DACH Automobilindustrie
Berylls Studie zu M&A Transaktionen in der Automobilindustrie (DACH)
as Corona-Jahr 2020 hat auch bei den Firmenübernahmen von Automobilunternehmen im deutschsprachigen Raum deutliche Spuren hinterlassen. Das zeigt die jährliche Studie von Berylls Strategy Advisors zu den M&A Transaktionen Mobilitätsindustrie. Die Anzahl an Transaktionen ist gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent zurückgegangen und lag bei 226 Deals (293 im Jahr 2019).
In nahezu allen Dimensionen hat sich die Struktur der Transaktionen geändert, was auch die Einstellung von Käufern und Verkäufern im Krisenjahr sowie gegenüber der Automobilindustrie generell deutlich widerspiegelt. Auf der Angebotsseite (Verkäufer) war die Bereitschaft, (sein) Unternehmen zu veräußern gering; das „current trading“, die Ergebniserwartung und Wachstumserwartungen waren im Jahr 2020 schlecht, so dass ein Verkäufer selbst für attraktive Unternehmen einen schlechten Kaufpreis erzielen würde. Das Angebot wurde durch „erzwungene“ Verkäufe nach oben erhöht: im Jahr 2020 gab es nahezu doppelt so viele Unternehmen, die aus der Insolvenz verkauft wurden (nämlich 11 Prozent aller Firmenverkäufe), als im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre. Zudem wurden nochmals gut 10 bis 15 Prozent der Unternehmen auf Druck von Kapitalgebern im Markt angeboten. Zwar sind die Durchschnittsgrößen der verkauften Mobilitätsunternehmen nach oben gegangen, die Preise (Equity Value) lagen jedoch erheblich niedriger, nämlich zirka 25 bis 30 Prozent unter dem langfristigen Schnitt der vergangenen Jahre.
Automobilunternehmen mit einem „klassischen“ Geschäftsmodell ließen sich zudem schlechter verkaufen (-34 Prozent), als jene mit „digitalem“ (-13 Prozent). Klassische Engineerin Dienstleister, Automobilzulieferer oder Maschinenbauer konnten seltener verkauft werden als in den Vorjahren. Start-up-Unternehmen aber auch Player, die ihren auf Fokus E-Mobilität haben, Internet-basiert sind, innovative Mobilitätskonzepte anbieten oder digitale Infrastruktur im Mittelpunkt haben, ließen sich deutlich leichter verkaufen.
Der Anteil der Finanzinvestoren ist im Jahr 2020 zudem leicht zurückgegangen, um zirka -5 Prozentpunkte. Zudem haben weniger Private Equity Investoren mit Wachstumsstrategien bei Akquisitionen zugeschlagen. Nach wie vor gilt die Automobilbranche bei den klassischen Buy-outs als ein sehr schwieriges Terrain. Vielmehr waren PE Häuser mit klarem Fokus auf Sondersituationen unterwegs, einerseits bei der Übernahme insolventer Player, andererseits bei Zulieferern, Maschinenbauern und im Downstream-Bereich, die durch die Work-out-Abteilungen der Banken betreut wurden.
Auch ist das Feld der Käufer aus dem Ausland erheblich kleiner geworden. Im Jahr 2020 kamen 75 Prozent der Käufer aus dem deutschsprachigen Raum, weitere 10 Prozent aus dem restlichen Europa, der Rest aus Fernost oder aus den USA. Vor allem chinesische, japanische und US-Amerikaner sind dem deutschen Markt im vergangenen Jahr ferngeblieben. Die Anzahl chinesischer Käufer hat sich seit dem Spitzenwert 2016 (19 Transaktionen) halbiert (9 Übernahmen.
Seit dem 4. Quartal 2020 steigt das Interesse an Mobilitätsunternehmen wieder an. Sowohl Finanzinvestoren als auch strategische Käufer sind wieder aktiver am Markt. Eine vollständige Erholung ist noch nicht in Sicht. Berylls geht jedoch davon aus, dass spätestens im Jahr 2023 ein Spitzenjahr für Verkäufe ansteht. Durch die Transformation wird es zahlreiche Carve-out-Situationen großer Zulieferer geben, die aufgrund der Corona-Krise nach hinten verschoben wurden; die Preise ziehen wieder leicht an; und vor allem die Finanzinvestoren, die für knapp 20 Prozent aller Übernahmen stehen, werden ihr Automobilportfolio ausdünnen und gleichzeitig neue Akquisitionen ins Auge fassen.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
DACH Automobilindustrie
urch die Automobilzulieferlandschaft zieht sich ein Riss, und er wird immer breiter: Konzerne versus Mittelstand, Verbrenner versus CASE, Triade versus China, Etablierte versus Start-Ups. Die Dynamik, mit der die Transformation zahlreicher Unternehmen und der gesamten Industrie vorangetrieben wird, ist atemberaubend.
