Vergangene Jahre

Restrukturierung intelligent meistern

München, März 2019
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ondersituation COVID-19 - Noch nie ist eine globale Krise in einer solchen Geschwindigkeit und mit einer solchen Wucht auf die Automobilindustrie getroffen. 

Binnen weniger Wochen sind große Teile der Automobilproduktion zum Erliegen gekommen, mit schwerwiegenden Folgen: Auseinanderbrechen der Lieferketten, Anmeldung von Kurzarbeit, temporäre Werksschließungen, Freisetzen von temporärem Personal. Schnelle Ausgabenkontrolle gepaart mit der Sicherstellung der Gesundheit von Mitarbeitern waren die ersten Schritte, die jeder Zulieferer umgesetzt hat. Mit drei Monaten Erfahrung in der Corona-Krise beginnt nun wieder der Anlauf und die Herausforderung, welches Szenario für den Hochlauf und die Prognose die richtige ist.

Autoren
Dr. Jan Dannenberg

Executive Partner

Philipp Stütz

Principal

Michael Beckmann

Principal

Dr. Jörg Löffler

Principal

Der "alte Hut" Restrukturierung

Fast jedem Zulieferer ist klar, dass Corona mit einer Zäsur im Unternehmen einhergehen wird. Schon vor dem Corona-Lock-Down mussten die Unternehmen auf die Kostenbremse treten. Die Einsparwellen der OEMs , so zum Beispiel Daimler mit Euro -1,5 Milliarde (November 2019), BMW mit Euro -12 Milliarden bis zum Jahr 2022 (März 2020) durch „Performance Next“ oder die Marke VW mit Euro -15 Milliarden bis zum Jahr 2023 (März 2019), gingen einher mit Forderungen an die Zulieferer, die Preise nochmals zu senken. In der aktuellen Situation werden die bekannten Maßnahmen ergriffen: Anpassung der Kapazitäten in der Fertigung, selektive Entlassungen in den Gemeinkostenfunktionen, Optimierung des Working Capitals, Beruhigung der Fremdkapitalgeber, … und hoffen, dass der Aufschwung schnell und deutlich ausfallen wird. Daran ist per-se nichts auszusetzen, waren doch diese Restrukturierungsprojekte und schlanke, auf Effizienz ausgerichtete Geschäftsmodelle in der Vergangenheit immer wieder der Garant für das Fortbestehen und den Erfolg der Unternehmen. Doch die Risiken sind in und werden nach Corona deutlich steigen.

Das Altbewährte wird diesmal nicht reichen

CASE Investitionen müssen fortgesetzt werden, um den Anschluss an die Transformation der Zulieferindustrie zu halten – die Amortisation dieser Ausgaben verschiebt sich nach hinten und wird dadurch noch unsicherer. Die zukünftige Entwicklung der Automobilindustrie, insbesondere was Produktionsstückzahlen und Fahrzeugklassen oder -segmente, -antriebe angeht, ist unvorhersehbar – Stichwort: VUCA (Volatility = Schwankungen, Uncertainty = Unsicherheit, Complexity = Komplexität, Ambiguity=Mehrdeutigkeit). Die Absicherung der Supply Chain bei JIT-/JIS-Lieferung ist kaum zu bewerkstelligen, während manche Werke plötzlich leer stehen, schaffen andere die Ausbringung und den Hochlauf nicht. Die Folge: aus einer Operations- und Ergebniskrise wird ganz schnell eine Finanz- und Liquiditätskrise. Gesellschafter, Gläubiger und Banken erwarten dann mehr als die üblichen Optimierungen. Zudem werden diese bei weitem nicht ausreichen; denn die Anpassungen und Restrukturierungserfordernisse werden in den kommenden zwei Jahren erheblicher, fundamentaler und tiefgreifender sein als in den vergangenen 30 Jahren. Jeder Automobilzulieferer muss dabei bereit sein, starke strukturelle Restrukturierungen in Kauf zu nehmen.

Die richtigen Erfolgsfaktoren für eine intelligente Restrukturierung sind dabei entscheidend. Erstens, Prozesssicherheit: Die Restrukturierung muss nachhaltig und pragmatisch umgesetzt werden. Vor allem gilt es eine ganzheitliche Lösung zu finden, die alle Stellhebel verzahnt und schnell die Krisenursachen identifiziert und abstellt. Zweiten, Restrukturierungsexpertise: neben einem eigenen, internen Team muss zwingend auf externe Restrukturierungsexpertise zurückgegriffen werden. Erfahrung, Wissen und Netzwerkkompetenz zu allen Unternehmensfunktionen ist dabei essenziell. Zudem sorgt eine gewisse emotionale Distanz der Restrukturierer auch dafür, dass die Unternehmenskultur keinen Schaden nimmt. Drittens, Mobilitäts-Know-how: damit ist neben der Kenntnis über die Automobilindustrie vor allem das Wissen entscheidend, wie es besser geht. Benchmarks von den besten Playern der Branche in Sachen Kosten, Ertragskraft, Finanzstrukturen, etc. helfen, schnell die richtigen Einsparmöglichkeiten oder Strukturen zu identifizieren. Und viertens, Stakeholder-Verständnis: was wichtig für eine Bank ist, muss noch lange nicht wichtig für den OEM sein. Und trotzdem muss der Automobilzulieferer gerade in der Krise jedem gerecht werden.

Restukturierung "but different"

Berylls hat knapp 30 Stellhebel aus sechs Kategorien identifiziert, die im Rahmen intelligenter Restrukturierungsprogramme untersucht und im Falle von Problemen genutzt werden müssen, um die Unternehmenskrise zielgerichtet und schnell anzugehen und zu lösen. Allein die Kosten zu reduzieren, reicht dabei nicht aus. Jede Krise eines Unternehmens ist individuell. Während bei einem Zulieferer vor allem die Finanz- und Schuldenstruktur problematisch ist, kann beim nächsten die Position bei den Kunden die Hauptursache sein. Die Identifikation der Krisenursachen sollte einerseits entlang der Dimensionen Strategie, Governance, Operations, Overhead, Finanzierung und Transparenz erfolgen, andererseits muss bei der Krisenbewältigung garantiert sein, dass eine verzahnte und ganzheitliche Lösung der einzelnen Stellhebel gelingt. Auch müssen Liquiditätskrisen mit einer anderen Dynamik und oft pragmatischer bearbeitet werden als eine Strategiekrise. Das erfordert nicht nur viel Erfahrung im Prozess des Krisenmanagements und der Sanierung, sondern auch fundierte Kenntnisse, welche Lösungen spezifisch für die Automobilindustrie tragfähig sind. Wer die Restrukturierung auf diese intelligente, ganzheitliche Weise angeht, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.

Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.