung entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette.
Schwerpunktmäßig berät er dazu Automobilhersteller und deren Zulieferer bei der Implementierung von (generativer) künstlicher Intelligenz und im Bereich des Software-Defined-Vehicle.
Vor seiner Beraterlaufbahn war er langjähriger Mitarbeiter des Rettungsdiensts. Er absolvierte das Studium der VWL an der Universität Maastricht und der Queen’s University in Kanada.

Optimized BEV aftersales pricing – the solution to secure your top- and bottom line!

Munich, July 2024

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Optimized BEV aftersales pricing - the solution to secure your top- and bottom line!

Munich, July 2024
E

specially political support and massive subsidies have made electromobility gain popularity.

The penetration of Battery Electric Vehicles (BEVs) has and will further increase, and we will have to content with it, also in aftersales. However, there are potential downsides from BEVs in aftersales (post-purchase services and maintenance). Some of these are:

1. Fewer Aftersales Revenue Opportunities: BEVs generally have fewer moving parts and simpler drivetrains compared to internal combustion engine (ICE) vehicles. While this is an advantage in terms of reduced maintenance needs, it is a downside for businesses that rely on traditional aftersales services, such as repairs and part replacements.

2. Specialized Skills and Training: Aftersales staff require specialized training to service and repair electric vehicles, as the technology and components differ from traditional vehicles. This causes additional costs for training, certifying, and retraining employees to keep up with evolving electric vehicle technology.

3. Dependence on Original Equipment Manufacturers (OEMs): In the case of BEVs, the aftersales business may be more dependent on relationships with OEMs for spare parts and technical sup- port. This dependency can limit the flexibility and control that independent and franchised repair shops have in providing services.

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Berylls Insight
Optimized BEV aftersales pricing - the solution to secure your top- and bottom line!
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Authors
Arthur Kipferler

Partner & MD UK

Thorsten Lips

Partner

Björn Simon

Senior Consultant

Arthur Kipferler

Arthur Kipferler (1963) started his career in 1989 at the Boston Consulting Group, where he consulted for 13 years in the automotive industry. After consulting, Arthur Kipferler held senior management positions at Toyota in Europe and the U.S. From 2013 to 2014, he was global head of the BMW Group’s Future Retail program. Subsequently, he had leading roles in strategy, corporate planning and transformation management at Jaguar Land Rover in Coventry, UK. Arthur Kipferler complements the expertise of the Berylls by AlixPartners (formerly Berylls Strategy Advisors) partner team in the fields of market & customer, technologies, sales, and digitalization, as well as in the development and implementation of corporate, product, and regional strategies.
Mechanical engineering, production engineering, at the Technical University of Munich (TUM); MBA in Strategy, Marketing and Organizational Behavior at INSEAD Business School, France.

Thorsten Lips

Thorsten Lips (1972) is a partner at Berylls by AlixPartners (formerly Berylls Strategy Advisors). He began his career as a management consultant at PricewaterhouseCoopers Düsseldorf in 1998. After spending six years at Malik Management Centre in St. Gallen, Switzerland, he took the cross-industry, global responsibility for Pricing, Sales, Service and Marketing as a partner at Horváth. At Berylls, his area of expertise is Pricing & Revenue Management. This encompasses classical topics like new- and used-car pricing, aftersales pricing and the like. In addition, he is an expert in innovative Pricing and Revenue Management approaches for digital products and services as well as in the field of data-driven Pricing.

Industrial engineering and management studies at the Technical University of Ilmenau and the Technical University of Darmstadt.

Nachhaltige Effizienzsteigerung in der Transformation: Funktionsanalyse neu gedacht

München, Juli 2024

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Nachhaltige Effizienzsteigerung in der Transformation: Funktionsanalyse neu gedacht

München, Juli 2024
D

ie Automobilzulieferindustrie durchläuft die größte Transformation ihrer Geschichte.

Zulieferer sind mehr denn je gezwungen, ihre Effizienz deutlich zu steigern, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Branche reagiert mit bewährten Mitteln: Groß angelegte Kostensenkungsprogramme verbunden mit Stellenstreichungen, und Standortschließungen. Doch diese Maßnahmen haben längst nicht immer den gewünschten Effekt. Wer spart, restrukturiert, sein Geschäftsmodell umbaut oder seine Strategie ändert, kann sein Unternehmen bei schlechter Umsetzung nachhaltig beschädigen.