Bosch hat das Turbolader- (BMTS, 2017) und Starter-Generatoren-Geschäft (SEG Automotive, 2018) verkauft. Honeywell bringt seine Turboladereinheit Garrett Motion an die Börse (2018). Die an den Finanzinvestor Melrose verkaufte GKN (2018) trennt sich Schritt für Schritt von einzelnen Einheiten (Pulvermetallurgie, 2019). Delphi wurde in zwei Unternehmen, Aptiv (Automobilelektronik und „advanced safety technology“) sowie Delphi Technologies (Elektrofahrzeuge und Verbrennungsmotoren) aufgeteilt (2018). Continental plant für Mitte 2019 die Ausgliederung und den Verkauf der „Powertrain“-Sparte. FCA hat sich als OEM komplett aus dem Zuliefergeschäft durch den Verkauf von Magneti Marelli an Calsonic Kansei (2019) zurückgezogen. Nach dem Verkauf von Federal Mogul an Tenneco erfolgt die Aufteilung in zwei Einheiten: „Aftermarket /Ride Performance“ sowie „Powertrain Technology“. Johnson Controls hat nach dem Verkauf der Interiorsparte (Yangfeng Automotive Solutions, 2015) und der Ausgründung von Adient (2016) nun auch das letzte Automotive-Segment, die Power Solutions (2018), veräußert. Fast jeder zehnte Zulieferer aus den Top 100 (bezogen auf den Umsatz) hat in den vergangenen zwei Jahren einen dramatischen Wandel durchlaufen. Was steckt hinter diesen Zerschlagungen, Carve-Outs, Spin-Offs, Aufspaltungen und IPOs?
Der sogenannte „Tipping Point“, ab dem es für die Produktion von Komponenten für Verbrennungsmotoren kein Wachstum mehr geben wird, rückt näher. Zwischen 2023 und 2025 wird die Spitze erreicht sein. Heute können sich die großen Automobilzulieferer noch von ihren (Verbrennungs-)Motoren- und Getriebegeschäften trennen und erhalten einen soliden Preis dafür. Die bislang erzielten Verkaufspreise liegen derzeit bei einem EBIT-Multiple von 5 bis 6 (zum Vergleich: Automobilzulieferer ohne Verbrennungsmotorengeschäft liegen bei einem EBIT-Multiple von 10 bis 12, also doppelt so hoch). Die Trennung vom Verbrennergeschäft ist fast vergleichbar mit der Ausgründung von „Bad Banks“, die von einigen Banken nach der Finanzkrise praktiziert wurde: „toxische“ Geschäftsbereiche werden herausgelöst und können somit den verbleibenden Rest des Unternehmens nicht mehr schaden. Sollte der totale Ausstieg aus dem Verbrenner bis 2050, wie von vielen nationalen Regierungen angekündigt, tatsächlich stattfinden, könnten sich Conti, Bosch, Magneti Marelli und Co. sukzessiv von diesem risikobehafteten Geschäft trennen. Sollte der Verbrenner aber auch in ferner Zukunft weiterhin eine Rolle spielen, kann sich dieser für heutige Investoren doch noch zu einem attraktiven Investment entwickeln. In diesem Fall gilt für den „last man standing“ des Verbrennergeschäfts eine ähnliche Regel wie in manchen digitalen Geschäftsmodellen: The winner takes it all.
Der vermeintliche Niedergang des Verbrennungsmotors wird durch die totale Fokussierung auf die CASE-Technologien verschärft. Traditionelle Innovationsfelder im Interieur, im Exterieur, dem Antriebsstrang oder der Karosserie verschwinden aus der öffentlichen Diskussion. Was nicht mit den Attributen Künstliche Intelligenz, Cyber Security, Big Data, autonom, Blockchain und Co, versehen ist, wird kaum noch wahrgenommen. Nur mit Hilfe digitaler Lösungen, so scheint es, ist noch eine Entwicklung und Überleben der Automobilindustrie möglich. Dabei sind es gerade die „traditionellen“ Zulieferer, die eine reibungslose Integration ins Fahrzeug am besten sicherstellen können und viele Weiterentwicklungen in klassischen Anwendungsbereichen vorantreiben, aus denen sich mancher der OEMs bereits zurückgezogen hat. Wie groß inzwischen der Unterschied zwischen „digital“ und „traditionell“ geworden ist zeigt der folgende Vergleich. In den Jahren 2017/18 konnte das Startup WayRay, ein Hersteller von holographischen Augmented Reality-Technologien und -Benutzeroberflächen, insgesamt Risikokapital in Höhe von US Dollar 98 Millionen einsammeln – aktuell beschäftigt das Unternehmen 50 Mitarbeiter und setzt US Dollar 3,5 Millionen um. Im letzten Jahr wurde der Zulieferer Proseat (Sitzkissen, Umsatz Euro 291 Millionen und 2.100 Beschäftigte) an einen japanischen Mitbewerber verkauft und mit zirka Euro 45 Millionen bewertet. Bezogen auf das Umsatz-Multiple ist WayRay um den Faktor 180 höher bewertet worden als Proseat. Die Kluft zwischen CASE bzw. Startups und traditionellen Modulen bzw. Zulieferern kann kaum größer sein.
