Neue Finanzierungshürden verschärfen die Zuliefererkrise

München, Juli 2024

Neue Finanzierungshürden verschärfen die Zuliefererkrise

München, Juli 2024
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ie Zuliefererkrise prägt die Automobilbranche seit Jahren und wird durch neue Finanzierungshürden weiter verschärft.

Bereits zwei Jahre nach der Corona-Pandemie ist der Kostendruck wieder auf dem Niveau von vor der Krise, während die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin herausfordernd bleiben. Vorabinvestitionen in Innovationen und Verlagerungen erhöhen den finanziellen Druck zusätzlich. Besonders betroffen sind die mittelständischen Zulieferer in Deutschland, die seit mehreren Jahren unterdurchschnittliche Renditen verzeichnen. Die sinkende Verfügbarkeit von Finanzierungsquellen und steigende Finanzierungskosten sind somit nur die jüngste Krisenursache, die die Zulieferer an ihre Belastungsgrenze treibt.

Kostendruck und Investitionsbedarf

Schon länger kämpfen Zulieferer mit einem enormen Kostendruck. In den vergangenen vier Jahren sind die Produktionskosten in der Automobilindustrie deutlich höher geworden. Zurückzuführen ist dies insbesondere auf die seit Ende 2019 gestiegenen Preise für Rohstoffe (+16% bis +32%) und Energie (+40%), maßgeblich aber auch auf steigende Lohnkosten (+12%).¹ Die Corona-Pandemie hatte die Situation zwischenzeitlich dahingehend entschärft, dass die OEMs Verständnis für Kostensteigerungen zeigten und im Sinne der Lieferkettensicherheit zu Zugeständnissen bereit waren. Inzwischen ist der Kostendruck aber wieder auf das Niveau von vor der Krise zurückgekehrt.

Neben dem Kostendruck sind die Unternehmen durch die technologisch und regulatorisch verursachte Transformation zu hohen Investitionen gezwungen, um kontinuierlich die Innovation und Verlagerung von Produktionsstandorten zu beschleunigen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Diese notwendigen Investitionen erfordern erhebliche finanzielle Ressourcen und erhöhen den Druck auf die bereits knappen Gewinnmargen und operative Cashflows.

Niedrige Renditen im Mittelstand

Die Renditen der Zulieferer, insbesondere im deutschen Mittelstand, sind seit vier bis fünf Jahren deutlich unterdurchschnittlich. Eine Analyse von Roland Berger zeigt, dass die durchschnittliche EBIT-Marge der Automobilzulieferer von 7,6% im Jahr 2017 auf nur 4,6% im Jahr 2022 gesunken ist.² Viele Unternehmen kämpfen mit geringen Gewinnen oder schreiben sogar Verluste. Die Eigenkapitalausstattung hat sich in diesem Zeitraum erheblich reduziert, was die finanzielle Stabilität der Unternehmen weiter schwächt. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote der fünf größten deutschen Zulieferer hat sich seit 2018 von 33,8% auf 28,2% verringert.³ Die niedrigen Renditen und die verringerte Eigenkapitalbasis machen es für Zulieferer zunehmend schwierig, die notwendigen Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren.

Zunehmende Finanzierungsprobleme

In den letzten etwa ein bis zwei Jahren hat sich die Finanzierungssituation für Zulieferer weiter verschärft. Der Zugang zu verhältnismäßig günstigen Bankkrediten ist schwieriger geworden und viele Unternehmen erhalten überhaupt keine Finanzierung von Geschäftsbanken mehr. Stattdessen müssen sie sich an alternative Finanzierungsquellen wie Debt Funds wenden. Hierdurch erhöhen sich die Finanzierungskosten jedoch erheblich, denn der Zinssatz für diese alternativen Finanzierungen liegt oft bei deutlich über 10%. Selbst Unternehmen, die weiterhin durch Geschäftsbanken finanziert werden, erleben seit zwei Jahren eine drastische Erhöhung ihrer Finanzierungskosten. In diesem Zeitraum ist der Euribor von unter 0 % auf knapp 4% gestiegen.⁴ Die Finanzierungskosten haben sich bei einer marktüblichen Zinsmarge in Höhe von 4% damit also von rund 4% auf rund 8% verdoppelt.