Symptome und Diagnose der aktuellen Krise

Der Aufstieg der E-Mobilität in Verbindung mit der fortschreitenden Digitalisierung verändert die Automobilindustrie nachhaltig. Hinzu kommen marktspezifische Herausforderungen, wie die Neuordnung der automobilen Wertschöpfungskette durch die OEMs oder die Entstehung neuer Fahrzeughersteller in China.

Circa ein Viertel der rund 270.000 Arbeitsplätze in der Automobilzulieferindustrie in Deutschland könnte so bis 2030 verloren gehen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Mitarbeitenden allein in Deutschland um 7,5 % gesunken. Lag die durchschnittliche Rendite vor wenigen Jahren noch bei 7 bis 8 %, so ist sie heute bei 5 bis 6% angekommen. Notwendige Investitionen werden geschoben oder gestreckt, Innovationsprogramme zusammengestrichen. F&E, operationale Exzellenz und Präzision – einst Königsdisziplinen und kompetitiver Vorteil – haben sich zum Bremsanker entwickelt, der dringend notwendige Anpassungen verlangsamt.

Einzig Kostensenkungen versprechen deshalb kurz- und mittelfristig die notwendige Luft zum Atmen. Die von namhaften Zulieferern wie Continental, ZF oder BOSCH eingeleiteten Programme weisen schon länger auf härtere Zeiten hin. Die bisher gängige Reaktion darauf: der Abbau von Arbeitsplätzen und damit verbundene Effizienzsteigerungen. Jedoch bleibt hierbei die Frage offen, ob und inwieweit durch dieses Vorgehen nachhaltig eine bessere Ressourcenallokation, niedrigere Kosten und schlankere Strukturen erreicht werden können. In der Vergangenheit hat sich reines Cost-Cutting in der Regel als Bumerang herausgestellt. Das Scheitern korrelierte oftmals mit einer unzureichenden Verzahnung mit der Unternehmensstrategie, der mangelnden Einbindung von Mitarbeitenden und Führungskräften, unrealistischen Zielen oder schlechter Implementierung.

Funktionsanalyse als Instrument der Zukunftsgestaltung

Die Funktionsanalyse ist, richtig ausgeführt, ein erfolgversprechendes Instrument zur effektiven und effizienten Kostengestaltung. Typischerweise werden bei dieser Methode Prozesse, Nahtstellen und Ressourcen und Schnittstellen innerhalb der Organisation in einer Schrittfolge analysiert, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren und die Effizienz zu steigern.

Derzeit erlebt die Funktionsanalyse in verschiedenen Branchen und Bereichen ein Revival, u. a. in der Produktentwicklung im Automobilbau oder im Bereich der Digitalisierung und Technologie. Ihre Ergebnisse dienen dazu, Optimierungen vorzunehmen und positive Veränderungen umzusetzen. Welche Value-Streams und Funktionen sind zukünftig von Bedeutung und welche Auswirkungen gilt es in ihrem Zusammenwirken auf die Organisation zu berücksichtigen? Die Funktionsanalyse kann auf diese entscheidenden Fragen die entsprechenden Antworten liefern. Sie zeigt auf, welche Prozesse obsolet werden und wo durch Technologien wie künstliche Intelligenz Effizienzen gesteigert werden können. Eine klare Vorstellung von der zukünftigen Organisation ist dabei essenziell. Es gilt, heutige und zukünftige Erfolgspotenziale zu identifizieren, um Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit zu steigern. Zentralisierung und Dezentralisierung von Prozessen müssen wohlüberlegt sein, damit Autonomie dort gewährleistet ist, wo sie den größten Mehrwert bietet. Hierbei sollte sich zum einen auf eine konsequente Anwendung einer End-to-End-Betrachtung von Value-Streams fokussiert werden. Zum anderen ist aber auch die Implementierung, also die konsequentere Umsetzung der identifizierten Verbesserungen und die nachhaltigere Überwachung ihrer Auswirkungen, entscheidend dafür, dass die gesteckten Ziele erreicht werden.

Ansatz – Unser Konzept zur zukunftsorientierten Leistungsverbesserung berücksichtigt klassische Elemente wie die Funktionsanalyse und kombiniert sie mit Elementen der organisatorischen Transformation und einer starken Umsetzung.