Seit Jahren schon erwirtschaften die Zulieferkonzerne höhere Renditen als der Mittelstand (8 Prozent EBIT-Marge im Vergleich zu zirka 6 Prozent) und wachsen auch stärker. Der Konzentrationsprozess für die gesamte Automobilzulieferindustrie geht weiter. Bis zum Jahr 2025 rechnet Berylls in seiner Global-Top-100-Studie mit einem Anteil von 60 Prozent des Gesamtumsatzes, der auf die 100 größten Zulieferer fällt; heute sind es knapp über 50 Prozent. Die großen Zulieferkonzerne sind globaler aufgestellt, verfügen über einen leichteren Zugang zu den Kapitalmärkten, haben durch Best-Cost-Country Standorte wettbewerbsfähigere Kostenstrukturen, stecken hohe Summen in die Entwicklung von CASE-Technologien oder kaufen sich notwendige Kompetenzen durch die Übernahme von Unternehmen einfach zu. Dem Mittelstand bleibt seine Agilität und sein Unternehmertum, die Spezialisierung auf Nischen und das Kostenbewusstsein, um sich weiterhin als Zulieferer behaupten zu können.
Wird die Zwei-Klassen-Gesellschaft in den kommenden Jahren weiter zementiert, steigen die Unterschiede sogar noch weiter? Nach heutigem Kenntnisstand bewegen sich traditionelle und digitale Geschäftsmodelle mit zunehmender Geschwindigkeit voneinander weg. Dies bedeutet jedoch nicht, dass traditionelle Geschäftsmodelle dem sofortigen Untergang geweiht sind. Vielmehr entstehen für die verbleibenden Marktteilnehmer in traditionellen Bereichen auch neue Chancen: Einerseits dadurch, dass sich die Anzahl der Wettbewerber durch Marktaustritte reduziert und der kleiner werdende Kuchen damit auf weniger Köpfe verteilt werden muss. Andererseits durch mittel- bis langfristig weiterhin hohe Stückzahlen des Verbrennungsmotors: Totgesagte leben vielleicht doch länger als vermutet.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
DACH Automobilindustrie
ie zehn Jahre währende Periode kontinuierlichen Wachstums mit Rekordergebnissen der Automobilzulieferindustrie ist vorbei. Digitale Revolution, Kundenzentrierung von OEMs, Ausdehnung der automobilen Wertschöpfungskette um Infrastrukturbereitstellung und Mobility Operations verändern das Wirtschaftssystem für Zulieferer dramatisch. In diesem Umfeld sieht Berylls acht Herausforderungen, zu denen jeder CEO eines Automobilzulieferers Antworten liefern muss.Um eins vorweg zu nehmen, auch 2019 wurde wieder kräftig geshoppt und es gab erneut fast 300 Transaktionen entlang der Mobilitätswertschöpfungskette über das Jahr verteilt.
Die Automobilindustrie stand für höchste Disziplin in seinem Wertschöpfungssystem: Klare Strukturen entlang der gesamten Lieferkette, gute Planbarkeit und solide Prognosen sowie verlässliche Beziehungen. VUCA ist der Gegenpol, der zu massiven Störungen in diesem System führt. Volatility (Schwankungen), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) nehmen deutlich zu, Vorhersagen werden dadurch schwieriger oder gar unmöglich. Eine auf Erfahrungswerten, Stabilität und Sicherheit basierte Führung wird erschwert. Kleine, ungeplante Abweichungen schlagen mit großer Wirkung bei den Zulieferern zu Buche und führen zu einer Kettenreaktion entlang der Wertschöpfung.
CEOs müssen ein Organisations- und Führungsmodell (er)schaffen, mit dem sie ihr Unternehmen vor dem Hintergrund von VUCA sicher steuern können.
2010 bis 2018 waren für die Automobil(zuliefer)industrie fette Jahre, geprägt durch permanentes Wachstum, weitgehende Kostenkontrolle, Stärkung der Eigenkapitalstrukturen, solide Finanzen, verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. Die kommenden fünf Jahre werden deutlich schwieriger werden: Überproportional gestiegene und steigende Kosten (Lohnsteigerung im Osten, hohe Abschlüsse im Westen, steigende Rohstoffpreise, geringe Materialkostenreduzierungen, steigende Finanzierungskosten, …); erschwerte Finanzierung (steigende Zinsen, Automobil als „Krisenindustrie“ aus Sicht von Banken, …); sinkende Produktivitätsverbesserungen; steigende Komplexität auf Kundenseite; Limitationen der Globalisierung (steigende Logistikkosten, …); hohe Investitionen für Innovation; … Die durchschnittliche EBIT Marge von 8 Prozent bei Zulieferkonzernen und 6-7 Prozent bei Mittelständlern wird bis 2025 auf zirka 5 Prozent sinken.
CEOs müssen in den „Sanierungsdauermodus“ schalten, um permanent die Wirtschaftlichkeit ihres hochkomplexen Wertschöpfungssystems in einer sich ständig wandelnden Welt zu sichern.