Deutsche Geschäftsbanken sind zunehmend zurückhaltend, Kredite an die Automobilzulieferindustrie zu vergeben, insbesondere an den Mittelstand. Dies bestätigt auch eine Untersuchung der KfW in Zusammenarbeit mit dem ifo-Institut: Hiernach sprachen 26,3% der befragten KMU des verarbeitenden Gewerbes Ende 2023 von schwierigen Kreditverhandlungen mit den Banken, Anfang 2019 waren es dagegen nur 14,8%.⁵ Diese Zurückhaltung aufseiten der Banken führt dazu, dass Zulieferer noch stärker auf teurere Finanzierungsquellen angewiesen sind, was ihre finanzielle Situation weiter belastet.

Ablehnung hoher Finanzierungskosten durch OEMs

OEMs sind nicht gewillt, die hohen Finanzierungskosten der Zulieferer in ihren Kalkulationen zu akzeptieren. Dies verschärft die Situation zusätzlich, da die Zulieferer die gestiegenen Finanzierungskosten nicht an ihre Kunden weitergeben können. Eine Studie von PwC unterstreicht, dass Zulieferer nicht in der Lage sind, höhere Kosten gegenüber den OEMs durchzusetzen, und unter anderem deshalb – im Gegensatz zu den OEMs – unter sinkenden Margen leiden.

Diese Mehrbelastung droht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Zulieferindustrie erheblich zu beeinträchtigen. Besonders betroffen sind dabei mittelständische Unternehmen, die oft nicht über die finanziellen Reserven verfügen, um diese zusätzlichen Kosten zu tragen.

Zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen sind innovative Finanzierungsmodelle und eine verstärkte Zusammenarbeit notwendig. Zulieferer, OEMs, Geschäftsbanken und Politik müssen sich gemeinsam dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Zulieferindustrie geschaffen werden können. Ein besseres Verständnis der jeweiligen Bedürfnisse und Herausforderungen und eine daran angepasste Regulatorik sind notwendig, um zumindest diese Krisenursache der Zuliefererkrise zu überwinden.

¹ Oliver Wyman (2024): Die nächste Hürde: Wie finanzieren Automobilzulieferer die Transformation?
² Roland Berger (2023): Global Automotive Supplier Study 2023.
³ Bloomberg (2024).
⁴ Euribor Rates (2024).
⁵ KfW Research (2024): KfW-ifo-Kredithürde.
⁶ Strategy& (2024): Automobilzulieferer-Studie 2023.

Autoren
Andreas Rauh

Executive Partner

Johannes Auch

Investment Associate

Andreas Rauh

Andreas ist seit Januar 2020 als Mitgründer und Geschäftsführer bei Berylls Equity Partners tätig. Berylls Equity Partners investiert, als Beteiligungsgesellschaft der Berylls Gruppe, in Unternehmen der Mobilitätsindustrie, die sich in Sondersituationen befinden.

Andreas ist Experte in den Bereichen Private Equity, Mergers & Acquisitions und Unternehmensführung.

Nach zehn Jahren im Bereich Transaktionsberatung mit Schwerpunkt im Mittelstand wechselte Andreas im Jahr 2014 in den Beteiligungsbereich. Dort hat er seitdem in leitender Funktion eine zweistellige Anzahl an Firmenübernahmen und -verkäufen begleitet.

Andreas ist ausgebildeter Diplomkaufmann mit einem Abschluss von der Universität Trier und hält einen Master of Science in Business Abschluss der Handelshøyskolen BI.