Quelle: Berylls by AlixPartners

Ungenutztes Change-Potenzial begleitet die Umsetzung

Jede Effizienzsteigerung ist nur dann erfolgreich, wenn ihre Ziele nachhaltig erreicht werden. Die Tatsache, dass die Top-down-Festlegung von Maßnahmen und Potenzialen nicht funktioniert, sollte heutzutage allgemein bekannt sein und wird trotzdem häufig ignoriert. Die Erfahrung zeigt, dass hier die erzielten Effekte regelmäßig über die Zeit verpuffen. Ein Effizienzsteigerungsprojekt trifft in der Regel nie auf Applaus. Entsprechend wichtig für den Erfolg und die nachhaltige Verankerung ist, dass die Betroffenen die Notwendigkeit und die Maßnahmen verstanden und Letztere im Idealfall mit erarbeitet haben, sie tragen und somit leben. Eine Funktionsanalyse bietet viele Möglichkeiten, die hierfür erforderliche Transparenz zu erzeugen und Interaktionsräume für die Auseinandersetzung mit Ängsten und Missverständnissen innerhalb der Organisation zu schaffen.

Kompetenz- und Skill-Management sind die Basis der Zukunftsfähigkeit

Bei vielen OEMs und Zulieferern halten die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeitenden schon heute kaum mehr Schritt mit der fortschreitenden Transformation. Eine Mehrheit der CEOs sieht dies als Bedrohung für ihr zukünftiges Geschäft und ist berechtigterweise besorgt wegen der entstehenden Kompetenzlücken in ihrem Unternehmen. Dazu kommt, dass viele Berufsbilder, auf denen die Wettbewerbsvorteile der Vergangenheit beruhten, bis 2030 verschwunden sein werden. Gleichzeitig entstehen völlig neue Berufsbilder z.B. in Bereichen wie Customer-Experience-Design, Mensch-Maschine-Interaktion, oder Cybersecurity. Viele Zulieferer haben gerade begonnen, diesen Wettlauf mit der Zeit anzunehmen, und entsprechende Programme aufgesetzt, um dem Verfall von Halbwertszeiten des Wissens entgegenzutreten. Die aktuelle Situation trifft sie zur Unzeit. Wenn jetzt nicht mit klarem Blick auf die zukünftigen Bedarfe gehandelt wird, droht ein Abbau an den falschen Stellen bzw. Talente verlassen die Unternehmen – mit fatalen Folgen. Ein strategisch verankertes Kompetenz- und Skill-Management ist daher die Basis für den Erhalt der Zukunftsfähigkeit und damit ein weiterer Erfolgsfaktor, der in einem modernen Effizienzprogramm auf Basis einer Funktionsanalyse nicht fehlen darf. 

Fazit: eine resiliente Zukunft gestalten

Automobilzulieferer stehen an einem kritischen Wendepunkt. Die kurzfristige Antwort liegt nicht allein in Kosteneinsparungen, sondern in einer strategisch induzierten Transformation des Unternehmens. Eine ganzheitliche Funktionsanalyse, die die Ansätze eines proaktiven Change-Managements und strategisch verankerten Kompetenz- und Skill-Managements vereint, ist hier ein wirkungsvolles Werkzeug.

Autoren
Dr. Alexander Timmer

Partner

Dr. Frank Heines

Associate Partner

Philipp Stütz

Associate Partner

Frank Strebe

Project Manager

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Dr. Frank Heines

Dr. Frank Heines (1967) stieß im September 2016 als Principal zu Berylls Strategy Advisors und gehört dem Büro in der Schweiz an. Er begann seine Laufbahn in der Postautomatisierungssparte der Siemens AG und wechselte anschließend in ein mittelständisches Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie, wo er als Mitglied der Geschäftsleitung rasch die technische Leitung übernahm. Seit 2003 arbeitete er im Consulting beim Malik Management Zentrum St. Gallen und hatte dort ab 2007 die Rolle eines Partners und Mitglieds der Gruppenleitung inne. Seine Beratungsschwerpunkte sind Strategieentwicklung, Organisationsdesign, Leistungssteigerung sowie integrierte Organisationsentwicklung und Transformationsmanagement.
Vordiplom in Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz, Lizentiat für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich, Promotion an der Universität Hochschule St. Gallen.

Philipp Stütz

Philipp M. Stütz (1981) verstärkt seit Anfang 2021 das Berylls Operations Team. Er besitzt über fünfzehn Jahre Erfahrung in der Automobilindustrie. Davon hat er sieben Jahre bei einem internationalen Automobilzulieferer mit Einsätzen in Spanien, den USA und Mexiko und über acht Jahre in der Beratung verbracht. Sein Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich Operations Excellence, insbesondere in großen Transformationsprogrammen, Prozessoptimierungen und der Effizienzsteigerung in der Administration und indirekten Produktionsbereichen. Zu den Klienten, die er betreut, zählen Zulieferer wie OEMs gleichermaßen.
Philipp M. Stütz ist technisch orientierter Diplomkaufmann und hat an den Universitäten Stuttgart und Straßburg studiert.