Die CASE-Technologien stehen im Zentrum der Veränderung von Mobilitätsleistungen. Durch ihre systemische Verknüpfung, die starke funktionale Verbesserung des Produktes „Mobilität“ und den gravierenden Eingriff in vorhandene Lösungen ist deren Entwicklung, Herstellung und Einführung aufwändig und langwierig: CASE kostet viel und liefert bislang kaum einen oder häufig gar keinen wirtschaftlichen Beitrag für Unternehmen der Automobilindustrie. Das wird sich auch im nächsten Jahrzehnt nicht ändern; die Investitionen zur Entwicklung von CASE-Technologien liegen im zweistelligen Milliardenbereich. Gleichzeitig fließt Wert aus den traditionellen Modulen ab, allen voran dem Verbrennungsmotor (ICE). Neuentwicklungen werden eingestellt, Investitionen finden nicht statt, Finanzmittel werden knapp. Der Spagat zwischen jahrelangen verlustreichen Investitionen in CASE-Technologien und ausbleibenden Gewinnen aus dem traditionellen Geschäft ist nicht mehr zu meistern. Die Verlierer dieser Entwicklung sind die ICE-abhängigen Unternehmen (die immerhin für 25 bis 30 Prozent der Wertschöpfung in der Automobilindustrie stehen), traditionellen Low-Tech-Lieferanten sowie der klassische Mittelstand, der sich die hohen und riskanten Geschäfte nicht mehr leisten kann. Auf der anderen Seite stehen als Gewinner die großen Konzerne (Bosch, Conti, ZF, …), Automobilzulieferer im CASE-Umfeld, die neuen Mobilitäts-Startups sowie Nischenspezialisten.
CEOs müssen sich von „Altlasten“ trennen, neue Geschäftsmodelle zur Partizipation am von CASE initiierten Wandel der Automobilindustrie entwickeln und gleichzeitig hohe Basisinnovationen mit langen Amortisationszeiten bei einem wegbrechenden Kerngeschäft stemmen.
Der Wettbewerb in der Zulieferindustrie war schon seither gnadenlos. Dem Darwin‘schen Gesetz des „Survival of the Fittest“ folgend werden schwache Zulieferer schnell aussortiert. Doch dies geschah innerhalb eines stabilen Wirtschaftssystems. Eine permanente und kontinuierliche Weiterentwicklung über technologische Neuerungen hat die Automobilindustrie und ihre Zulieferer auf ein hohes Innovationslevel gehoben. Das System sah vor, dass sich aller Wandel aus dem System selbst heraus finanziert, dass in kleinen Schritten Innovationen in den Markt eingeführt werden und dass Kompetenzen schrittweise aufgebaut werden. Eine aktuelle Berylls-Studie zu 1.000 Mobilitäts-Startups zeigt, dass in den vergangenen fünf Jahren über Euro 180 Milliarden in Mobilitäts-Wagniskapital gesteckt wurde. Im gleichen Zeitraum wurde für Investitionen in Forschung und Vorentwicklung bei den traditionellen Automobilplayern nur etwa die Hälfte ausgegeben! Startups suchen zudem eher disruptive Innovationen als revolutionäre Entwicklungen: Ein komplettes Auto aus dem 3D-Drucker, Autos, die über dem Boden schweben, fliegende Fahrzeuge, das Null-Unfall-Automobil etc. Diese visionären Geschäftsmodelle gepaart mit schier „unendlichen“ finanziellen und auch intellektuellen Ressourcen treffen nun im Wettbewerb um die beste Mobilitätslösung der Zukunft aufeinander … ein „Clash of Cultures“.
CEOs müssen die Risiken durch Tech-Startups mit disruptiven Ansätzen auf ihr Geschäftsmodell bewerten sowie Chancen daraus identifizieren, von denen sie profitieren können.
Gerade in westlichen Gesellschaften werden die Nachteile individueller Mobilität immer stärker sichtbar: Ressourcenverbrauch, Verkehrsunfälle, Zeitverlust durch Staus, Emissionen (Luft, Lärm, Wasser) etc. Das Auto wird zunehmend zum Buhmann der Gesellschaft. Junge Menschen wenden sich ab. Andere Branchen und Berufe – und damit auch deren Unternehmen – gewinnen an gesellschaftlichem Ansehen und ziehen Talente an sich, weg von der einstigen Vorzeigeindustrie Automobil.
CEOs müssen ihr Unternehmen und die gesamte Automobilbranche wieder attraktiv machen, um weiterhin die besten Talente zu gewinnen.
Die Zusammenarbeit zwischen OEM und Zulieferern war noch in den vergangenen 30 Jahren nie partnerschaftlich und immer von Kostendruck, Lieferanten-Kunden-Beziehung und Generierung von Wettbewerb geprägt. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Ausnahme sind systemrelevante Player in spezifischen und für OEMs kritischen Bereichen. Durch VUCA und die enormen Umbrüche ist es den OEMs kaum noch möglich, verlässliche und stabile Beziehungen zu ihren Lieferanten aufrecht zu erhalten. Die ehemals klare und in gewissen Umfängen vorhersehbare Zukunft löst sich auf, die Verlässlichkeit nimmt rapide ab. Die Folge: Anläufe werden verschoben, Fahrzeugprojekte plötzlich gestrichen, Stückzahlen bleiben deutlich unter der Planung oder steigen stark an, Spezifikationen werden in letzter Minute geändert, kommerzielle Vereinbarungen werden gebrochen. Parallel dazu entstehen komplett „neue“ Kundenbeziehungen mit Tech-Startups oder asiatischen Startup-OEMs, die wenig oder keine Kenntnisse von den Mechanismen der Automobilindustrie haben (und dies ggf. auch nicht wollen). Die tektonischen Verschiebungen haben längst begonnen; asiatische und hier insbesondere chinesische OEMs, kombiniert mit dem durch seine Größe an Bedeutung gewinnenden chinesischen Automobilmarkt führen zu einer Veränderung der Kräfteverhältnisse. China ist für die Automobilindustrie das Maß aller Dinge und nicht mehr Europa, Japan oder die USA. Sind Daimler, BMW oder Audi die Telefunken, Grundigs und DUALs der 2020-ger Jahre?
CEOs müssen ihr Unternehmen beim Umgang mit ihren Kunden an die neuen globalen Machtverhältnisse anpassen.
Die gesamte Machtbalance in der Mobilitätsbranche verschiebt sich nach China/Asien. Jedes dritte Auto wird in China produziert. Auch zukünftig wird China doppelt so stark wachsen wie die anderen Kernmärkte. Bei der Zukunftstechnologie E-Mobilität sind Wachstum und Marktdurchdringung in China höher als im Rest der Welt. Es existiert eine hohe Bereitschaft, in neue OEM-Marken und Mobilitäts-Startups in China zu investieren. „China“ kauft weiterhin in High-Tech-Ländern Zulieferer zu; die Übernahme von westlichen OEMs ist nicht ausgeschlossen. Die staatliche Wirtschaftspolitik hat die Mobilitätsbranche als Schlüsselbranche definiert und unterstützt deren Aufstieg. Insgesamt wird China für die OEMs zum „North Star“ der Absatzmärkte. Für die traditionelle Automobilindustrie bedeutet es, dass sie chinesischer werden muss. Das gilt für alle Aspekte des eigenen Geschäftsmodells.
CEOs müssen den Spagat zwischen Aufbau von Kompetenzen in China und der Sicherung dieser im „Westen“ schaffen.
Das gesamte automobile Wertschöpfungssystem erwartet immer reibungslosere und effizientere Prozesse: Null PPMs, JIT-/JIS-Lieferungen, Simultaneous Engineering, 24/7, … Und dieses System muss global funktionieren. Zielpreise für Komponenten werden auf Basis „perfekter“ Organisationen ermittelt. Die Realität sieht anders aus: Anlaufprobleme, Qualitätskosten, Mehrarbeit durch Schnittstellenprobleme, hohe Personalfluktuation in BCC-Ländern, … Die Mehrzahl der Automobilzulieferer hat in ihrem Geschäftssystem klare Defizite; es läuft überwiegend NICHT reibungslos.
CEOs müssen eine High-Performance-Organisation formen, die einerseits alle Kundenanforderungen best-in-class erfüllt, andererseits dabei maximale Profitabilität erzeugt.
Unser Ausblick: Die vergangenen 10 Jahre waren ein Klacks gegenüber der zu bewältigenden Agenda der kommenden 10 Jahre.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
DACH Automobilindustrie
nbeirrt von den Diskussionen um das Ende des Verbrennungsmotors, das Potenzial von autonom fahrenden Taxiflotten und einem in Europa vermeintlich schwindenden Auto-Enthusiasmus, blicken die weltweit 100 größten Zulieferer erneut auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück. Allerdings wächst neue Konkurrenz heran, die vor allem auf den hinteren Rängen für Bewegung sorgen wird.
Um sich einen Überblick über die zehn größten internationalen Automobilzulieferer des vergangenen Geschäftsjahres zu verschaffen, reicht ein Blick in die Top 100 des Jahres 2016: Aufsteiger oder Absteiger aus den Spitzenrängen gab es im vergangenen Jahr keine. Unangefochten liegt Bosch mit 47,4 Milliarden Euro Umsatz (Unternehmensbereich Mobility Solutions) auf Platz eins, gefolgt von Continental (44 Milliarden Euro) und Denso (umgerechnet 36,4 Milliarden Euro). Das Spitzentrio verteidigt seine Positionen hartnäckig und war bereits in den vergangenen beiden Jahren in dieser Reihenfolge im Berylls TOP 100 Zulieferer-Ranking vertreten. Gegenüber dem Vorjahr ist der Abstand auf den Viertplatzierten mit 2,9 Milliarden Euro spürbar gewachsen (2016: 1,7 Milliarden Euro). Den Erfolg der großen Drei sichert die Tatsache, dass weltweit wohl nur sehr wenige Autos produziert werden, die ganz ohne Bauteile der Top-Player von den Bändern laufen – ganz egal ob es sich um Budget-Cars oder Luxus-Limousinen, E-Mobile oder konventionell angetriebene Modelle handelt.
Ein erster Blick auf die TOP 100-Tabelle offenbart ein geteiltes Bild: An vielen Stellen sind Umsatzrückgänge erkennbar. Bei immerhin acht Unternehmen aus den Top 20 zeigen sich negative Umsatzentwicklungen, vor allem asiatische und amerikanische Unternehmen finden sich in dieser Gruppe. Verantwortlich für diesen Eindruck sind allerdings nicht schlechte Geschäfte, sondern besonders heftige Währungskurseffekte im Jahr 2017. Denn gegenüber dem Euro – in dem die Ergebnisse der Berylls TOP 100 einheitlich ausgewiesen werden – haben alle anderen relevanten Währungen zum Teil deutlich an Wert verloren. Besonders hart traf es den Dollar, dessen Wert zum Stichtag 31.12.2017 um mehr als zwölf Prozent gegenüber dem EURO verlor. Einflüsse aus Währungskursentwicklungen hat es bei den Berylls TOP 100 allerdings auch in den vergangenen Jahren gegeben. Dass allerdings alle Wechselkurse gegenüber dem Euro nachgegeben haben, ist die große Ausnahme und ließ sich zuletzt im Jahr 2013 beobachten. In der aktuellen Übersicht haben alle Zulieferer ihren Umsatz im Mittel lediglich um 0,9 Prozent steigern können. In 2016 – einem Jahr mit wesentlich stärkerem Dollar – waren es noch rund sechs Prozent. Blendet man die Währungseffekte aus, kann die Zuliefererindustrie auf einen gemittelten Umsatzzuwachs von 8,6 Prozent zurückblicken – es ging also weiter aufwärts im vergangenen Jahr.
Vor allem für die deutschen Zulieferer lief es rund. 18 deutsche Unternehmen sind unter den TOP 100 zu finden. Auch Knorr-Bremse ist nach einem Umsatzplus von 16 Prozent wieder vertreten (Rang 87). Zu den großen Gewinnern zählt auch Freudenberg durch die Vollkonsolidierung des ehemaligen Joint Ventures Vibracoustics mit einem Sprung von Platz 84 auf die Position 60. Fünf Plätze konnten sich die deutschen Zulieferer im vergangenen Jahr im Schnitt nach vorn arbeiten. Ein Grund hierfür ist, dass die Innovationskraft der Deutschen nach wie vor ungebrochen ist. Als Beispiel dient ein Blick auf die Anzahl der angemeldeten Patente, die in den Jahren 2010 bis 2017 für Technologien zum autonomen Fahren erteilt wurden. Hier liegt Bosch mit 958 Anmeldungen unangefochten an Platz eins, gefolgt von Audi (516 Patente) auf Rang zwei und Continental mit 439 Patenten auf Rang drei. Asiatische oder amerikanische Zulieferer sind unter den zehn Besten in diesem Ranking nicht vertreten.
Blickt man auf die anderen europäischen Zulieferer ergibt sich ebenfalls ein erfreuliches Bild. Mit einer Ausnahme. Ein Sonderfall unter den Europäern ist sicher IAC (International Automotive Components) mit amerikanischen Wurzeln und Firmensitz in Luxemburg. Der Spezialist für Interieurkomponenten gehört zum US-Finanzinvestor Wilbur Ross und stürzte 2017 um 21 Plätze im Ranking auf die Position 66 ab. IAC musste umgerechnet einen Umsatzeinbruch von 35,5 Prozent verkraften. Die Auszeichnung durch GM als Supplier of the Year 2017 ist da kaum tröstlich. Immerhin konnte das Unternehmen im April 2018 den Abschluss einer neuen Finanzierungrunde bekanntgeben und mit Gamut Capital Management einen neuen Minderheitseigner für sich gewinnen. Die Talsohle soll nach eigenen Angaben damit durchschritten sein. Einen leichten Umsatzrückgang musste auch die Grupo Antolin (Rang 52) verzeichnen, die 2016 nach der Übernahme von Magna Interior Business noch einen signifikanten Umsatzsprung verzeichnet hatte.
Bislang generiert die klassische Welt der Automobilindustrie also gute bis sehr gute Umsätze. Schließlich ist der sogenannte Tipping Point bei Verbrennungsmotoren noch nicht erreicht: Weltweit werden Bauteile für konventionelle Antriebe nach wie vor stark nachgefragt. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Umstand nicht über Nacht ändern wird. Selbst wenn sich neben Newcomern wie Byton auch vereinzelt etablierte Marken wie DS, Smart oder Volvo dem E-Antrieb zuwenden, wird die Masse aller Neuwagen selbst 2025 noch mit Verbrenner vom Band rollen. Ein wichtiger Indikator dafür ist die Entwicklung des Volkswagen-Konzerns. Er will 2025 weltweit etwa 13 Millionen Autos absetzen, davon bis zu 30 Prozent mit E-Antrieb. Es werden also weiterhin rund zehn Millionen Modelle mit Benzin-, Diesel- oder Gasmotoren von den Bändern laufen. Ein Trend, der auch für die anderen Massenhersteller Gültigkeit haben dürfte.
Dennoch stellen sich die Zulieferer zunehmend auf die Elektrifizierung der Mobilität ein. Den Großen gelingt dies unter anderem, indem sie ganze Geschäftsbereiche abspalten, die langfristig nicht mehr ins Portfolio passen und dort zukaufen, wo Lücken im künftigen Angebot zu schließen sind. Ein Bespiel ist das Joint Venture von Continental mit Osram, das für innovative Licht- und Lasertechnik für autonome Fahrzeuge stehen soll. Ziel ist die Entwicklung intelligenter Licht- und Sensorsysteme für die Mobilität der Zukunft. Sie sollen die Kommunikation der Robo-Autos (C2C) untereinander, aber auch mit anderen Verkehrsteilnehmern sicherstellen (C2X). Welche Bedeutung Licht – das wichtigste Fahrerassistenzsystem überhaupt – künftig haben wird, zeigt auch die kürzlich erfolgte Übernahme des österreichischen Beleuchtungsspezialisten ZKW für 1,1 Milliarden Euro durch den Elektronikriesen LG . Es handelt sich hierbei um den größten Übernahmedeal des koreanischen Konzerns, von dem mehr als 9.000 Mitarbeiter weltweit betroffen sein werden. Interessanterweise finden aber auch jene Bereiche Käufer, die konventionelle Produkte außerhalb der CASE-Euphorie anbieten und deren Bedeutung gemeinsam mit dem Verbrennungsmotor zurückgehen wird. So hatte Bosch keine Probleme, einen Käufer für die Starter-Generatoren oder den Bereich Bosch Mahle Turbo Systems zu finden. Gekauft wurden diese Unternehmensbereiche von chinesischen Investoren, bzw. Zulieferern.
Chinesische Zulieferer gewinnen nicht zuletzt durch solche Transaktionen an Bedeutung. Ihre Zahl unter den TOP 100 hat sich auf immerhin vier Unternehmen erhöht. Zwei von ihnen finden sich bereits seit Jahren in der Liste: Weichai Power (Rang 17, Hersteller von Dieselmotoren, unter anderem Anteilseigner bei KION und Linde Hydraulics) und Yanfeng Automotive Interieurs (Rang 33, ehemaliges Interior Business von Johnson Controls und Hersteller von Interieur-Komponenten). Sie werden durch Citic Dicastal (Rang 74, Hersteller für Aluminium-Druckgussteile, Alufelgen) und Ningbo Joyson Electronics (Rang 75) ergänzt. Die chinesischen Zulieferer konnten im vergangenen Jahr enorme Wachstumsraten verzeichnen: Weichai legte um 68 Prozent zu, Ningbo blickt auf ein Plus von knapp 31 Prozent zurück – beides absolute Spitzenwerte, die von staatlichen Programmen in China ordentlich befeuert wurden.
Hinter dem Aufstieg von Ningbo Joyson steckt der Abstieg von Takata. 2016 lag der Spezialist für Passagierschutzsysteme im Ranking mit Platz 51 im soliden Mittelfeld, dann sorgten fehlerhafte Airbags für den größten Rückruf aller Zeiten und für die Insolvenz des Unternehmens. Damit verschwindet der japanische Hersteller aus der Übersicht und Ningbo Joyson betritt die Bühne. Das erst 2004 gegründete chinesische Unternehmen ist seit 2016 der Eigentümer des US-Zulieferers Key Safety Systems (KSS), der wiederum Takata übernommen hat. Joyson selbst produziert Elektronikbauteile wie Steuergeräte für Klimaanlagen aber auch Ladecontroller für E-Autos oder Lenkräder, zu den Kunden gehören unter anderem die deutschen Premiumhersteller. Mit der Übernahme von Takata durch KSS wird Ningbo Joyson nicht nur zu einem globalen Anbieter von Sicherheitstechnik, sondern auch zu einem von vier chinesischen Zulieferern unter den TOP 100.
Dass es bald noch deutlich mehr sein könnten, legt eine Analyse von Berylls Strategy Advisors nahe (siehe Seite XX). Sie betrachtet den chinesischen Zulieferer-Markt, auf dem sich, vielfach unbemerkt, neue Champions entwickeln. Besonders vielversprechend sind das Wanxiang-Konglomerat (Zulieferer für beispielsweise Lenksäulen, Antriebswellen und Frontachsmodule), aber auch die Minth-Gruppe, die bereits heute für internationale Kunden Interieur- und Exterieur-Fahrzeugteile produziert. CATL und BYD stehen als Akkuhersteller ebenfalls auf dem Sprung in die Gruppe der 100 weltweit größten Zulieferer.
Um zu diesem „Club“ dazuzugehören, mussten die Unternehmen in 2017 einen Mindestumsatz von 2,6 Milliarden Euro erzielen, die Schwelle lag nur 100 Millionen und damit nicht wesentlich oberhalb der Größenordnung von 2016. Es bedurfte dennoch eines starken Jahres, um erneut zu den TOP 100 Zulieferern zu gehören und den japanischen Zulieferern ist so ein starkes Jahr gelungen. Sie stellen mit 27 Vertretern erneut die größte Gruppe innerhalb der TOP 100: Allein fünf Unternehmen haben es unter die Top 20 geschafft. Die Profitabilität der Japaner liegt auf Vorjahresniveau, auch wenn die Gruppe einen deutlich schlechteren Eindruck vermittelt: Der um neun Prozent gegenüber dem EURO abgewertete Yen trägt dafür die Hauptverantwortung. Ohne die Berücksichtigung von Wechselkurseffekten verzeichneten lediglich zwei Unternehmen (Yasaki: Rang 19 und Calsonic: Rang 32) einen Umsatzrückgang.
Ganz anders sah es im vergangenen Jahr in Korea aus. Es war ein schwieriges Jahr für die südkoreanischen Zulieferer, schließlich mussten sechs von sieben Unternehmen eine rückläufige Profitabilität melden. Hankook Tires (Rang 50) und Hyundai Mobis (Rang sieben) traf es dabei besonders hart. Immerhin konnte Hankook beim Umsatz leicht zulegen und sich im Gesamtranking sogar um zwei Plätze verbessern. Die Profitabilität war bei den im Ranking vertretenen Reifenherstellern allerdings überwiegend rückläufig. Beim Umsatz bilanziert nach lokaler Währung, sind die Reifenhersteller jedoch alle im Plus.
Der gegenüber dem EURO deutlich schwächere US-Dollar überlagerte im vergangenen Jahr den Erfolg der amerikanischen Zulieferer. Es wurden vereinzelt sogar sehr überdurchschnittliche Umsatzzuwächse erzielt. Besonders erfreulich hat sich das vergangene Jahr für American Axle mit einem Plus von 59 Prozent und einem Sprung im Ranking von Position 65 auf 51 entwickelt. Der Hintergrund für diese Entwicklung ist die Übernahme von Metaldyne (Zulieferer u.a. für Dämpfer, Auspuffteile, Antriebskomponenten) mit 4.000 Mitarbeitern. Viel Bewegung innerhalb der US-Zulieferer beruht auf den weiter laufenden Anpassungen der Portfolios an kommende Herausforderungen. Ein Beispiel dafür ist die Aufspaltung von Delphi in Delphi Technologies (fokussiert auf die Produktion von Bauteilen für den klassischen Antriebsstrang) und Aptiv (Schwerpunkt bei Bauteilen für neue Mobilitätslösungen und Connectivity). Damit fällt Delphi zwar aus den Top 20, auf Rang 21 ist jedoch bereits die Ausgliederung Aptiv zu finden und selbst der kleinere Ableger Delphi Technologies belegt mit 4,0 Milliarden Euro Umsatz noch Rang 62.
Das Rad der Übernahmen und Firmenausgründungen hat sich 2017 erneut schneller gedreht als im Vorjahr und es spricht viel dafür, dass, es in 2018 so weitergehen wird. Gut gefüllte Kassen der großen Spieler und der allgemeine Drang sich noch stärker auf die Digitalisierung der automobilen Welt einzulassen weisen darauf hin, dass auch 2018 wieder von größeren Abspaltungen und Übernahmen gekennzeichnet sein wird. Die Bedeutung kreativer Start-ups, die die zukünftige Mobilität maßgeblich mitprägen wollen, wächst. Ihr Umsatz in Euro mag weit unterhalb der TOP 100-Schwelle von 2,6 Milliarden Euro liegen, ihr Einfluss in der Zulieferer-Industrie nimmt gleichwohl sprunghaft zu. Die Top Ten der Silicon Valley Start-Ups (Smartdrive, Greenroad, lytx, inthinc, nuTonomy, CRUISE, …) für kamerabasierte Systeme, Fahreraufmerksamkeit und automatisiertes Fahren konnten bislang laut aktueller M&A-Studie von Berylls Strategy Advisors über 800 Millionen Euro an Geldern einsammeln. Die Top 15 Start-ups für Carsharing wurden mit rund 700 Millionen Euro gefördert (Quelle: Berylls M&A-Studie).
Unter den Geldgebern befinden sich neben risikoaffinen Venture Capital Gesellschaften zunehmend auch TIER1-Zulieferer, die sich bei Beteiligungen bislang eher zurückhaltend verhalten haben. Aber die Zeiten ändern sich: Die namhaften Automobilzulieferer sind mittlerweile groß in Fahrt auf dem Weg in Richtung automobile Zukunft. Auch weil sie realisiert haben, dass neben den Tech-Titans aus dem Silicon-Valley nun auch noch mehr und mehr Chinesen in das Rennen eingestiegen sind.
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.